Filmreife Kulisse
Ein Arbeitsplatz in Berlin-Kreuzberg als cineastische Hommage von RHO
Die Räumlichkeiten von Automatik VFX liegen in einem modernisierten Industriegebäude im alten Hafen, vor dem Fenster passieren Ausflugsdampfer die Speicher des Mediaspree-Areals. Mehr Berlin geht nicht. Aber: Wer das Büro des Studios für Visual Effects betritt, landet in einem cineastischen Themenpark, der jede Hauptstadt-Hektik vergessen lässt. Die Interiordesigner von RHO haben passend zum Arbeitsfeld ihres Auftraggebers ein stringentes Universum aus Licht, Stahl und schwerem Textil entworfen.
Ein Drittel der Filmbudgets wird in visuelle Effekte und die Postproduktion investiert. Erst durch die Arbeit der VFX-Spezialist*innen wird filmisches Rohmaterial zum cineastischen Meisterwerk. Ihr eigenes Set ist allerdings eher prosaisch als glamourös, denn gebraucht werden vor allem rechenstarke Computer und große Bildschirme. Das Berliner Studio von Automatik VFX ist mit seiner Clubatmosphäre der Gegenentwurf zur einfachen Arbeitshöhle. Gestaltet hat das 172-Quadratmeter-Büro das Kreativduo Lennart Zemke und Nikita Marykov von RHO, das auf Grenzgänge zwischen den Disziplinen Architektur, Musik und Performance spezialisiert ist. „Unser Ziel ist, zeitgenössische architektonische Lösungen für oft komplexe kulturelle und subkulturelle Umgebungen zu schaffen“, sagen sie über sich selbst. Sie haben einen Wasserturm zur Eventlocation gemacht, einer Mensa ein zweites Gesicht als Disco gegeben und ein Café mit Wohnzimmer-Vibes gestaltet. Und jetzt ein Büro, das den Arbeitsplatz auf den roten Teppich hebt.
Vom Schatten ins Licht
RHO hat den Kontrast zwischen der Dunkelkammer und dem Lichthof zum Metathema des Projektentwurfs gemacht, cineastische Zitate platziert und effektvolle Situationen inszeniert. Alles beginnt am Eingang mit einem tiefschwarzen Flurbereich, der von einer semitransparenten Wand flankiert wird. In Glaszylinder eingelassene Leuchtstoffröhren trennen den sogenannten „Red Room“ von der Transitfläche und lassen das Licht in beide Bereiche einfallen. Spektakulär greifen im Raum die monochrome farbliche Inszenierung, die konsequenten Textil-Oberflächen und die filmreife Lichtinszenierung mit James-Bond-Qualitäten ineinander. Der „Red Room“ dient als Mini-Kino und lässt sich während einer Vorführung durch schwere Vorhänge und eine massive Stahltür visuell vom Flur separieren. Dann wird er zu einer signalroten Höhle, die jede Ablenkung schluckt.
Roter Flor und polierter Stahl
Vom halböffentlichen Bereich geht es in die eigentlichen Büros der Mitarbeitenden. Hinter einer Tür wartet die ästhetische Antithese zum Darkroom. Zwar werden hier die Glaswände, Stahleinbauten und der polierte graue Estrich fortgeführt, doch statt in Schwarz und Rot sind die kollektiven Räume in Weiß und Grau gekleidet. Drei Gemeinschaftsbüros beherbergen die Schreibtische, dazu gesellen sich ein Konferenzzimmer sowie die im Flur eingebaute Küche mit angeschlossener Sitznische. Durch die Wände aus Glasröhren sind die verschiedenen Bereiche voneinander getrennt, aber nicht hermetisch abgeschlossen. Sie lassen das Licht durch, verzerren die Aktivitäten der Zimmernachbar*innen und erlauben den akustischen Rückzug. Optional können sie durch lichtgraue Vorhänge blickdicht gemacht werden und so konsequent Privatsphäre herstellen.
Fenster zur Spree
Ein Highlight des Studios ist die unverbaute Aussicht auf die Spree und das gegenüberliegende Ufer. Die bodentiefen Fenster des Konferenzraums können komplett geöffnet werden und lassen in das Büro viel Licht ein, das durch die in Zusammenarbeit mit Room Division entworfene Lichtgestaltung noch unterstützt wird. Schon bei anderen Projekten, wie Les Space Berlin, haben die beiden Büros miteinander kooperiert, um Rauminszenierungen mit größter Planungstiefe und konsequenten Narrativen zu gestalten. Bei Automatik VFX ist das Licht rhythmisch und linear platziert, sowohl über Leuchtstoffröhren an der Decke, als auch über in den Glasrohren installierte Lichtlinien. Sie reflektieren sich in den Edelstahlflächen oder werden von den transparenten Zylindern multipliziert. Dadurch hat RHO ein maßgeschneidertes Arbeitsumfeld für ein Studio entworfen, dessen tägliche Aufgabe darin besteht, konsequente Stimmungswelten im Digitalen zu erzeugen.
FOTOGRAFIE Yannes Kiefer Yannes Kiefer
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