Ein Bassin zum Fliegen gebracht
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Wenn manche Menschen, bevorzugt Weintrinker, an Südtirol denken, kommt ihnen vermutlich die Weinsorte Kalterer See in den Sinn. Kaltern, die kleine Gemeinde in Südtirol liegt inmitten einer schönen Berglandschaft an einem See, nach dem der bekannteste Wein der Region benannt ist. Seit letztem Jahr dürfte sein Bekanntheitsgrad noch gestiegen sein, denn die kleine Gemeinde ist um eine architektonische Attraktion und gleichzeitig einen Ort der Erholung reicher – einem Seebad, entworfen von einem Wiener Architekturbüro mit dem ungewöhnlichen Namen „the next ENTERprise“. Badegäste tummeln sich hier auf einem riesigen Sonnendeck entweder auf Badetüchern oder im Wasserbecken, dass etwa fünf Meter über dem Erdboden schwebt.
Der Kalterer See liegt etwas außerhalb der Gemeinde inmitten von sanften Berghängen, auf denen Weinstöcke und Obstbäume wachsen und ist zu Fuß bequem in zwei Stunden zu umrunden. Als Erweiterung des schönen Seestrandes beschloss die Gemeinde ein Freibad zu errichten, wohl mit einem Seitenblick auf die Gemeinde Vals im Nachbarland, wo der Schweizer Architekt Peter Zumthor mit der vielbeachteten Therme einen Anziehungspunkt in dem einst verschlafenen Ort schaffte. So war es eine richtige Entscheidung, für das Projekt den auffallenden Entwurf des Wiener Architekturteams, Marie-Therese Harnoncourt und Ernst Fuchs, zu nehmen, die als Sieger aus dem im Jahre 2002 ausgeschriebenen Wettbewerb hervorgingen. Ein Jahr später und in reduzierter Form, verwandelt vom Hallenbad zum Freibad, wurde das Projekt verwirklicht. Das Grundkonzept blieb dabei trotzdem erhalten.
Vom Sonnendeck abtauchen hinab ins Aquarium
Das Schwimmbecken hebt sich vom Boden ab. Seine Oberkante liegt fünf Meter über dem Boden, so dass die Landschaft als Liegewiese unter dem Becken weiter verläuft. Die Stützkonstruktion, die das Wasser des Beckens in der Schwebe hält, gleicht einer aus Beton gegossenen Skulptur. Höhlenartige Räume mit gefalteten Decken sind in der tragenden Konstruktion ausgebildet, die Erlebnisbecken, Wasserspiele und einen Whirlpool bergen. Das Bad ist auf mehreren Ebenen organisiert. Der Bereich direkt unter der Plattform wird von den Architekten das Aquarium genannt, zu dem eine Treppe vom Atrium aus hinab führt. Die Bereiche für Spiel und Spaß sowie für Technik- und Versorgung und Umkleidekabinen befinden sich auf dem Niveau des Sees in den Hohlräumen der Betonskulptur. Hier tummeln sich aufgeregt Kinder im Sprudelbecken oder spielen unter den Wassertropfen im Regenraum. An einigen Stellen wachsen diese Räume von unten trichterförmig nach oben und ragen an der Oberfläche des Wassers wie kleine Vulkaninseln aus dem Meer heraus. Die durch ihre Verkleidung aus Edelstahl in der Sonne schimmernden Gebilde werden von Schwimmenden umkreist. Zwei runde, verglaste Öffnungen im Boden des Schwimmbeckens bringen zusätzlich Licht in die höhlenartigen Räume und gestatten Blicke auf das Geschehen oben.
„Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Sonnendeck, oder im Aquarium…“
Die weit ausladende Plattform, das Sonnendeck ragt bis zu 17 Meter weit über die Wiese. Von hier bietet sich ein grandioser Weitblick über den See mit dem Panorama der Berglandschaft im Hintergrund. Auf dieser Höhenlage, dem Platz an der Sonne, befindet sich das große in der Hohlraumdecke der Stahlbetonkonstruktion eingelassene Schwimmbecken, um das sich Liegen reihen, vollbesetzt mit Sonnenanbetern. Für Kinder gibt es ein räumlich abgetrenntes und von Palmen und Sonnenschirmen umgebenes Becken. Auf derselben Ebene reihen sich Cafeteria, Bar und Weinladen und sorgen für die Verpflegung der Gäste, die teils auf der Seepromenade flanieren oder sich dem Sonnen- oder Wasserbad hingeben. Das Ende des Sonnendecks geht über zu einer Tribüne, von der diese künstliche Badelandschaft sanft auf der Kalterer Bergwiese ausläuft.
FOTOGRAFIE Lukas Schaller
Lukas Schaller
Links
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the next ENTERprise Architects
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