Hölzerne Revanche
In der Schwebe: Ein Holzhaus von Clare Cousins in Australien.
Wie selbst auf nur 48 Quadratmetern ein Eindruck räumlicher Weite entsteht, zeigt ein Wohnbau der Architektin Clare Cousins im australischen Küstenort Mornington. Als Ergänzung eines Strandhauses aus den siebziger Jahren gestaltete sie einen lichtdurchfluteten Pavillon aus Holz. Wie ein schwebender Riegel überwindet dieser das sanfte Gefälle des Grundstücks und erobert einen verlorenen Ausblick aufs Meer zurück.
Dass ein Meerblick keineswegs für ewig gilt, musste eine Familie in Mornington erfahren. In den siebziger Jahren hatte sie dort ein Strandhaus erbaut, dessen flache Kubatur den Case Study Houses von Richard Neutra und Pierre Koenig klare Referenz erwies. Doch so charmant der bodennahe Übergang zwischen Wohnraum und Natur auch sein mag: Es war eine Frage der Zeit, bis Bäume und Sträucher der umliegenden Grundstücke die Aussicht verstellten. Um sich dem Lauf der Dinge nicht länger geschlagen zu geben, gab die Familie der Architektin Clare Cousins aus Melbourne einen klaren Auftrag: Nicht nur der Blick auf Wasser sollte wiederhergestellt, sondern ebenso ein heller, lichtdurchfluteter Rückzugsort geschaffen werden.
Sanfter Höhensprung
Ihre Lösung ist ein eingeschossiger Holzbau, der in einer Höhe von knapp drei Metern über das leichte Gefälle des Grundstücks schwebt. Die Bauherren konnten auf diese Weise gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem zwei überdachte Parkplätze unterhalb des Neubaus entstanden. Um den Eindruck eines starren Riegels zu vermeiden, vollzieht das Gebäude einen leichten Höhensprung unweit des Eingangsbereichs. Weil der Baukörper somit in Richtung Hang etwas flacher ausfällt, ragt er weniger dominant über die Vegetation empor. Ihre Mission hat Clare Cousins dennoch nicht vergessen und eine großformatige Terrasse geschaffen, die den Holzbau auf seiner gesamten Breite begleitet und einen unmittelbaren Ausblick aufs Wasser bietet.
Monochrom in Holz
Auch im Inneren wird ganz auf die Wirkung von Holz gesetzt. Nicht nur Wände, Fußböden und Decken sind in der monochromen Farbigkeit des nachwachsenden Materials gehalten, sondern ebenso die Möblierung. Wo der Baukörper einen leichten Höhensprung vollzieht, entstand ein multifunktionaler Hybrid: Aus einer vierstufigen Treppe wächst ein Sockel heraus, der nahtlos in einen Tisch übergeht und dann mit einer langgezogenen Sitzbank verschmilzt. Auch diese ist mit Schubfächern gefüllt und bietet zusätzlichen Stauraum gegenüber den Wandschränken sowie einem freischwebenden Regal, das zwischen dem erhöhten Schlaf- sowie dem tiefergelegenen Wohnbereich vermittelt.
Lediglich in der Mitte des Raumes erfolgt ein materieller Bruch: Als Reminiszenz an den Altbau ließ Clare Cousins einen Sockel aus weißen Ziegeln durch den gesamten Neubau ragen. Ein Kniff mit doppelter Wirkung: Indem das Mauerwerk statischen Halt verspricht, können die hölzernen Träger an den Fassaden ungleich filigraner ausfallen. Gleichzeitig dient der Sockel als Schornstein für den Kamin, mit dem der Wohlfühlfaktor im Inneren des Holzbaus weiter gestärkt wird. Durch eine großzügige Verglasung kann die Familie ihren zurückgewonnenen Meerblick nicht nur von der Terrasse, sondern ebenso von ihrem Sofa aus genießen – vorausgesetzt, kein bauwütiger Nachbar oder schnellwachsendes Gewächs macht ihnen alsbald wieder einen Strich durch die Rechnung.
FOTOGRAFIE Shannon McGrath
Shannon McGrath
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