Projekte

Leuchten aus der Tiefe

von Myrta Köhler, 16.03.2012


Sonderbare kreisförmige Vertiefungen finden sich seit Kurzem in der Grazer Altstadt, als hätte ein UFO beim Landevorgang mehrere Male aufgesetzt. Futuristische Assoziationen entstehen hier nicht ganz zufällig: Das neue Joanneumsviertel konzipierten Nieto Sobejano Arquitectos und eep architekten bewusst als Dialog zwischen Alt und Neu. Besondere Ausstrahlung entfaltet das Viertel nachts, wenn aus dem Untergrund warmes Leuchten den Platz erhellt: Unter den Füßen der Passanten befindet sich das neue Besucherzentrum.



Erzherzog Johann I. prägte der Stadt an der Mur nachhaltig seinen Stempel auf: Zahlreiche Straßen, Plätze und Einrichtungen tragen noch heute seinen Namen. So auch das Joanneum in der Raubergasse, gegründet im Jahr 1811 als Lehranstalt und Museum. 1867 wurde die Institution zur „kaiserlichen und königlichen Technischen Hochschule“, die sich später zur Technischen Universität Graz weiterentwickelte und schließlich aus der Gesamtinstitution ausgegliedert wurde. Die naturwissenschaftlichen Sammlungen sollten in einem Landesmuseum zusammengelegt werden - Ende des 19. Jahrhunderts entstand deshalb an der Neutorgasse das Neue Joanneum. Diverse weitere Gebäude nahmen im Lauf der Jahre Teile der ständig anwachsenden Museumsbestände auf. In ihrer Gesamtheit bildet das Universalmuseum Joanneum, so der heutige Name, einen beeindruckenden Querschnitt durch die Architekturgeschichte der Stadt ab: Schlösser, Adelspalais, ehemalige Klosteranlagen und das Landeszeughaus gehören ebenso dazu wie das neu hinzugekommene Römermuseum Flavia Solva oder das Kunsthaus Graz. Das Universalmuseum ist nicht nur das älteste Museum Österreichs, sondern mit über 4,5 Millionen Sammlungsobjekten auch das größte seiner Art in Mitteleuropa.

Neues Kleid zum Geburtstag

Anlässlich des 200. Gründungsjubiläums wurden die Sammlungen und Institutionen des Museums neu strukturiert, die Gebäude generalsaniert und wo nötig durch Neubauten ergänzt. Der „Kern“ des Joanneums, die Gebäude an der Rauber- und der Neutorgasse, wurden nach einem gewonnenen Wettbewerb von Nieto Sobejano Arquitectos und eep architekten neu gestaltet: Die Landesregierung hatte 2006 die Realisierung des Gesamtprojektes Museumsquadrant genehmigt. Das Gebäudeensemble wird nun durch das unterirdische Besucherzentrum zum Joanneumsviertel verbunden.

Nur einen Steinwurf von der Mur entfernt liegt das neue Aushängeschild der Stadt. Die Architekten legten großen Wert darauf, den Respekt vor der historischen Gebäudesubstanz mit den heutigen Anforderungen an Museen und Bibliotheken zu verbinden. Jedes Gebäude erhielt seine Selbständigkeit, Zugangssituation und neue räumliche Anforderungen aber wurden einheitlich gelöst: Dafür bauten die Architekten den Raum zwischen den einzelnen Gebäuden zu einem Platz mit einheitlichem Belag aus: Hier befindet sich auch der Hauptzugang zu den Museen. Der neu geschaffene Platz soll somit den Dialog zwischen Kunst und Stadt fördern und gleichzeitig als städtebaulicher Akzent den Innenstadtbereich als „Kulturbezirk“ aufwerten.

Das lässt tief blicken…

Das Erscheinungsbild des historischen Zentrums der Stadt Graz wird vor allem durch die Dachlandschaft geprägt. Im Gegensatz dazu verlegten die Architekten das Besucherzentrum unter die Erde. Dem Projekt Museumsquadrant gingen vor Baubeginn intensive archäologische Prospektionen voran, die Eröffnung konnte aber noch im Jubiläumsjahr 2011 stattfinden. Hier befinden sich neben Foyer und Museumsshop auch ein separates Auditorium und die Freihand- und Entlehnbereiche der Steiermärkischen Landesbibliothek, außerdem die Zugänge zur Neuen Galerie Graz und den Multimedialen Sammlungen.

Besonders wichtig war es den Architekten, ausreichend Tageslicht in die Räumlichkeiten zu leiten. Der neue mineralische Belag des Platzes, der das Gebäudeensemble verbindet, wird in unregelmäßigen Abständen von runden Öffnungen durchbrochen: Den Haupteingang bildet ein großer, zentral im Hof gelegener „Krater“ von 13 Metern Durchmesser, in dem sogar eine Rolltreppe Platz findet. Die transparenten Kegelstümpfe verbinden Untergeschoss und Erdoberfläche: Die Wände der runden Lichtschächte werden auf dem oberen Fußgängerniveau als Glasgeländer weitergeführt. Die großzügigen Öffnungen versorgen das Besucherzentrum mit Tageslicht und strukturieren die Räumlichkeiten und Tätigkeiten im Inneren, indem sie einerseits als Raumteiler dienen, gleichzeitig aber visuelle Bezüge zulassen.

Lichtkrater

Der Dialog im Joanneumsviertel erfolgt nicht nur direkt über die räumliche Verbindung zwischen unten und oben, sondern auch indirekt über Reflektion: In den glatten Wänden der geneigten Kegelflächen spiegeln sich die umstehenden, denkmalgeschützten Gebäude: So wird das Nebeneinander alter und neuer Bauformen in eine harmonische Symbiose überführt. Licht wird zum kommunikativen Element: Bei Tag werden die unterirdischen Räume von oben erhellt, nachts entstehen auf dem Platz leuchtende Kreisformen. Den Platz säumen unzählige kleine Spots, die bei Dunkelheit einen Übergang zwischen den Lichtkratern und den angestrahlten Gebäuden schaffen. Das Licht verbindet somit nicht nur oben und unten, sondern auch Architektur und Kultur, Gegenwart und Geschichte.
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Links

Universalmuseum Joanneum

www.museum-joanneum.at

Nieto Sobejano Arquitectos

www.nietosobejano.com

eep architekten

www.eep-arch.com

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