Gestreift in Graubünden: Fassade von Daniel Buren
Wenn Architektur und Kunst gemeinsame Sache machen: eine Schweizer Wohnhausskulptur.

Wenn Architektur und Kunst zusammen agieren, besteht das Risiko, dass beide nur als Beiwerk des jeweils anderen wahrgenommen werden und dadurch an Relevanz verlieren. Umso spannender ist es, wenn die Fusion gelingt.
So geschehen in Rossa, einer kleinen Gemeinde in Graubünden. Hier schuf der Architekt Davide Macullo in Kollaboration mit dem französischen Künstler Daniel Buren, in Zusammenarbeit mit Mario Cristiani, Galleria Continua, ein Bauwerk, dem die Synthese aus Haus und Skulptur glückt, da die Kunst zum integralen Bestandteil der Architektur wird.
Es war ein lang gehegter Traum von Macullo, einmal mit seinem Idol Daniel Buren zu kollaborieren. Die Arbeiten des Konzeptkünstlers, die stets aus exakt 8,7 Zentimeter breiten Streifen bestehen, hatten den Architekten früh mit Minimalismus in Berührung gebracht und ihn in seiner eigenen künstlerischen Entwicklung stark geprägt. Mit Hilfe des Pariser Galleristen Mario Cristiani gelang Macullo die Kontaktaufnahme und schließlich konnte er Buren sogar davon überzeugen, gemeinsam ein Haus in seiner Graubündener Heimat zu planen.
Naive Abstraktion
Das Calancatal ist für den Architekten ein fast schon idealtypischer Ort: aufgrund seiner Geschichte, seiner Natur und seiner Bewohner. Es gibt hier keine Neubauten, alles ist alt. Macullo entschloss sich dazu, die lokale Architektur nicht zu imitieren, sondern künstlerisch weiterzuentwickeln und damit an das Wesen der Region anzuknüpfen, die reich an kunsthistorischen Schätzen ist. Der Neubau, von den Gestaltern Swiss House Rossa getauft, steht am Rand des Dorfes und bildet schon aus größerer Entfernung eine starke Zeichenhaftigkeit aus. Die Form deutet zwar Bezüge zur regionalen Giebeldach-Typologie an, dennoch wirkt der Bau wie eine naive, beinahe kindliche Abstraktion seiner historischen Nachbarn. Sein Grundriss basiert auf einem Kreuz, dessen Ecken abgerundet sind. Die Fenster scheinen beliebig in der Hülle verteilt. Nach oben hin abgeschlossen wird der Bau durch eine amorph verlaufende Dachsilhouette, die unregelmäßig auf- und absteigt. Verkleidet ist das Haus mit einer vertikalen Lattung aus unbehandeltem Holz, die dem kreuzförmigen Grundriss folgen.
Freigestellte Holzkonstruktion
An dieser Stelle kommt Daniel Buren ins Spiel, der für die weißen Streifen auf der von Grün nach Rosa wechselnden Fassade verantwortlich ist. Die Farbigkeit ist ebenfalls ein Symbol: Das helle Grün soll an das Gras des Tals erinnern, das leuchtende Rosa an die Sonnenuntergänge im Sommer und Wildblumen, die in der Berglandschaft wachsen. Die diagonale Aufteilung der Farben wiederum ist eine Anspielung auf den Verlauf der umliegenden Berge. Doch anders als bei einer Kunst-am-Bau-Installation sind die Latten nicht einfach nur ein temporäres, schön anzusehendes Beiwerk, sie sind Teil der Gebäudestruktur. Diese wird im Inneren als offen einsehbare, unbehandelte Holzkonstruktion freigelegt. Die Kunst bleibt draußen. Dennoch bietet das Gebäude eine spannende räumliche Teilung in zwei, horizontal voneinander getrennte, Abschnitte und in verschiedene Split-Level, die allein über Holzleitern und Treppen erreichbar sind. Struktur, Skulptur und Symbolhaftigkeit gehen im Swiss House Rossa eine aufregende Synthese ein.
FOTOGRAFIE Alexandre Zveiger
Alexandre Zveiger
Swiss House Rossa
Neubau, Holzkonstruktion / Rossa, Graubünden, Schweiz / 2017 / Daniel Buren & Davide Macullo
Mehr Projekte
Architektur im Freien
Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

California Cool
Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit
Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort
Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Zwischen Alt und Neu
Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Co-Living mit Geschichte
Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Aus dem Schlaf erwacht
Kern Architekten sanieren das Vöhlinschloss im Unterallgäu

Archäologie in Beton
Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Geordnete Offenheit
Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien
