Glashaus trifft Gründerzeit
Transparenter Anbau von Supertype Group in Berlin

Im Berliner Bezirk Pankow hat das junge Architekturbüro Supertype Group einen innovativen Gebäudetypus ausprobiert. Er erweitert den Bestand um eine Art bewohnbares Gewächshaus, das im Einklang mit den planetaren Grenzen errichtet wurde.
Um neuen Wohnraum in der Innenstadt zu gewinnen, setzen viele Metropolen auf die Verdichtung bestehender Siedlungen. Bei Anbauten oder Aufstockungen können Architekt*innen auf eine bestehende Infrastruktur zurückgreifen. Bewohner*innen profitieren von kurzen Wegen. Und Flächen müssen nicht mehr als nötig versiegelt werden. Das progressive Architekturstudio Supertype Group hat nun in Berlin-Pankow eine neue Art der Nachverdichtung ausprobiert: Einen Gründerzeitbau erweiterte es durch einen transparenten Anbau aus einem mit Polycarbonatplatten ausgefüllten Holzskelett. Auf ganzer Höhe schmiegt sich das Wintergartenhaus, kurz WIGA, an den Bestand. Errichtet wurde es in einer einstigen Durchfahrt, die früher von Gewerbemieter*innen genutzt wurde. Seit sich die Gegend zu einem reinen Wohngebiet entwickelt hat, verlor sie an Bedeutung.
Bewohnbares Gewächshaus
Wer das WIGA betritt, gelangt in einen grünen Innenhof. Pflanzen gedeihen darin das ganze Jahr über und sind sicher vor Frost. Sie erzeugen ein angenehmes Mikroklima und dienen zugleich als klimatische Pufferzone zum Außenbereich. So müssen die isolierten Wohnbereiche weniger geheizt werden, wenn die Sonne im Winter die Luft im Gewächshaus wärmt. Im Sommer ermöglicht die Konstruktion erfrischendes Querlüften. Über Schiebetüren öffnet sich der grüne Hof sowohl zum ebenerdigen Wohnzimmer als auch nach außen zur Nachbarschaft. Eine gelb lackierte Wendeltreppe in seiner Mitte schwingt sich hinauf in den ersten Stock mit frei stehender Badewanne. Der Bezug zum grünen Hof bleibt auch dort über große Fenster bestehen. Durch die halbtransparente Außenhülle werden die Innenräume auch dann mit Licht geflutet, wenn alle Fenster geschlossen sind.
Holzgetäfeltes Schlafgemach
Weniger luftig ist die räumliche Atmosphäre im Schlafzimmer im zweiten Stock. Decken und Wände aus Holz und unter der Dachschräge erzeugen ein Gefühl der Geborgenheit. Fenster ermöglichen den Blick in die Baumwipfel, sodass selbst im Bett ein Bezug zur Natur besteht. Wie auch auf den anderen Etagen verzichteten die Architekt*innen weitgehend auf Wände. Stattdessen unterteilten sie die Fläche durch Podeste und unterschiedliche Raumhöhen.
Flexible Grundrisse
Die Architekt*innen der Supertype Group verstehen das WIGA als flexiblen Prototypen. Denkbar sind andere Materialien wie Holz in Kombination mit der filigranen Grundstruktur. Auch unterschiedliche Raumkonzepte passen ins WIGA. Für Familien ließe es sich mit einer größeren Wohnfläche ausstatten, während in Single-Haushalten der Indoor-Garten mehr Platz einnehmen könnte. Auf sich verändernde Lebenssituationen kann auch später noch flexibel reagiert werden: Die Treppen beispielsweise sind durch das Hinzufügen oder Herausnehmen von Stufen veränderbar.
Im Einklang mit der Erde
Das Design des WIGA ist in seiner Bauweise ausgerichtet an den planetarischen Grenzen und soll einen Beitrag zu einer geringeren Umweltbelastung durch den Bausektor leisten. Die Architekt*innen verwendeten fast ausschließlich Bauelemente aus nachwachsenden, wiederverwendbaren oder recyclingfähigen Materialien. Alle Komponenten lassen sich leicht ausbauen, reparieren oder ersetzen. Auf verklebte Bestandteile und mineralöllastige Dichtungsfolie verzichteten die Planer*innen komplett.
Das WIGA gibt mit seiner ungewöhnlichen Konstruktion viele Denkanstöße, wie sich beim Errichten eines Hauses und beim Wohnen darin CO2 einsparen lässt. Sein ungewöhnliches Design ermöglicht außerdem einen neuen Zugang zum Bauen im Bestand.
Architektur | Supertype Group (Max Becker, Pia Brückner, Tobias Schrammek) |
Statik | bls engineer (Wataru Furuya) |
Fertigstellung | 2024 |
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