Made in Bosnien-Herzegowina
Wohnungsumbau mit lokalem Handwerk von Project V Architecture

Bei der Modernisierung einer Wohnung in Sarajevo setzte Project V Architecture vor allem auf biophile Materialien wie Lehm und Holz, die ganz natürlich die Feuchtigkeit regulieren und die Qualität der Luft verbessern. Damit diese wiederum gut zirkulieren kann, wurde auf Wände verzichtet. Mäandernde Wollvorhänge und eine handgefertigte Möbelinsel aus Holz bilden eine fluide Wohnbühne, die individuell auf die Bewohner*innen reagiert.
Über die strategischen und ästhetischen Leitlinien, die bei der Sanierung eines Apartments in Sarajevo angewendet wurden, hat sich das beauftragte Büro Project V Architecture viele Gedanken gemacht. Ein wichtiges Arbeitsfeld der Gestaltenden ist der Wiederaufbau ihrer Heimatstadt, die immer noch von den Folgen des Krieges gezeichnet ist. Dabei ist ihr Ziel aber nicht ausschließlich die Reparatur, sondern vor allem ein ökologisch und sozial überzeugendes Ergebnis. „Wir haben uns gefragt: Kann der Umbau eines Zuhauses Ideen für den Umbau einer Gesellschaft, einer Stadt oder sogar eines Landes liefern?“, erzählen Vernes Causevic und Lucy Dinnen von Project V Architecture. Sie glauben an die gemeinschaftsstiftende Kraft von Architektur, die Orte prägt, Heimatgefühle verstärkt und Identität herstellt. Wenn dort, wo der Krieg Zerstörung hinterlassen hat, innovative Projekte realisiert werden, kann das als ein Symbol für die Heilung des ganzen Landes gesehen werden, sind die Planer*innen überzeugt.
Holz aus heimischen Wäldern
Die Liebe zu ihrer Heimat spiegelt sich auch in der Wahl der Materialien für das Apartment wider. Zuerst wurde die gerade einmal 50 Quadratmeter große Wohnung, die bisher in vier kleine und dunkle Zimmer aufgeteilt war, komplett entkernt. Der neue Innenausbau setzt auf regionale Werkstoffe und traditionelle handwerkliche Verfahren. Wände und Decken sind, so wie es früher in Bosnien-Herzegowina üblich war, mit Lehm verputzt und strukturiert ausgeführt. Eichenparkett, Fichtenfenster und Buchenmöbel stammen alle aus den heimischen Wäldern, die über fünfzig Prozent des Landes bedecken. Außerdem haben die Architekt*innen eigens für das Apartment mehrere Möbel entworfen, wie den Couchtisch mit einer Basis aus Stampflehm oder einen raumtrennenden Buchenholzmonolithen mit Lehm-Ablageflächen. Diese Werkstoffe und Farben sind eine Hommage an Boden und Erde der Heimat. Und an die Menschen des Landes, denn alle Einbauten wurden von Handwerker*innen aus der Region produziert und zeigen den manuellen Prozess in ihren Details und Oberflächen.
Mäanderndes Wolltextil
Passend zum Sujet tauften die Planer*innen das Projekt Zemlja, was aus dem Bosnischen stammt und so viel wie „Erde“ und „Land“ bedeutet. Bei der räumlichen Organisation folgen sie aber vor allem dem Konzept des „freien Feldes“ und zogen keine neuen Wände ein, um das Layout zu organisieren. Stattdessen entschieden sich Vernes Causevic und Lucy Dinnen für ein Vorhangsystem, mit dem sich flexibel immer wieder neue Raumsituationen schaffen lassen. Die Schiene läuft durchgehend an der Decke, beginnt in der Raummitte und umrundet das Sofa, biegt in die Küche ab und schließt den Esstisch ein, erstreckt sich entlang der Fenster und mündet im Schlafzimmerbereich, der im hinteren Teil des Apartments liegt. In die Schiene eingehängt wurden mehrere terrakottafarbene Wollvorhänge, die sich an den Wänden parken lassen, um den Raum komplett zu öffnen, oder fünf unterschiedlich abgegrenzte Wohnbereiche schaffen. Mit ihnen lassen sich intime Kokons erzeugen, um bei einem Dinner oder Fernsehabend Gemütlichkeit herzustellen. Es können aber auch Bereiche abgeschottet werden, um für visuelle Ruhe zu sorgen: Durch ein paar Handgriffe ist der Eingangsbereich mit behangener Garderobe, die gerade benutzte Küchenzeile oder das ungemachte Bett verschwunden.
Möbelblock und Gardinen-Kolonne
Die Architekt*innen vergleichen ihr Konzept mit einer Theaterbühne, auf der von Vorhängen abgetrennte Kulissen aufeinanderfolgen. Schicht für Schicht können sie freigelegt werden. Sie ersetzen als fluide Lösung statisches Mauerwerk und funktionieren im Zusammenspiel mit dem zweiten Zonierungselement, einer multifunktionalen Miniarchitektur aus Holz. Das im Grundriss T-förmige Element beherbergt zum Wohnzimmer hin ein Regal, zum Schlafbereich hin einen Schrank – und am Fenster wurde ein Schreibtisch integriert, der das Homeoffice markiert. Das Projekt Zemlja ist fast vollständig aus natürlichen Materialien gebaut. Selbst die Balkonmöbel sowie Gerüst und Verkleidung bestehen aus Holz und erzeugen ein wohnliches Raumgefühl, das direkt an die Stimmungswelt der Innenräume anknüpft. Damit setzt sich das Apartment auch deutlich von den Nachbarwohnungen ab und ist in der Fassade sofort auszumachen. Aber auch das ist von Vernes Causevic und Lucy Dinnen so gewollt – sie erkennen darin ein für ihre schrittweise sanierte Stadt typisches Merkmal: „Der einzigartige Charakter des Balkons ist eine Fortführung des sarajevanischen Adhocismus, der in dem Patchwork aus selbst gebauten Balkonen und Fenstern zutage tritt.“
FOTOGRAFIE Shantanu Starick Shantanu Starick
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