Mut zum Muster
Modernisierung eines Mehrfamilienhauses in Barcelona

Respekt vor der Vergangenheit und Mut zum Wandel – diese Gratwanderung ist dem lokal verwurzelten Architekturbüro Vora beim Umbau eines historischen Mehrfamilienhauses in Barcelona bemerkenswert gut gelungen. Das Besondere: Die Planer legten viel Wert auf den Erhalt der ornamentalen Fliesenböden, inszenierten sie jedoch auf ungewöhnliche Weise neu.
Das 1923 erbaute und nach seiner Adresse Vallirana 47 getaufte Objekt liegt an einer ruhigen Seitenstraße im Norden der katalanischen Metropole. Von außen wirkt der dreigeschossige Bau auf elegante Art unauffällig und verrät kaum etwas von der dekorativen Verspieltheit in seinem Inneren. Im Auftrag des auf Restaurierung im Bestand spezialisierten Immobilienunternehmens Pontejos übernahm das Architekturbüro Vora die Modernisierung von fünf Wohneinheiten und dem zentralen Treppenhaus.
Erhalt und Veränderung
Vor dem Umbau verfügten die vier bis viereinhalb Zimmer umfassenden Wohnungen über konventionelle Grundrisse mit eher kleinen, dunklen Räumen. Positiv fielen die über die Jahre erhaltenen Zementfliesenböden, die gemauerten Kappendecken sowie die traditionellen Holzfenster und -türen ins Gewicht. Bei diesem Projekt hätten sie mit ihrer Arbeit eine höhere Stufe der „Hybridisierung“ von Neu und Alt erreicht als je zuvor, berichten die leitenden Architekten Pere Buil und Toni Riba. Ihr Anliegen sei es gewesen, die Identität des Gebäudes zu erhalten und doch für überraschende Brüche im Bestand zu sorgen. Ihre Haltung dabei: respektvoll und spielerisch.
Fliesen im Fokus
Zunächst überarbeiteten die Planer alle Grundrisse, um für die heutigen Wohnbedürfnisse entsprechende Weite und Helligkeit zu schaffen. Dazu entfernten sie einige Zwischenwände, während sie andere nur leicht versetzten. Da jeder Raum über einen eigenen Fliesenboden verfügt, der sich in Muster und Farbgebung von den anderen abhebt, fallen gerade die kleinen Verschiebungen der Wände besonders ins Auge. So treffen an einigen Stellen ganz unterschiedliche Muster aufeinander, während anderswo das Ornament plötzlich durch eine Wand unterbrochen wird. Wo einst Wände standen und folglich kein Bodenbelag vorhanden war, wurden Passstücke aus weißem Marmor eingefügt, die den alten Grundriss nachzeichnen. Was zunächst wie eine Irritation wirkt, steigert die Aufmerksamkeit für die geschliffenen und polierten Zementfliesen, die so zu den wahren Protagonisten dieses Umbaus werden.
Sinnliche Symbiose
Im Kontrast zu den farbintensiven Böden kommen in den Badezimmern und Küchen moderne Wandfliesen aus Keramik zum Einsatz, deren grafische Muster auf der Struktur im Gebäude verbauter, historischer Metallgitter basieren. In gefräster Form wiederholen sich diese Muster auch in den weißen Fronten der modernen Einbauküchen und Badezimmerschränke. An einigen Wänden führen hingegen gemusterte Tapeten die ausdrucksstarke Ornamentik des Bodens fort. Diese sinnliche Herangehensweise spiegele die vielschichtigen Gestaltungsqualitäten der Epoche wider, in der die Wohnungen gebaut wurden, erläutern Buil und Riba. Genau dieser zugleich sensible und unkonventionelle Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz lässt Vallirana 47 aus der Masse oftmals standardisiert wirkender Modernisierungen hervorstechen.
FOTOGRAFIE Adrià Goula / Vora
Adrià Goula / Vora
Architekten | Vora |
Ort | Barcelona |
Baufläche | 490 Quadratmeter |
Bauzeit | 2017-2019 |
Mehr Projekte
Subtile Symbiose
Umbau von Bonell+Dòriga in Ricardo Bofills Walden 7

Pyramiden im Nebel
Feriendomizil von Wiki World und Advanced Architecture Lab in China

Rote Tür zur Black Box
Chilenische Hütte von Estudio Diagonal

Vertikales Gewächshaus
Triplex in Montreal von Jean Verville

Kristalle im Vorgarten
Erweiterung eines Londoner Wohnhauses von Bureau de Change

Mosaik im Big Apple
Apartment von Home Studios in New York

Hütte auf Stelzen
Refugium der Architekten Mork-Ulnes in Norwegen

Nest in den Dünen
Wochenenddomizil in Belgien von Thomas Geldof und Carmine Van der Linden

Wohnliche Garage
Umbau einer Werkstatt in Palma de Mallorca von Mariana de Delás

Japanisch wohnen in London
Apartment im Barbican-Komplex von Takero Shimazaki Architects

Spiel mit der Wahrnehmung
Umbau einer Altbauwohnung in Vilnius von ŠA Atelier

Theater mit Terrazzo
La Macchina Studio verjüngt das Apartment einer 99-Jährigen

Pool als Herzstück
Renovierung eines portugiesischen Wochenenddomizils von DC.AD

Haus im Haus
Umbau eines Berliner Lofts von Batek Architekten

Beton, Holz und Lokalkolorit
Umbau eines Winzergebäudes von a25architetti in Norditalien

Black Box im Grünen
Naturnahes Wohnhaus in Mexiko

Wohnliche Rutschpartie
Umbau von Reflect Architecture in Toronto

Souterrain in Lissabon
Umbau einer ehemaligen Druckerei von João Tiago Aguiar

Licht auf allen Ebenen
Umbau eines maroden Altbaus von Studio Mas-aqui in Barcelona

Introvertiert und extrovertiert
Poppiger Umbau von Fala Atelier in Porto

Apartment in Bewegung
Flexibler Umbau von Arhitektura d.o.o. in Ljubljana

Die Stauraumwohnung
Umbau in Lissabon von Bomo Arquitectos

Architektonische Landpartie
Henrique Barros-Gomes' Umbau eines Backhauses in der portugiesischen Provinz

Der Charme der Bourgeoisie
Umbau von Marcante-Testa in Mailand

Baden wie im alten Rom
Anbau mit Pool in Melbourne von Studio Bright

Wohnen im Wandel
2000-2020: Best-of Residential Interior Design

Familientaugliches Loft
Umbau von Kilo Honč in Bratislava

Kompaktes Künstlerapartment
Pied-à-Terre in New York geplant von Daniel Schütz und Georg Windeck

Bewohnbarer Spielplatz
Rotterdamer Townhouse von LAGADO Architects

Townhouse-Doppel
Lichtdurchfluteter Neubau von PPAA in Mexiko-Stadt
