Haus der Erzählungen
Portos Architektur wird von einem Hang zur „Häuslichkeit“ dominiert. In der nordportugiesischen Hafenstadt gibt es nur wenige große bauliche Eingriffe. Das Stadtbild ist vielmehr von kleinen Architekturen geprägt, die die Vergangenheit in den Fokus rücken und Tradition und Neuzeit immer wieder miteinander verbinden. Entworfen von dem Architekturbüro Pedra Líquida, ist die Casa do Conto eine dieser Bauten. Das charmante Gästehaus scheint auf dem ersten Blick wie ein traditionelles Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert, im Inneren eröffnet sich jedoch eine moderne Betonarchitektur, die im gesamten Gebäude vorherrscht – vom imposanten Treppenhaus bis zu den Badezimmerboxen.
Die Casa do Conto – das „Haus der Erzählungen“ – liegt im Herzen der Stadt in unmittelbarer Nähe von Rem Koolhaas‘ Casa da Musica. Bis zu seiner Eröffnung unterlag es nicht einem, sondern zwei direkt aufeinander folgenden Renovierungsprozessen – und das nicht aus einer geschmacklichen Launenhaftigkeit heraus. Vielmehr wurde ein Brand dem Hotel nur wenige Tage vor seiner ersten Eröffnung im März 2009 zum Verhängnis. Das Architekturbüro Pedra Líquida – zu Deutsch „flüssiger Stein" – nutzte den Schicksalsschlag als Chance und konzipierte das Hotel ganz neu, ohne seinen Ursprung zu vernachlässigen. „Wie der Phönix“, erklären die Architekten, sollte auch das Gebäude aus der Asche in neuem Glanz entstehen und zwischen der Erinnerung an die Vergangenheit und dem Wunsch nach Zukunft vermitteln.
Fabelhafte Wandlung
Die „Verwandlung“ der Casa do Conto beginnt an der Eingangstür: Die Tafel an der Fassade verweist nicht nur auf die heutige Hausnummer 703. Auf ihr steht zudem geschrieben: „Es war Nummer 513.“ Mit diesem rätselhaften Satz beginnt die Reise in das Fabelhaus: Beim Betreten lässt man die traditionelle Steinfassade hinter sich, um in eine moderne, geradlinige Innenarchitektur einzutreten. Diese ist von Beton geprägt, der vorrangig für Böden und Decken verwendet wurde – an den Decken mit eingeschlossenen Worten, die von der Geschichte der Architektur der Stadt und des Gebäudes berichten.
Geometrische Formen und warme Details
Rechts vom Eingang befindet sich die Rezeption: ein eigener Raum mit weißen Wänden und gemütlichem Mobiliar, das als bunter Mix aus Vintage-Objekten sowie modernen Entwürfen zusammengestellt ist. Weiter geht es vorbei an einem großen Treppenhaus, das ganz aus Beton errichtet ist. Auf den Wänden erkennt man die Holzmaserung der Betonschalung, zudem gibt es hier ein kegelartiges Oberlicht, durch das Tageslicht eintritt. Dahinter folgt die Lounge, die ähnlich wie die Rezeption mit geschmackvoll zusammengestelltem Mobiliar ausgestattet ist und trotz des kühlen Betons warm und freundlich anmutet. Von ihr führt eine lange Außentreppe in den tiefer liegenden Garten mit Obstbäumen. In Gartenhöhe befindet sich das Souterrain mit dem Restaurant und der Hotelküche.
Beton-Badezimmer-Boxen
In den drei oberen Etagen sind sechs, von den Farben Schwarz, Grau und Weiß dominierten Suiten untergebracht. Die Zimmer zur Straße hinaus besitzen große Fensterfronten, die anderen zum Garten hin sind mit Loggien und im obersten Geschoss mit einer kleinen Terrasse ausgestattet. In der Mitte der Zimmer steht ein großes Doppelbett, das den optimalen Leseplatz für die in die Decken eingravierten Geschichten bietet. Hinter diesem befindet sich eine Betonbox, die einerseits einen Schrank oder eine kleine verschließbare Küchenzeile sowie andererseits das Badezimmer beherbergt. Wie schon das Treppenhaus besitzt auch der kleine Kasten ein kegelartiges Oberlicht, durch das das Tageslicht in das Zimmer eindringt. Die Decke ist geweißt, die rechte Längswand ist ganz in Schwarz gestrichen und die linke komplett mit einem Spiegel versehen. Vor diesem hängt ein kleiner Waschtisch mit einem runden Becken, der zudem eine geräumige Ablagefläche für Utensilien bietet. Dahinter folgt zunächst eine Toilette und danach – mit Ausnahme vom Terrassenzimmer, das mit einer Dusche ausgestattet ist – eine große ovale Badewanne. Sie bietet Raum, um in die unzähligen reflektierenden Schichten der Spiegelwand einzutauchen, die vielleicht noch tiefer liegen als all die vom Haus erzählten Geschichten.
FOTOGRAFIE FG+SG architectural photography
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