Gespaltenes Schwarz
Verschlossen und offen zugleich: ein Einfamilienhaus in Japan löst die Privatsphäre radikal auf.

Dass sich unsere Gesellschaft im Wandel befindet, ist kein Geheimnis mehr: Die Menschheit altert, das klassische Familienbild befindet sich im Auflösungsprozess und die früher noch getrennten Arbeits- und Wohnwelten verschmelzen zunehmend miteinander. Doch wie reagiert die Architektur auf diese Veränderungen? Bisher kaum. Allein in Japan ist eine neue Wohntypologie im Entstehen, die Konzepte für das Wohnen in der Zukunft aufzeigt. Und das ausgerechnet im Einfamilienhausbau! Ein perfektes Beispiel dafür ist das Framing House in der Präfektur Shiga.
Die Bauherrn wünschten sich zusätzlich zur Wohnfläche einen Galerieraum, der je nach Bedarf seine Funktion ändern könnte: mal privat, mal öffentlich. Für den Architekten Kouchi Kimura (Form) war die Anforderung seiner Kunden eine Steilvorlage, ist er doch bekannt für die Vermengung von Wohn- und Straßenraum.
Schau mal rein
Das Framing House steht da wie ein monolithischer Block, dem nichts und niemand etwas anhaben kann. Die schwarze Wellblechfassade wird nur an wenigen Stellen von Fensteröffnungen durchbrochen; das Gebäude für eine Fabrik zu halten, wäre kein abwegiger Gedanke. Doch der erste Eindruck täuscht gewaltig. Das Eigenheim öffnet sich nach außen weit radikaler als seine vollverglasten Nachbarn. Eine öffentliche Passage führt von der Straße hinein in das Haus und schneidet den Grundriss auf der Erdgeschossebene in zwei Hälften. Auf der einen Seite befindet sich der Eingangsbereich zum darüberliegenden Wohntrakt, auf der anderen Seite ist der vom Bauherren gewünschte Galerieraum. Beide Orte gewähren mit großformatigen Panoramafenstern gerahmte Einblicke in das Innere: Ein Unterschied zwischen Privatem und Öffentlichem existiert nicht mehr.
Vernetzung und Distanz
Auch der hinter dem Haus liegende kleine Hof setzt den Mehrzweckgedanken fort und dient gleichermaßen als Rückzugsort der Bewohner und halböffentlicher Außenraum: Ein Bild, das man in den letzten Jahren häufiger bei privaten Wohnungsbauten in Japan gesehen hat und das als architektonisches Pendant zu neu entstehenden Lebensentwürfen gesehen werden kann. Die Bewohner des Framing House betrachten diese Form der Überlagerung als Bereicherung ihres Alltags.
Das Innere nimmt sich in seiner Farbigkeit und Materialität stark zurück: helle Betonböden und weiße Wände sorgen für ein minimalistisches Setting. Bücherregale, Schränke sowie Fenster- und Türrahmen wurden von Kouchi Kimura als „gerahmte“ Objekte entworfen und als feste Einbauten in die Zimmer integriert. Diese Klarheit soll – wenn es nach dem Architekten geht – die Räume untereinander vernetzen und gleichzeitig „eine Distanz zwischen Bewohnern und Gebäude herstellen“. In Kombination mit dem geschickten Einsatz von indirektem und direktem Tageslicht, das für ein interessantes Schattenspiel im Inneren sorgt, ergibt sich eine funktional-poetische Wohnatmosphäre. Zusammen mit dem, vielleicht unbewusst formulierten, stadtpolitischen Statement haben hier Bauherr und Architekt eine spannende Typologie kreiert, die beeindruckt.
FOTOGRAFIE Yoshihiro Asada
Yoshihiro Asada
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