Drunter und drüber in Paris
Miniapartment mit Plateaus und Pinie von l’atelier

Fünf Menschen und ein Homeoffice auf 50 Quadratmetern – das klingt kaum machbar. Das französische Studio l'atelier hat die Mission in Paris übernommen und erfolgreich erfüllt. Die einfache, aber clevere Lösung der Architekten: Sie stapeln die Funktionen in Ebenen übereinander. Dabei sorgen sie mit ihrer Materialwahl für ein durchgängiges, harmonisches Erscheinungsbild, denn alle Einbauten sind aus hellem Pinienholz gefertigt.
Vierzig Miniapartments hat das Studio l'atelier in den letzten drei Jahren in Paris realisiert. Das Wohnen auf kleinstem Raum ist in der französischen Hauptstadt eine allgegenwärtige Realität und das Architekturbüro, das seinen Sitz mit „Europa“ angibt, verzichtet sogar komplett auf einen physischen Ort. Ganz zeitgenössisch machen die Architekten Zoom, Dropbox oder die Baustelle zu ihrem Arbeitsplatz. Trotzdem ist Frankreich einer ihrer wichtigsten Wirkungsorte. Über die Zeit haben sie ein Vokabular an Lösungen für die kleinen Wohnungen, Dachkammern und Apartments entwickelt, die so typisch für Paris sind. In ihren Projekten geht es immer wieder darum, den Bestand kreativ umzugestalten und neuen Lebensumständen anzupassen, Kinderzimmer und Büros einzufügen oder aus einem Studio eine Vierzimmerwohnung zu machen.
50 für fünf
Genau wegen dieser letzten Anforderung wandte sich eine fünfköpfige Familie an die Architekten. Die Auftraggeber hatten eine Einzimmerwohnung mit 50 Quadratmetern gekauft und wollten diese nun für drei Kinder und zwei Erwachsene einrichten. Trotz der begrenzten Fläche waren die Parameter ideal für räumliche Interventionen. Das Apartment ist nahezu quadratisch, sieben Meter tief und kann mit drei Metern eine großzügige Raumhöhe vorweisen. Diese Eigenschaften erleichtern die Neugestaltung, weil sich einerseits viele Möglichkeiten der Aufteilung ergeben und die Lichtsituation mit den zwei zur Vorder- und Rückseite des Gebäudes weisenden Außenwänden gut zu lösen ist. Außerdem lässt sich eine weitere smarte Raumlösung aus dem Projektportfolio der Architekten realisieren: das Stapeln von Raumvolumina über Zimmer hinweg.
Halbe-halbe
In einem ersten Schritt teilten die Architekten das Apartment in der Mitte. Die zur Eingangstür ausgerichtete Fläche gibt dem gemeinschaftlichen Wohnbereich mit Küche und Wohnzimmer Raum, die andere Hälfte beherbergt Badezimmer, Schlaf- und Kinderzimmer. Noch während der Bestandsaufnahme ergab sich unvermittelt eine weitere Herausforderung: Der Lockdown während der Pandemie sorgte dafür, dass die Menschen Schule und Arbeit nach Hause verlegen mussten. Für die Familie bedeutete das, nicht nur Wohnen und Schlafen zu bedenken, sondern auch fünf Arbeitsplätze zu schaffen. Zusätzlich zum Küchentisch wurde im Zimmer der Tochter, das sich an die Küche anschließt, ein Schreibtisch integriert. Das Zimmer sitzt auf einem Plateau und ist über eine Treppe zu erreichen. Der Raum darunter gehört zum Zimmer der beiden Söhne.
Zehn Jahre später
Das zweite Kinderzimmer borgt sich für die Schlafalkoven ungenutzte Raumhöhe von anderen Zimmern. Der erste Schlafplatz ist über dem Badezimmer untergebracht. Eine Treppe führt in die einen Meter hohe Höhle unter der Decke. Das zweite Bett befindet sich in einer bodennahen Nische, die dem erhöhten Mädchenzimmer abgeschlagen wurde. Durch diesen funktionalen Kniff wird von den aktuellen Bewohnern ein kompletter Raum doppelt genutzt. Wichtig war l'atelier auch die Materialentscheidung. Um die Räume möglichst großzügig wirken zu lassen, haben die Planer auf einen einzigen Werkstoff gesetzt, mit dem alle Einbauten umgesetzt wurden. Türen, Wände, Schränke und Treppen sind aus hellem Pinienholz gefertigt, dessen Maserung sich als einheitliches und warmes Muster durch alle Wohnbereiche zieht. Und sie haben an die Zukunft gedacht: Wenn alle Kinder in etwa zehn Jahren den Haushalt verlassen haben, können einige der raumteilenden Elemente zurückgebaut werden – sie wurden bewusst so konstruiert, dass sie sich ohne großen Aufwand wieder entfernen lassen. Die Kinderzimmer werden dann zum Schlafzimmer, das Schlafzimmer erweitert das Wohnzimmer – und die 50 Quadratmeter verwandeln sich in ein maßgeschneidertes Domizil für ein Paar.
FOTOGRAFIE Tim Van de Velde
Tim Van de Velde
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