Baumhaus am Hang
Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien
Rund 40 Kilometer nördlich von Sydney liegt der Küstenort Palm Beach. CplusC Architectural Workshop hat dort ein Wohnhaus für eine Familie errichtet. Keine protzige Villa, sondern ein luftiges Baumhaus, das sich über das steile Gefälle des Grundstücks schiebt. Schutzmaßnahmen gegen Kakadus gehören auch dazu.
Ein knappes Budget muss nicht immer von Nachteil sein. Als ein Ehepaar nach zwanzig Jahren in Hongkong wieder zurück in seine Heimat Sydney zog, erwarb es ein Waldgrundstück im Norden der Metropole, in Palm Beach, mit Wasserblick und dichter Vegetation. Der Auftrag für ein kompaktes Wohnhaus ging an das in der Stadt ansässige Architekturbüro CplusC, das auf Tuchfühlung mit der Natur gehen sollte. „An einem landschaftlich reizvollen Ort ist man immer geneigt, etwas Monumentales zu bauen, um die Aussicht genießen zu können. Doch oft führt es zum Fällen von Bäumen, zu massivem Erdaushub oder zum Errichten umfangreicher Stützmauern“, erklärt Clinton Cole, Gründer und Direktor von CplusC Architectural Workshop.
Respekt vor der Natur
Sein Entwurf ist das genaue Gegenteil: Ein eingeschossiges Volumen, das über dem steilen Gefälle des Waldgrundstücks schwebt. Auf Fundamente und Kellerräume wurde aus Kostengründen verzichtet, aber auch, um so wenig wie möglich in die Topografie einzugreifen. Die tragende Struktur des gesamten Hauses besteht aus Hartholz-Balken, die auf dem Untergrund auf winzigen Betonsockeln aufsitzen. Der verwendete Eucalyptus-Pilularis-Baum wächst nahe der Küste in New South Wales und trägt dort den Namen Blackbutt.
Gescannter Baum
Kubatur und Position des Hauses werden durch fünf Bäume bestimmt, die nicht gefällt werden sollten oder durften. Einer davon – ein Port-Jackson-Feigenbaum mit dichtem Blätterdach – steht unter Naturschutz. Um ihn besser in die Planung zu integrieren, wurde eine 3-D-Punktwolken-Vermessung vorgenommen. „Sobald wir den Baum digitalisiert und in unser BIM-Modell importiert hatten, kannten wir die genaue Position eines jeden Astes und Blattes. So wussten wir, wo wir unser Stützen- und Trägersystem platzieren müssen, ohne den Baum zu verstümmeln“, sagt Clinton Cole. Die Präzision dieses Vorgehens überzeugte den zuständigen Stadtrat. In nur sieben Wochen erteilte er die Baugenehmigung.
Vorfabrizierte Bauweise
Schnell ging es auch auf der Baustelle voran. CplusC verwendeten vorgefertigte Module, die einfach an der Baustelle zu montieren waren. Die Bauzeit ließ sich so auf unter ein Jahr reduzieren. Auch erforderte diese Konstruktionsweise weniger Besuche der Bauaufsicht, dank einer einfacheren Abstimmung zwischen Architektenteam und den ausführenden Firmen: ein nicht unwesentlicher Faktor während mehrerer Covid-19-Lockdowns. „Der Hausbau ist für 40 Prozent der weltweiten Abfallmenge verantwortlich. Wir wollen dem entgegenwirken. Unser Entwurf reduziert die graue Energie durch den Einsatz von Fertigbauteilen drastisch“, so Clinton Cole.
Verbindender Außenraum
Wie durch Kostenersparnis ein räumlicher Mehrwert entstand, zeigt sich beim Zugang zum Gebäude. Über einen Weg aus lose platzierten Steinblöcken gelangt man vom Parkplatz bis zum Waldboden unterhalb des Hauses. Von dort führt eine gelbe Wendeltreppe aus Metall zu einer großen Terrasse hinauf. Diese verläuft über die gesamte Länge des Hauses und ermöglicht den Zugang zu allen Räumen. Die Zimmer sind durch Glasschiebe- oder Klapptüren vom Außenraum abgetrennt. Auf einen Korridor im Inneren des Gebäudes wurde verzichtet. Die Terrasse bietet verschiedene Bereiche zum Sitzen, Entspannen und Zusammensein. Ein Sofa und mehrere Butterfly Chairs – eine luftig-leichte Ikone der Outdoor-Möblierung, die 1938 von Antonio Bonet, Jorge Ferrari und Juan Kurchan entworfen wurde – erweitern den Wohnraum hinaus ins Freie.
Mit Netz und offenem Boden
Vor dem Wohnzimmer wurde ein Teil des Terrassenbodens ausgespart und ein Netz, wie es normalerweise für die Sicherung von LKW-Fracht verwendet wird, eingesetzt. Auf der riesigen Hängematte kann man die Natur genießen – Schwindelfreiheit und Unbekümmertheit gegenüber dem schwankenden Untergrund allerdings vorausgesetzt. Weitere Netze kommen anstelle eines Geländers zum Einsatz. Damit wurde der Materialaufwand gegenüber einer Brüstung aus Holzlatten reduziert. Außerdem kann der Blick ungestört hinaus in die umliegenden Baumwipfel und aufs Meer wandern. Die Netze haben aber noch eine weitere Aufgabe: Sie halten Kakadus auf Abstand, die mit Vorliebe alles anknabbern, was ihnen vor den Schnabel kommt.
Durchlässige Raumgrenzen
Die Räume wurden nebeneinander aufgereiht.Küche und Wohnzimmer sind als Open Space miteinander verbunden. Daneben befinden sich das Kinderzimmer, ein Bad mit Zugang zu zwei Toiletten und – am Ende des Hauses – das Elternschlafzimmer. Die vertikalen und horizontalen Träger aus Blackbutt-Hartholz fassen Wände aus geflecktem Eukalyptusholz ein. Sie harmonieren farblich mit den Böden aus faserverstärktem FRP-Kunststoff, die in einem sanften Grünton gehalten sind. Der Abschnitt zwischen dem geneigten Dach aus verzinktem Eisen und den Holzbalken ist verglast. Bereiche mit verstellbaren Glaslamellen sorgen für Luftzirkulation und eine natürliche Klimatisierung. Die Geräuschkulisse unzähliger Vogelstimmen dringt ungefiltert ins Innere. Sie verstärkt das Naturgefühl in diesem luftigen Baumhaus. Ergo: Auch ein kleineres Budget kann mitunter große Wirkung haben.
Projekt | Balmy Palmy |
Typologie | Privates Wohnhaus |
Lage | Palm Beach, Sydney, New South Wales, Australien |
Architektur | CplusC Architectural Workshop |
Größe Grundstück | 1136 Quadratmeter |
Größe Wohnfläche | 94,2 Quadratmeter Innenraum, 55,1 Quadratmeter Außenraum |
Raumaufteilung | Zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, ein Badezimmer |
Lamellenfenster | Breezeway |
Holzlieferant | Barrenjoey Timber |
Metalldach | Lysaght |