Eine Bühne aus Backstein und Beton
Haus im belgischen Mischwald von Philippe Vander Maren und Richard Venlet

Wo die Architektur sich zurückhält, bleibt Raum für Imagination. Philippe Vander Maren und Richard Venlet haben östlich von Brüssel ein maximal reduziert gestaltetes Haus in den Wald gebaut, das sich auf weite Ausblicke und die wichtigsten Funktionen der Architektur beruft: ein Schutzraum zu sein, der dem Leben eine Bühne gibt.
Ein Haus zwischen Bäumen, gebaut im Dialog mit der Natur – für diese Szenerie gibt es in der Architekturgeschichte einige Referenzen. Auch Haus M in der belgischen Gemeinde Grez-Doiceau ist eine Hommage an Ikonen. Seine Gestalter, der Architekt Philippe Vander Maren und der Künstler Richard Venlet, nennen die Werke von Mies van der Rohe und Philip Johnson als ästhetische Einflussfaktoren. Archetypische Baustoffe wie Ziegel und Zement treffen auf eine Glasfassade und Stahlelemente. Haus M feiert die Schönheit des Pragmatismus, bei dem alle Komponenten präzise Funktionsräume bilden. Es ist nicht das erste Gebäude, bei dem das Duo zusammengearbeitet hat – aber nach einer Reihe von Modernisierungen ist es der erste Neubau. Hier fanden die beiden Belgier Voraussetzungen vor, die ihnen erlaubten, sich allein auf den Standort und die Kulisse zu konzentrieren.
Im Wald vor lauter Bäumen
Das Haus steht an einem Hang im lichten Mischwald. Wer sich ihm von unten nähert, erblickt zuerst den gläsernen Kasten, der als obere Etage auf einer Basis aus rotem Backstein sitzt. So ergeben sich zwei Wohnbereiche: das privatere Hanggeschoss und die einseitig durch eine Glasfassade visuell offen erscheinende Etage darüber. Im Innern hingegen wirkt alles wie aus einem Guss. Es dominiert grauer und glatt polierter Sichtbeton, der hier und da auf Backsteinakzente trifft, die das Fassadenthema in den Innenraum transportieren. Dazu kommen Standard-Quadratfliesen, Aschgrau lackierte Einbaumöbel sowie Metallgeländer und -profile. Das unprätentiöse Interieur war eine bewusste Entscheidung: „Es gibt keine Überfülle an Materialien und Gesten. Ganz im Gegenteil. Nur fünf Materialien tauchen immer wieder auf und übernehmen unterschiedliche Funktionen“, erklären die Gestalter.
Alles Theater
Maren und Venlet vergleichen den Entwurf mit der Konzeption eines Bühnenbildes. Jedes Element hat eine Funktion, wird mit einem Situationswechsel uminterpretiert und verfolgt einen praktischen oder erzählerischen Zweck. Dazu kommt das Licht, das im richtigen Moment den Fokus aufs Geschehen lenkt, sei es durch ein Spotlight oder eine szenische Beleuchtung. „Haus M ist eine Bühne fürs häusliche Leben“, meinen seine Planer. Eine Bühne, die allerdings auch die Natur zum Darsteller macht: Die Bäume vor den Fenstern wirken wie eine Tapete in die Räume hinein und einige Details, wie eine in das Dach integrierte Vogeltränke, laden auch die Fauna zur direkten Interaktion ein. Haus M geht mit dem Wald in den Dialog.
Beam me up
Wer die obere Etage mit ihrem freien Blick in die Natur betritt, fühlt sich durch die fast rahmenlosen und bodentiefen Fenster mitten im Wald. Die asketisch unbespielte Fläche des Raumes lässt ihn wie eine Glamping-Site wirken. Die Fläche ist in Wohn- und Schlafzimmer unterteilt, wobei die Küchenmodule des Wohnbereichs gleichzeitig zu raumbildenden Elementen werden. Mausgrau wie die Wände fließen sie monochrom in den Beton über. Der Boden gibt den einzigen, ästhetisch dezenten Hinweis auf unterschiedliche Nutzungsbereiche. Während in Schlafzimmer und Küche Estrich liegt, wird im Wohnzimmer das regelmäßige Raster roter Ziegel zum „Teppich“. Das Haus trägt architektonischen Normcore. Dezente Raffinessen gibt es auf den zweiten Blick zu entdecken. Da ist das im Betonzylinder verborgene Treppenhaus, das entfernt an die Beaming-Röhre des Raumschiffs Enterprise erinnert – oder der Spiegel über der Treppe, der im geometrischen Grau-in-Grau für Verwirrungsmomente à la M.C. Escher sorgt. Der konsequent vereinfachte Grundriss wirkt mit den präzisen Details weder banal noch komplex, sondern in seiner Einfachheit genau richtig.
FOTOGRAFIE Jeroen Verrecht Jeroen Verrecht
Philippe Vander Maren
instagram.comMehr Projekte
Zu Hause bei einer Bühnenbildnerin
Umbau von Mistovia Studio in Krakau

Grüner wohnen
Nachhaltiges Mehrfamilienhaus von Austin Maynard Architects in Melbourne

Der Periskop-Effekt
Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Architektur mit Weitblick
Umbau eines Steinhauses am Luganer See von Studio Wok

Klösterliche Ruhe
Naturverbundenes Wohnhaus in Kanada von Pierre Thibault

Glaskiste im Schnee
Anbau im tschechischen Isergebirge von Mjölk Architekti

Reise durch die Popkultur
Corinne Mathern renoviert ein Mid-Century-Haus in Los Angeles

Baukasten für die Zukunft
Flexibler, zirkulärer Holzpavillon von DP6 in Almere

Wohnkulisse in der Villa Medici
FRAMA renoviert eine historische Villa bei Florenz

Himmel über Paris
Louis Denavaut renovierte die Maisonette-Wohnung eines Künstlerpaares

Ein Haus bekommt Zuwachs
Anbau von O'Sullivan Skoufoglou Architects in London

Homeoffice im Baumhaus
Nachhaltiger Anbau von Alexander Symes in Australien

Die Kraft des Kontrasts
Anbau von Declan Scullion in Dublin

Moderne Festung
Wohnhaus mit Showroom von Associates Architecture in Mexiko

Gestaffeltes Wohnhaus
Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Heim aus Holz
Neubau eines Wohnhauses von Russell Jones in London

Theater des Wohnens
Flexibles Raumsystem von Enorme Studio aus Madrid

Zuhause in der Wildnis
Naturnaher Wohnbau von Cumulus Studio in Tasmanien

Smart Home in den Alpen
Südtiroler Chalet vom Architekturbüro Tara

Wohnen mit Weitblick
Ausbau eines Penthouses in Berlin von BBPA

Beton im Fels
Eine Villa an der Costa Brava von Marià Castelló Architecture

Häuschen an Häuschen
Wohnensemble von nu.ma in Portugal

Monochromer Rückzugsort
Umbau eines Wohnhauses von DC.AD in Portugal

Tiroler Putz in Madrid
Atelier- und Wohnhaus Blasón von Burr Studio

Tradition mit Twist
Wohnliches Badehaus von Handegård Arkitektur in Norwegen

Bühne für junge Gründer
Aspekt Office gestaltet Agenturräume in Frederiksberg

Holzhaus am Hang
Das Studio Yonder baut Wohnhaus in Bodensee-Nähe

Design als Vergnügen
Ein Umbau zum kommunikativen Familienhaus von Dries Otten

Poolhaus in Melonenfarben
Cierto Estudio erneuert Einfamilienhaus bei Barcelona

Extravolumen auf dem Dach
Wohnhaus in Belgien von i.s.m.architecten
