Projekte

Ein Wohnbau als Statement

Haus Alder von Fuhrimann und Hächler Architekten in Zürich

von Katrin Schamun, 25.10.2019

In einer der wohlhabendsten Gegenden Zürichs fällt der Neubau auf. Er erinnert mit seinem rauen Charme an informelle Architektur in Südamerika oder Indien – und zugleich an die Kunstrichtung Arte Povera. Das Haus Alder, geplant von Andreas Fuhrimann und Gabriele Hächler, ist ein Bauergebnis, dem stadtpolitische Entscheidungen vorausgingen. Mit dem Gebäude reagierte die seit 25 Jahren in einem geerbten kleinen Giebelhaus wohnende Bauherrschaft auf Planungen eines siebengeschossigen Seniorenwohnheims gegenüber.

Der Neubau musste einerseits Distanz halten, andererseits dem höheren Nachbarn entgegenwirken. Dies tut er mit Rauheit und Purismus – das Wohnhaus zeigt Kanten, Kratzer und Linien der Schalungsplatten, an seiner Mauerwerksarbeit fehlt ein Arbeitsschritt: das Wegwischen des herausquellenden Mörtel, der eine netzartige Struktur auf dem Stein hinterlässt. Die Fassade ist dreigeteilt: in einen Betonsockel, der etwas zurückspringt, sowie zwei gemauerte Obergeschosse und ein Dachgeschoss. Auch der Dachaufbau ist aus Beton und zeigt geschnittene Kanten, die Dachlinien der umgebenen Bebauung aufnehmen.

Roh und „brut“
Außen zeigt ich das Haus roh und „brut“, im Inneren erfolgt über 300 Quadratmeter auf vier Geschossen eine Abwicklung von ineinander übergehenden Räumen. Der Bodenaufbau ist in jeder Etage eine monolithische Platte, die durchgehend ist. In ihr sind Heizung und Kühlung integriert, es gibt keine Fugen an den Rändern. Eine große Treppe, ebenfalls aus Beton gegossen, übernimmt auch (eine) tragende Funktion und ist das Bindeglied zwischen den Ebenen und Räumen. An ihr entwickeln sich die Übergänge in der Vertikalen. „Was wir im Entwurf unserer Architektur stets versuchen, ist durch Bewegung den Raum erfahrbar zu machen“, erläutert Andreas Fuhrimann das Projekt. „Beim Haus Alder bewegt man sich außen um das Gebäude herum und entdeckt, wie es sich nach oben hin entwickelt. Im Innenraum hat die Treppe nicht nur eine konzeptionelle und statische Bedeutung als Rückgrat des Hauses. Uns geht es vielmehr um die Bewegung innerhalb des Gebäudes, und diese nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Wenn man sich innerhalb des Hauses bewegt, ändert sich dieses permanent durch die fast skulpturale Raumgestaltung.“

Die Schönheit der Materialien
Der Grundriss ist polygonal und offen, der Bau wie ein großes, mehrgeschossiges Loft. Die einzelnen Räume können durch Schiebetüren voneinander abgetrennt werden. Die Bauherren wohnen in den oberen Etagen. Im Dachgeschoss befindet sich eine Wohnküche mit Zugang zur Dachterrasse, beide Obergeschosse beherbergen Wohn- und Schlafbereiche inklusive Badezimmer. Im Erdgeschoss befindet sich eine zusätzliche Wohnung. „Beides, das Innere und das Äußere, haben eine raue Seite. Doch im Innenbereich verwenden wir auch warme Materialien. Backstein ist etwas dazwischen, er ist auch im Hausinneren „brut“, erzeugt aber eine warme Atmosphäre. Es ist hier abgestrichen, sodass man sich nicht verletzt. Allgemein sind die Oberflächen der Wände im Innenraum glatter gestaltet, in Küche und Bad auch gestrichen. Dem grauen Beton stellen wir Holz gegenüber, um einen Materialkontrast zwischen warm und kalt zu erzeugen“, erklärt der Schweizer Architekt. „Die Direktheit des Materials ist uns wichtig. Deshalb verwenden wir beim Beton auch Schalungen, an deren Abdruck man diese direkt sieht. Wenn die Betonfläche weiß verputzt ist, dann fehlt dem Auge ein lebendiger Punkt. Rohe Flächen beizubehalten, hat aber auch einen finanziellen Vorteil. Wir verwenden häufig Materialien, an denen man Spuren von Bearbeitung stärker sieht. Beim Backstein im Haus Alder ist dies natürlich auch Thema.“

Backstein mit spezieller Mörtelfugenästhetik
Der für das Mauerwerk verwendete Backstein ist im Wohnungsbau eher unüblich, sondern wird in der Regel im Agrarbau verwendet. Beim Haus Adler ist es ein zweischaliges Mauerwerk, tragend ist die wettergeschützte innere Seite. Die verwendete Mörtelfugenästhetik trägt Kindheitserinnerungen von Gabrielle Hächler, denn die Wände des Bildhauerateliers ihres Vaters waren ebenso gestaltet. „Wir haben die Rückseite dieses Steins genommen, an denen die Arbeitsspuren vom Brennen sichtbar sind. Auf ihnen sind kleine Tupfen zu erkennen, die durch den Rost entstanden sind, auf dem die Steine gelegen haben“, sagt Andreas Fuhrimann und erinnert sich. „Die beiden jungen Maurer hatten viel Freude bei der Herstellung des Mauerwerks. Wir sagten ihnen, sie sollen sich als Künstler fühlen und diese Arbeit als Künstler verrichten.“

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

Fuhrimann und Hächler Architekten

www.afgh.ch

Mehr Projekte

Camden Chic

An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum

Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei

Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt

Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert

Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung

Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf

Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil

Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze

Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung

Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht

Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche

Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon

Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang

Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog

Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern

Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen

Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit

Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip

Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion

Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese

Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau

Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen

Design-Apartments auf der MDW 2025

Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven

Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio

Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Nostalgie nach Mass

Belgravia Townhouse von Child Studio

Belgravia Townhouse von Child Studio

Grobe Perfektion

Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Appetitliches Apartment

Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Raumwunder in Porto

Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers

Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers