Kiew calling
Durst nach Effekten: Das Studio des ukraischen Architekten Sergey Makhno in Kiew.
Ein Büro ist mehr als nur ein Arbeitsort. Es ist eine räumliche Visitenkarte. Ganz in diesem Sinne dachte der ukrainische Architekt und Interieurdesigner Sergey Makhno bei der Einrichtung seines neuen Studios in Kiew. Auf einer Fläche von 200 Quadratmetern entstand eine Mischung aus Office, Wohnraum, Lounge und Skulpturensammlung, die die Trends der Stunde zu einem Cocktail vermischt.
Wenn nichts mehr hilft, hilft eben Kunst. „Ich hatte die Idee, einen Ort zu schaffen, der nicht nur mein Team inspirieren würde, sondern ebenso unsere Kunden“, bringt Sergey Makhno sein Anliegen unumwunden auf den Punkt. Wenn zukünftige Auftraggeber den ukrainischen Architekten und Innenausstatter im Zentrum von Kiew besuchen, hat er den Auftrag zumeist noch nicht in der Tasche. Doch der viel beschäftigte Planer, der Apartments, Restaurants, Geschäfte und Hotels in der Ukraine und in Russland einrichtet, weiß genau, an welchen Reglern er drehen muss. Bereits beim Öffnen der Eingangstür und dem Gang in den Besprechungsraum muss eines unmissverständlich klar gemacht werden: Eine schöne Stange Geld wird hier gewiss in die richtigen Hände gelegt.
Das Büro als Bühne
Während die großen Bürohersteller zurzeit den Transfer von wohnlichen Qualitäten in den Arbeitsraum vollziehen, geht Sergey Makhno noch einen Schritt weiter. Sein Studio ist nicht nur ein Hybrid aus Arbeitsraum und Lounge, sondern ebenso Bühne und Kunstgalerie in einem. Die vier ukrainischen Bildhauer Nazar Bilyk, Dimitriy Grek, Sergey Redko und Yueiy Musatov haben gleich Duzende von Arbeiten geschaffen, die sämtliche Bereiche des Studios ausfüllen. Anstatt die raumhohen Regale im zentralen Besprechungszimmer mit Büchern und Katalogen zu füllen, bevölkern aus Holz geschnitzte Fabelwesen die rauen Baustahlborde vor schwarzem Hintergrund. An anderer Stelle flankieren filigrane Bronzearbeiten die gläsernen Trennwände – und lösen sich im Gegenlicht zu Silhouetten auf.
An Referenzen wird in diesem überambitionierten Raumkontinuum nicht gespart, frei nach dem Motto: Seht her, hier haben wir alles unter einen Hut gebracht, was derzeit in der Designwelt als angesagt gilt. Natürlich dürfen vertikale Gärten à la Patrick Blanc nicht fehlen, die die vier Meter hohen Räume durchziehen. Mit hellem Holz getäfelte Wände werden durch roh belassene Betondecken kontrastiert. Die handgemachten, weißen Pappmaché-Leuchten über einer Schreibtischinsel zeigen ein kupferfarbenes Innenleben. Der Besprechungstisch auf dem Mezzanin entführt geradewegs in die arabischen Kulturen, indem auf flachen, runden Sitzkissen an einem bodennahen Tisch gesessen wird. Der Zugang zum Zwischengeschoss erfolgt über eine Trittleiter – Abenteuerspielplatz!
Gau aus dem Krankenhaus
Als i-Tüpfelchen dient eine Auswahl an Klassikern der jüngeren Designgeschichte. Zwei gelbe Felt Chairs von Marc Newson ziehen vor schwarzen Rückwänden und Vorhängen wie Gummienten die Blicke auf sich. Gleich neben dem großen Besprechungstisch warten zwei schwarze Stool One von Konstantin Grcic (in der Originalversion mit Betonsockel), auf denen die Besucher Platz nehmen. Zwei weitere Exemplare umringen den gläsernen Tisch im Videokonferenzraum – gepaart mit drei weißen und drei schwarzen Elephant Chairs von Neuland Industriedesign. Als dezenter Untergrund für den Designmix dient ein grauer Betonboden, der nach derselben Verfahren angemischt und aufgebracht wurde wie in den ukrainischen Krankenhäusern der 1930er Jahre – schließlich gehört auch eine Portion Vintage-Feeling immer mit dazu.
Zuviel des Guten
Und so treffen sie alle zusammen: das Schroffe und das Warme, das Puristische und das Organische, das Industrielle und das Handgemachte. Was an einigen Stellen gut funktioniert, kippt nur wenige Meter weiter in das genaue Gegenteil. Das Büro wirkt künstlich wie ein Showroom – nicht für Sergey Makhnos eigene Arbeit, sondern eher wie ein bunt zusammengewürfelter Möbelladen. Das ist schade, weil das Sinnliche und Spielerische durch den Durst nach immer neuen Reizen zum Erliegen kommt. Ein paar weniger Effekte und Blockbuster-Anleihen hätten gut getan, um eine gelockerte Atmosphäre zu erzeugen. Schließlich soll das Studio nicht nur bewundert werden. Es soll Sergey Makhno und seinem Team auch zum Arbeiten dienen.
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FOTOGRAFIE Andrey Avdeenko
Andrey Avdeenko
Special: Büro 3000
Alles rund um das Büro von heute und das Arbeiten von morgen. Plus: Trends und Neuheiten von der Orgatec 2014.
www.designlines.deProjektarchitekt
Sergey Makhno, Kiew
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