Projekte

Egoistisches Kollektiv: Wohnhaus in Japan

In diesem Wohnhaus wurden einige Planungsstandards auf den Kopf gestellt.

von Tim Berge, 01.03.2017

Wie kaum eine andere Kultur hat die japanische in den letzten Jahrzehnten ihre eigene Form des Zusammenlebens entwickelt, in der sich die Grenzen zwischem dem Öffentlichen und Privaten sowie außen und innen immer mehr auflösen. Das architektonische Ergebnis sind einige der bedeutendsten Wohnhäuser unserer Generation. Jun Igarashi liefert mit dem House D ein weiteres realisiertes Beispiel dieser neuen Baukultur.

Das Haus steht an einer Straßenecke im japanischen Asahikawa, einer Stadt, die keine hundert Jahre alt ist – und die geprägt ist durch die Architektur der Moderne und metabolistische Bauexperimente der Fünziger- und Sechzigerjahre. Hier fand Igarashi einen seiner konzeptionellen Anknüpfungspunkte.

Raum auf Raum
Die ersten Studien des Architekten versuchten noch, das gewünschte Raumprogramm in ein konventionelles, rechteckiges Raster zu pressen. Doch die Idee eines standardisierten Baukörpers verwarf Igarashi schnell, als er realisierte, dass durch diese Art der Organisation zu viel wertvolle Fläche der Zirkulation geopfert wird. Stattdessen behandelte er jeden Raum als Einzelstück und platzierte ihn an der für seine Funktion und Nutzung optimalen Stelle auf dem Grundstück. So richteten die Planer die Küche auf einen kleinen Baumgarten aus und dockten an einer Seite das Esszimmer und an der anderen Seite den Badbereich an, der sich in der abgelegendsten Ecke des Anwesens befindet. Diesem Prinzip folgend, reiht sich im House D wie bei einer Perlenkette Raum an Raum und Funktion an Funktion. An den Schnittstellen platzierten die Planer Übergänge, die ohne Tür auskommen und eine ungestörte Zirkulation ermöglichen.

Ehrliche Materialien
Nicht nur das Raumprogramm folgt diesem individuellen Zuschnitt: Jedem einzelnen Volumen wiesen die Architekten eine eigene Höhe und Proportion zu. Dadurch schufen sie – innen wie außen – eine Art architektonischer Landschaft. Mal stecken die Räume bis zur Hüfte im Erdreich, mal liegen sie obenauf. Im Inneren sorgen zudem Doppelgeschosse für eine zusätzliche vertikale Zergliederung des Neubaus, die ebenfalls der Idee einer gebauten Natur folgt. Jun Igarashi unterstützt dieses Motiv durch den Einsatz eines reduzierten und ehrlichen Materialkanons: Beton, verputztes Mauerwerk und Holz sind Teil der Konstruktion und zugleich optischer Rahmen dieser Architektur. Als Verbindung der Zwischengeschosse dienen Leitern: Auf insgesamt 95 Quadratmetern gilt es keinen Platz zu verschenken.

Urbaner Organismus
Im Außenbereich bildet der Baukörper durch seine gezackte und unregelmäßig verlaufende Gebäudekante eine Vielzahl kleiner, hofartiger Situationen und Zwischenbereiche aus. Wie eine Ministadt steht das House D inmitten der Einfamilienhäuser und verschränkt sich mit seiner Umgebung. „Das Ergebnis ist,“ erklärt Igarashi, „dass das Innen zum Außen, und das Außen zum Innen wird. So bildet das Haus eine komplexe Beziehung mit seinem direkten Umfeld.“ Damit steht der Bau auch in der Tradition metabolistischer Architektur, von der es in Asahikawa einige realisierte Beispiele gibt. Die japanische Bewegung betrachtete die Stadt als urbanen Organismus, der einem organischen Lebenszyklus folgt und eine Einheit aus Architektur und Natur bildet. Und genau das gelingt dem House D von Jun Igarashi auf subtile Art und Weise.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekt

Jun Igarashi

www.jun-igarashi.com

Mehr Projekte

Camden Chic

An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum

Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei

Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt

Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert

Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung

Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf

Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil

Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze

Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung

Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht

Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche

Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon

Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang

Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog

Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern

Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen

Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit

Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip

Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion

Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese

Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau

Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen

Design-Apartments auf der MDW 2025

Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven

Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio

Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Nostalgie nach Mass

Belgravia Townhouse von Child Studio

Belgravia Townhouse von Child Studio

Grobe Perfektion

Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Appetitliches Apartment

Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Raumwunder in Porto

Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers

Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers