Leben in der Pyramide
Ein fast fensterloses Wohnhaus in Mexiko von HW Studio

Ein Besuch im Paula-Rego-Museum in Portugal war der Ausgangspunkt für die eher ungewöhnliche Gestaltung eines Wohnhauses in Mexiko: Beeindruckt von den Lichtspielen im Inneren des Ausstellungsgebäudes, schuf das Team von HW Studio einen ebenfalls pyramidenförmigen Raum, der fast ohne Fenster auskommt. Eine Öffnung am Dachfirst lässt das Licht in den Wohnraum fallen – und sorgt für magische Stimmung.
Wie viele Öffnungen braucht ein Haus? Wie viel Licht benötigt ein Mensch, damit er sich wohlfühlt? Große Glasfronten, bodentiefe Fenster, möglichst helle Wohnräume: Ist es nicht das, was die Architektur seit Jahren bestimmt? Ganz anders ist Casa Emma, ein Haus in Mexiko, das fast ohne Fenster auskommt und mit nur einem Oberlicht an der Spitze des Dachs versehen ist. Dunkel oder bedrückend wirkt sein Innenraum trotzdem nicht. Im Gegenteil: Es herrschen Großzügigkeit und eine angenehm beruhigende Atmosphäre.
Still und zeremoniell
Das Haus steht in der Metropole Morelia im Süden Mexikos auf einem Grundstück, das nur vier mal zehn Meter misst. Entworfen hat es HW Studio, ein Architekturbüro, das sich mit dem Ziel formierte, „das Überflüssige in der Architektur zu vermeiden, um durch bewusste Kontemplation Momente des inneren Friedens zu erreichen“. Auch der Büroname unterstreicht diesen Gedanken, denn HW Studio setzt sich aus zwei Buchstaben mit tieferer Bedeutung zusammen: Das H gilt im Spanischen als der „stumme“ Buchstabe und steht somit für Stille, während das W aus der japanischen Teezeremonie Wabi-Cha entlehnt ist.
Helle Momente
Die Idee für die architektonische Gestaltung der Casa Emma kam dem Team von HW Studio, als es das Paula-Rego-Museum in Portugal besichtigte. Das Gebäude besteht aus zwei roten, pyramidenförmigen Betontürmen. „Sie ergriffen uns sofort, als wir das Museum betraten“, so die Architekt*innen. „Unter einer der Pyramiden wurden wir von einem Gefühl der Ehrfurcht und unbeschreiblicher Ruhe umgeben. Das Licht fiel sanft durch ein hohes Oberlicht und wie goldene Strahlen auf die Oberflächen des Museums. Es erzeugte Schatten und Reflexionen, die über die Wände und Böden tanzten.“
Kubus mit Hohlraum
Im Gegensatz zum Paula-Rego-Museum betrachten die Architekt*innen des Wohnhauses ihren Entwurf aber als „Ausgrabungsübung“. Sie schufen einen Hohlraum, dessen räumliche Qualität von den Getreidespeichern der indigenen Bevölkerungsgruppe Purépecha inspiriert ist: Der Innenraum besteht ganz aus Holz und erzeugt so ein Gefühl von Gelassenheit und Ruhe. In der glatt verputzten Straßenfassade sind die Eingangstür und ein Fenster die einzigen Öffnungen. Die Oberfläche ist aus Chukum gemacht, einem natürlichen Anstrich aus dem Harz des Chukum-Baums, gemischt mit Wasser und Steinmehl, das aus Yucatán stammt. Innen findet sich dieser Putz im Entree und im Bad wieder.
Licht und Weite
Nach dem Betreten der Casa Emma gelangt man über einen kurzen Korridor, der das Dach zunächst optisch versteckt, in den hohen, offenen Raum, in dem sich Wohnzimmer, Esszimmer und Küche befinden. Hinter einer Wand am Ende des Raums sind der Kühlschrank sowie ein kleiner Hauswirtschafts- und Abstellraum untergebracht. Dort befindet sich auch eine Treppe, die zum Badezimmer und zum Schlafbereich auf einer Zwischenebene führt. Diese Ebene schwebt wie ein weißer Kubus in der Mitte der Pyramide. Darüber öffnet sich die Weite des hölzernen Dachstuhls und das Tageslicht strömt durch das Fenster an der Spitze hinein. Es entsteht eine fast sakrale Anmutung. „Dieses Haus ist eine Einladung, in eine Welt einzutauchen, in der Licht die Sprache der Gefühle und der Verbindung mit sich selbst wird. Es ist ein Raum, der der Schönheit des Lichts huldigt.“
FOTOGRAFIE César Béjar César Béjar
Fertigstelung: | Juli 2024 |
Projekttyp: | Wohnhaus |
Baufläche: | 54.35 m² |
Standortbereich: | 40.00 m² |
Budget: | 120.000 US Dollar |
Mehr Projekte
Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit
Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip
Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion
Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese
Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau
Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen
Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven
Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio
Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Nostalgie nach Mass
Belgravia Townhouse von Child Studio

Grobe Perfektion
Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Appetitliches Apartment
Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Raumwunder in Porto
Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers

Hygge auf Tschechisch
Umbau des Cottage Two Sisters von Denisa Strmiskova Studio im Isergebirge
