Formales Echo
Asymmetrisch wie die Gipfel der Berge: das Südtiroler Wohnhaus von Pedevilla Architects.

Partner: FSB
In den Tälern Südtirols klammern sich die traditionellen Weiler in die Hänge, verschließen sich vor der Witterung unter langen Dächern und ducken sich im Windschatten der Berge. Das Architekturbüro Pedevilla baut hier zeitgenössisch – und entwickelt seine Gebäude aus dem Ort heraus. Für ihr jüngstes Einfamilienhaus wurden sie mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt sogar mit dem German Design Award in Gold.
Von allen Tauferer Seitentälern ist Mühlbach das entlegenste, steilste und kleinste. Die Natur ist mit ihren atemberaubenden Panoramen eindeutig Hauptdarsteller, Mensch und alpine Architektur nehmen sich zurück. Armin und Alexander Pedevilla haben sich mit ihren den lokalen Archetypus abstrahierenden Gebäuden nicht nur hier, sondern auch auf internationalem Parkett einen Namen gemacht. Sie setzen moderne Formen in den Bestand, ohne ihn zu stören. Sensibel gehen die Brüder mit regionalen Traditionen um und nutzen lokales Handwerk und Materialien – so wie schon bei ihrem eigenen Ferienhaus und Großstadt-Fluchtort, dem schwarzen Haus Pliscia.
Kalkweiße Kubatur
Das neue Gebäude ist weiß und steht frei und prominent in der Ebene. Es ist monolithisch wie ein loser Felsen und massiv wie die Berge. Seine Form ist ein Echo des Panoramas, das asymmetrische Dach spiegelt die Felsen, ebenso wie die seitlich gesetzte Facette der Fassade. Das Haus am Mühlbach steht weder in Konkurrenz zur Landschaft, noch versteckt es sich in ihr. Der Dialog findet im Innenraum statt. Die Fenster sind quer durch die offenen Etagen nicht klassisch im Raster verteilt, sondern lenken wie Sichtachsen den Blick auf Höhepunkte des Panoramas. Zwischen den Wänden und der beinahe asketischen Innenraumgestaltung wirkt die Aussicht wie gehängte Landschaftsfotografien – nahezu surreal.
Alles aus dem Tal
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht offenkundig ist, spielt die Region im Innenraum eine wichtige Rolle. Das Büro Pedevilla arbeitete hier wie bei fast allen seinen Projekten mit Südtiroler Materialien und ortsansässigen Handwerkern. Der Innenputz besteht aus Sumpfkalk, Marmorsanden und Erdpigmenten, auf den Böden liegt handgehobeltes Ulmenvollholz. Der grau-weiße Steinboden in Küche und Bad ist Passeirer Gneis, ein dezent schimmerndes, lokales Gestein aus Quarz, Glimmer und Feldspat. Eindrucksvoll ist das Eingangsportal, das aus der Distanz wie eine schlichte Lösung aus Holz wirkt und aus der Nähe eine Struktur aus wabenartigen Vertiefungen zeigt. Schnitzmeister aus dem nahen Grödnertal haben die Oberfläche mit dem Meißel gekerbt, eine Technik, die hier als „schroppen“ oder „schoppen“ bekannt ist.
Bronze zu Glimmer und Marmorsand
Die Ausstattung des Hauses ist auf ein Wesentliches reduziert, legt aber Wert auf jedes Detail und die Qualität der Ausführung. Der Knauf der Haustür ist ebenso individuell wie Leuchten, Brüstungen und Möbelgriffe. Für alle Teile wurde Schmiedebronze verwendet, die in ihrem warmen Farbton und mit gebürsteter Oberfläche ausgezeichnet zu den natürlichen Hölzern und Steinen des Interieurs passt. Ergänzt werden die handbearbeiteten Elemente durch Griffe des Herstellers FSB, die auch in Bronze ausgeführt werden und durch ihre zeitlose Ästhetik den Charakter des Hauses unterstreichen. Die verwendete Griffserie 1015 etwa ist ein Klassiker des Herstellers und ein Favorit im Objektbau, der in den 30er Jahren von der Firma Wehag erdacht und von Johannes Potente als Modell 1045 für FSB überarbeitet wurde. An der Schiebetür kommt ein Entwurf von David Chipperfield zum Einsatz, während als Garderobenhaken Knöpfe aus dem FSB-Programm umgenutzt werden.
Ausgezeichnetes Erbe
Mit seiner leisen Sprache und dem Fokus auf jedes Detail ist das Wohnhaus ganz seiner Umgebung verpflichtet. Dabei machen Pedevilla vor, dass Tradition niemals gestrig ist und der bewusste Einsatz lokaler Potenziale eine spürbare Verbindung mit der Umgebung eingeht. Das ist wahrhaft preiswürdig.
FOTOGRAFIE Gustav Willeit
Gustav Willeit
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