Projekte

Japanisch-dänische Fusion

Designkulturen verweben Norm Architects und Keiji Ashizawa für ein Wohnprojekt in Tokio

von Adeline Seidel, 10.07.2019

Was ist das Ergebnis, wenn man japanische Detailperfektion und dänische Geradlinigkeit im Interieur miteinander kombiniert? Man möchte schnell in den Raum werfen: Es wird sicher hell und holzig. Mit Blick auf das Wohnprojekt Kinuta Terrace in Tokio stimmt das durchaus – aber greift natürlich viel zu kurz. Denn bei diesem Projekt verweben sich geschickt zwei Designkulturen, sodass weiche Raumatmosphären durch sachliche Möbel gezeichnet werden, für die die Designer gleich auch ein neues Möbellabel mit dem japanischen Traditionshaus Karimoku gegründet haben. Aber beginnen wir von vorn.

Wie ein Canyon stapeln sich die Wohneinheiten der Kinuta Terrace um einen L-förmigen, begrünten Innenhof. Doch nicht nur dieser gemeinschaftlich nutzbare, schmale Garten ist für die Tokioter Wohnverhältnisse eine Besonderheit. Auch die 35 Wohnungen des drei- bis viergeschossigen Baus sind in Japan eine typologische Seltenheit, denn sie sind als Maisonetten ausgebildet und verfügen über eigene Terrassen. Allesamt werden sie über den Innenhof erschlossen – mit jeweils separaten Eingängen, sodass das Gefühl entsteht, in einem Reihenhaus zu wohnen.

Tokioter Refugium
Fertiggestellt wurde die Wohnanlage von dem Architekten Kojiro Kitayama im Jahre 1991. Nun unterlief sie einer kompletten Sanierung: Die rosafarbenen Fliesen der Fassade wurden durch weißen Putz ersetzt, der monoton bepflanzte Innenhof in ein grünes Refugium verwandelt. Die Wohnungen sind zwar mit circa 100 Quadratmetern Fläche für japanische Verhältnisse durchaus großzügig, die Räume selbst aber sind mit knapp 3,80 und 5 Metern Breite recht schmal.

Designkulturen verweben
Mit der Sanierung des Wohnhauses wurde der Architekt und Produktdesigner Keiji Ashizawa beauftragt. Für die zwei Schauapartments lud er das befreundete dänische Studio Norm Architects ein, die Innenarchitektur für eines der beiden Apartments zu übernehmen. „Wir wollten die kompakten Wohnungen mit natürlichen Materialien und hellen Farben versehen, um Garten und Wohnraum miteinander zu verbinden“, erklärt Keiji Ashizawa. „Zugleich entstand die Idee, gemeinsam Möbelstücke zu entwickeln, die durch ihre Gestalt und Funktion mehr Platz in den kompakten, länglichen Räumen schaffen.“

Maßgeschneiderte Möbel
Insgesamt zwölf Möbel haben die beiden Büros entworfen: vom Tisch bis zum Sofa, vom Regal bis zum Stuhl – maßgeschneidert für die Wohnungen der Kinuta Terrace. Dabei verweben die Gestalter geschickt japanisches und skandinavisches Design. „Meiner Meinung nach liegt der Unterschied oft in den kleinen Details, in den Mustern und Wiederholungen, die man in der japanischen Architektur und den japanischen Möbeln sieht. Japanisches Design „arbeitet“ unglaublich gut mit Proportionen und der Überlappung von Materialien. So entsteht ein viel detailorientierter Fokus,“ bemerkt Frederik Werner, Designer und Associate Partner von Norm Architects. „Skandinavisches Design hingegen ist sehr viel direkter und geradliniger“.

Versteckte Funktionen für kompakte Räume
Die Entwürfe kann man durchaus als eine Essenz beider Designkulturen betrachten: Alle eint eine geradlinige Formensprache und eine sichtbare Konstruktion, die in ihrer Ästhetik an traditionelle japanische Architekturdetails erinnert. Dies verleiht den Möbeln eine gewisse Durchlässigkeit. So zeigt der Esstisch Kinuta N-DT01 in der der Längsansicht durch den breiten Querbalken eine starke Präsenz, doch die schmalen Tischbeine und die dünne Tischplatte lassen das Produkt alles andere als schwerfällig erscheinen. Auch das filigrane Regal Kinuta N-SS01 ist ein Beispiel für die Transparenz und Durchlässigkeit, die den Architekten und Designern für die Möbel wichtig war. „Das Besondere an der Serie ist: Fast jeder Entwurf enthält eine versteckte Funktion,“ verrät Frederik Werner. So sei das Sofa Kinuta N-S01 eine Referenz an klassische Möbel aus Dänemark, zugleich aber dienen die breiten Armlehnen als Beistelltisch. „Und wenn man es gegen die Wand rückt, wird aus den breiten Holzleisten an der Rückenlehne eine Ablage für Bücher und Bilder,“ erklärt der Designer.

Architektur und Möbel zusammen denken
Um die handwerklich anspruchsvollen Entwürfe zu produzieren, schlossen sich die Gestalter mit dem japanischen Möbelhersteller Karimoku zusammen und gründeten die Schwesterfirma Karimoku Case Study – mit Keiji Ashizawa und Norm Architects als kreative Köpfe der Unternehmung. Doch wenn die Möbel der Kinuta-Serie maßgeschneidert für die Wohnungen des Projektes sind, was haben sie dann in Wohnräumen außerhalb der Kinuta Terrace zu suchen? „Sicher werden wir die einzelnen Produkte in unterschiedlichen Größen anbieten, ohne dass die signifikanten, dem Kinuta-Projekt inhärenten Proportionen verloren gehen. Maßgeschneidert sind die ersten Prototypen – ja, aber es ist die Idee und die Formensprache der Möbel, die von der Architektur und den Räumen geprägt wurde. Das heißt also nicht, dass die Produkte nicht in eine andere Umgebung hineinpassen“, erklärt Frederik Werner.

Mit Karimoku Case Study möchten die beiden Büros Möbel entwerfen, die im Zusammenspiel mit einer spezifischen Architektur entstehen. „Wir möchten Architektur, Innenarchitektur und Möbel zusammen denken, denn dieses Zusammenspiel definiert den Raum“, ergänzt Keiji Ashizawa die Idee hinter Karimoku Case Study.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Norm Architects

Partner von Norm Architects, Foto: Norm Architects

Zum Profil

Projekt

Kinuta Terrace

www.kinutaterrace.com

Projektarchitekt

Keiji Ashizawa Design

www.keijidesign.com

Unternehmen

Karimoku Case Study

www.karimoku-casestudy.com

Mehr Projekte

Renovierung mit Respekt

Umbau einer Pariser Siebzigerjahre-Wohnung von Augure Studio

Umbau einer Pariser Siebzigerjahre-Wohnung von Augure Studio

Geschichte unterm Weichzeichner

Lobby und Café für ein Apartmenthaus in Berlin-Mitte von loeserbettels

Lobby und Café für ein Apartmenthaus in Berlin-Mitte von loeserbettels

Ferien mit den Elementen

Ein Inseldomizil von Akb Architects in Ontario

Ein Inseldomizil von Akb Architects in Ontario

Kontrastreiche Farbwelten

Umbau eines Reihenhauses in London von Office S&M

Umbau eines Reihenhauses in London von Office S&M

Schatten aus Zement

Ein mexikanisches Feriendomizil im Valle de Bravo von PPAA

Ein mexikanisches Feriendomizil im Valle de Bravo von PPAA

Kunst der Stille

Minimalistisches Künstlerloft in Taipeh von fws_work

Minimalistisches Künstlerloft in Taipeh von fws_work

Unter Betonbäumen

Wandelbares Gartenhaus von Atelier Janda Vanderghote in Belgien

Wandelbares Gartenhaus von Atelier Janda Vanderghote in Belgien

Hommage an das Hofhaus

CPLUS baut ein Familiendomizil in einem Vorort von Peking

CPLUS baut ein Familiendomizil in einem Vorort von Peking

Grandezza auf kleinem Raum

Umbau eines Apartments in Kiew von Nastia Mirzoyan

Umbau eines Apartments in Kiew von Nastia Mirzoyan

Kirchenschiff mit Meerblick

Sensibler Umbau von Tuckey Design Studio in Devon

Sensibler Umbau von Tuckey Design Studio in Devon

Sommerfrische reloaded

Das Eierhäuschen in Berlin wird zum Spreepark Art Space

Das Eierhäuschen in Berlin wird zum Spreepark Art Space

Blick in die Unendlichkeit

Ferienhaus von Block722 auf der griechischen Insel Syros

Ferienhaus von Block722 auf der griechischen Insel Syros

Urlaub für die Sinne

Umbau einer Ferienwohnung im Schweizer Kurort Flims

Umbau einer Ferienwohnung im Schweizer Kurort Flims

Kreativität in Zeiten der Krise

Altbau-Apartment mit Mondrian-Appeal von Modektura in Kiew

Altbau-Apartment mit Mondrian-Appeal von Modektura in Kiew

Zwischen Luv und Lee

Wohnhaus an der britischen Atlantikküste von Of Architecture

Wohnhaus an der britischen Atlantikküste von Of Architecture

Made in Bosnien-Herzegowina

Wohnungsumbau mit lokalem Handwerk von Project V Architecture

Wohnungsumbau mit lokalem Handwerk von Project V Architecture

Hölzernes Refugium

Giona Bierens de Haan hat ein Bergchalet umgebaut

Giona Bierens de Haan hat ein Bergchalet umgebaut

Wohnen im Wasserwerk

Loftwohnung in ehemaligem Pumpwerk von Giorgio Gullotta Architekten

Loftwohnung in ehemaligem Pumpwerk von Giorgio Gullotta Architekten

Disko unterm Fresko

Umbau einer Villa am Comer See durch J. Mayer H.

Umbau einer Villa am Comer See durch J. Mayer H.

Prager Faltschachtel

Origami-Laube von Byró Architekti

Origami-Laube von Byró Architekti

Exzentrisches Ensemble

Ein Düsseldorfer Apartment im Spannungsfeld von Klassik und Moderne

Ein Düsseldorfer Apartment im Spannungsfeld von Klassik und Moderne

Den Haager Kulturtransfer

Viel Osten im Westen von Bloot Architectuur

Viel Osten im Westen von Bloot Architectuur

Klimafreundliche Stadtoase

Reinterpretation des mediterranen Hofhauses bei Barcelona

Reinterpretation des mediterranen Hofhauses bei Barcelona

Architektenlabor

Jean Vervilles Wohnstudio in Quebec

Jean Vervilles Wohnstudio in Quebec

Zwischen Azulejos und Moderne

Umbau eines Stadthauses in Porto von Droste Architekten

Umbau eines Stadthauses in Porto von Droste Architekten

3D Tetris in historischer Hülle

Mini-Studios für Studierende in Lissabon

Mini-Studios für Studierende in Lissabon

Wohnen auf dem Wasser

Yachtserie Seadeck von Matteo Thun für Azimut 

Yachtserie Seadeck von Matteo Thun für Azimut 

Mediterrane Patio-Wohnung

Barrierefreier Umbau in Valencia von GON Architects

Barrierefreier Umbau in Valencia von GON Architects

Ein Haus, zwei Charaktere

Minimalistischer Holzanbau von Tom Robertson Architects in Australien

Minimalistischer Holzanbau von Tom Robertson Architects in Australien

Wandelbarer Lückenfüller

Urbanes Einfamilienhaus in Kirchheim unter Teck von mehr* architekten

Urbanes Einfamilienhaus in Kirchheim unter Teck von mehr* architekten