Häuschen auf Haus
Ein hölzernes Dachrefugium von Ana Sol Smud

Im dichten Zentrum der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires hat die Architektin Ana Sol Smud einem Wohnhaus ein Penthouse aufs Dach gesetzt, das mit Holzhütten-Ästhetik zur grünen Enklave für die Bewohner*innen wird. Um den Bezug zur Großstadt dabei nicht abreißen zu lassen, holt sie die Atmosphäre des Viertels über zwei Patios, einen Balkon und einen Dachgarten mit 360-Grad-Panorama wieder hinein.
Hochhäuser an Straßenschluchten: So zeigt sich das Stadtbild von Millionenmetropolen. Wachstum findet lediglich an den Rändern noch Raum – oder die urbane Extension weicht auf die Verdichtung nach oben aus. Palermo ist ein zentraler Stadtteil von Buenos Aires, in dem die kompakte Bebauung sich in ein orthogonal gerastertes Layout quetscht. Dorthin wurde die Architektin Ana Sol Smud gerufen, die mit ihrem Studio selbst nur ein paar Blöcke entfernt ansässig ist. Die Aufgabe: Das bestehende Dachgeschoss eines Wohngebäudes durch die Ergänzung einer weiteren Etage zu einer wohnlichen Oase zu machen, die die Bewohner*innen die Hektik der Großstadt vergessen lässt. Dabei wurde gerade der parasitäre Charakter des aufgesetzten Baukörpers zum Vorteil. Er unterstützt ein Wohngefühl, das eher an ein Einfamilienhaus als an ein Penthouse erinnert. „Unsere Absicht war es, eine kleine häusliche Welt zu schaffen und den Eindruck zu vermitteln, in einer Hütte mitten in der Stadt zu leben, an einem behaglichen Ort, der zur Kontemplation einlädt“, erklärt Ana Sol Smud.
Penthouse, öffne dich!
Eine Etage zählte bereits zum Bestand. Sie wurde zur Basis für die weiteren Eingriffe, blieb aber selbst nicht unangetastet. Die Architektin öffnete den Grundriss, um Küche und Wohnzimmer aufzunehmen, und ergänzte die Fläche durch ein flexibles Raumteilersystem. Dank einer faltbaren, aus mehreren großformatigen Paneelen bestehenden Wand kann der Ess- und Wohnbereich von der eigentlichen Küche getrennt – oder umgekehrt zu einer großen, kommunikativen Fläche geöffnet – werden. Das bodentiefe Fenster am Esstisch gibt den Blick frei auf einen schlanken Balkon, während eine innenliegende Treppe am Eingang den neuen Stock des Aufbaus erschließt.
Funktionale Raumbox
In dieser oberen Etage findet ein Material- und Themenwechsel statt: Während die Gemeinschaftsbereiche unten weiß gehalten sind, ist in der „ersten Etage" alles konsequent holzvertäfelt. Und statt der offen gestalteten Funktionsareale wurden klar abgetrennte Arbeits-, Schlaf-und Ruhebereiche definiert. Trennendes Element ist ein zentral platzierter Servicekern, in dem zwei Waschräume installiert sind. Seitlich wird die gesamte Fläche von zwei Patios flankiert, von denen einer den Treppenaufgang auf die Dachterrasse aufnimmt. Der unkonventionelle Grundriss erlaubt dabei maximale Flexibilität: Werden die Türen zwischen den beiden Haupträumen, die frontal und rückwärtig zum Kern liegen, geschlossen, entstehen zwei paritätische Zimmer mit Frischluftanschluss.
Grüner Dschungel vs Großstadtdschungel
Die Schlüsselfunktion übernimmt auf allen Etagen die Aussicht. Der Essbereich im unteren Geschoss ist direkt am schmalen Balkon platziert und stellt die visuelle Beziehung zum urbanen Kontext her. Die mittig geplante Raumbox im neuen Aufbau hält die Außenwände durchlaufend offen und die zwei kleinen Innenhöfe sorgen für eine Beziehung zur Stadt, zur Witterung und zum Licht. Auf dem Dach, der obersten Ebene, öffnet sich die Stadt als Makrokosmos und der hier gepflanzte Dachgarten als Mikrokosmos. Das üppige Grün besteht aus einheimischer Vegetation und wird mit seinem hohen Wuchs zum Dschungel – ohne den spektakulären Rundum-Blick zu stören.
Eine WG mit der Zeit
Die bauliche Erweiterung von Ana Sol Smud hat den Wohnraum des Bestandes verdoppelt und um zukünftige Nutzungspotenziale ergänzt. Wenn sich die Anzahl der Bewohner*innen oder ihre Lebensweise verändert, kann sich das Penthouse mit dem verborgen installierten Paneelsystem flexibel darauf einstellen. Die Räume funktionieren als Wohn- oder Arbeitszimmer ebenso wie als Schlafraum und beherbergen die Menschen mit Distanz oder in einem ineinander fließenden Layout. „Das Projekt bringt Plastizität und Transformation als Konzept im Wohnbereich an ihr Limit“, erklärt die Architektin. Mit ihrem Konzept hat sie die Zeit als einen kalkulierten Einflussfaktor auf die Architektur mit einbezogen, indem sie festgelegte Raumtrennungen aufgehoben hat: Die Bewohner*innen werden mit dem Einzug zu dauerhaften Gestalter*innen.
FOTOGRAFIE Javier Agustín Rojas
Javier Agustín Rojas
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