Nackte Ästhetik
Hotel in alter Weinfabrik auf Peleponnes
Verwitterter Sichtbeton. Licht, das gleißend durch gerostetes Metall fällt. Wind, der sich pfeifend an den Wänden der runden Silos entlang drückt. Ein dystopisches Industrieszenario, das sich auf den zweiten Blick als eines der aufregendsten, neuen Designhotels entpuppt. Denn hinter den verwitterten Fassaden einer alten Weinfabrik ist ein sensibel gestalteter Ort der Entschleunigung eingezogen.
Dass es diesen magischen und maroden Ort im westlichen Peleponnes überhaupt gibt, ist mit einem geschichtlichen Ereignis namens Korinthen-Krise verknüpft. Im 19. Jahrhundert waren getrocknete Weintrauben für Griechenland das wichtigste Exportgut. Der größte Konkurrent: die große Weinnation Frankreich. Weil hier allerdings ein Pilz zuletzt die Ernten vernichtet hatte, wurde Griechenland zum temporären Marktführer. Bis sich die Rebstöcke zwischen Bordeaux und Burgund wieder erholten und Griechenland auf seiner extensiven Traubenproduktion sitzen blieb. Die einzige Lösung: Die Beeren mussten in alternative und haltbare Produkte verwandelt werden. Ab 1910 wurden deshalb überall im Land Weingüter und Destillerien gebaut. Die Weinfabrik Dexamenes war eine davon – und auf maximale Effizienz ausgerichtet. Ihre unmittelbare Lage am Meer ermöglichte es, die Transportschiffe über Rohre und ohne langes Anlanden zu beladen.
Griechischer Wein
Seit 1920 steht das Weingut von Kourouta nahezu unberührt da. Viele Jahrzehnte war es verlassen, nur vom Wind besucht und von Sand, Salz und Wasser verwittert. Es war eine eindrucksvolle Industriebrache in bester Lage: an einem der schönsten Küstenabschnitte von Peleponnes, so nah am Wasser, dass das Fundament im Sand steht und bei Flut fast das Meer berührt. Entrepeneur Nikos Karaflos hatte sofort eine Vision für diesen Ort, mit einer Nutzung, die für die Lage ideal ist. Er trat mit seiner Idee an das Athener Architekturbüro K-Studio heran und präsentierte ihnen seinen Plan, die alte und verwitterte Destillerie zu einem Hotel zu machen. Allerdings ohne kosmetisches Makeover, sondern als einen Ort, der die archaische und brutalistische Ästhetik erhält und erwidert.
Die verbauten Materialien bedienen sich deshalb am Bestandsvokabular. Beton, Stahl und Glas bilden die innere Struktur, Holz verweist auf die Verbindung zum Meer und zum Schiffsbau. Der starke formale Ausdruck der alten Destillerie wurde nahezu unangetastet erhalten, die neuen Bauten schließen formal und ästhetisch daran an. Das Gelände wird von zwei kubischen Betonbauwerken dominiert, die ursprünglich insgesamt zehn Speichertanks in zwei Reihen beherbergt haben. Mit fünf mal sechs Metern ein optimaler Grundriss, um darin Hotelzimmer unterzubringen – auch weil die erste Reihe sich mit ihrer Frontseite zum Meer öffnet. Diesen Räumen wurde eine Struktur in Leichtbauweise vorangestellt, die verschattete Terrassen mit einem Loungebereich bildet und in einen Betonsteg übergeht.
Kühle Askese
Das Interieur ist maximal minimalistisch. Schwarze Stahlstrukturen definieren Mobitekturen wie Bett und Sofa, werden zum Skelett von Nachttisch und Garderobe und dienen als raumteilende Elemente. Strukturiertes Industrieglas trennt das Badezimmer in der oberen Raumhälfte vom Schlafbereich – und ist gleichzeitig eine elegante Lösung für die Lichtsituation. Denn die ehemaligen Tanks lassen nur an einer Raumseite Tageslicht durch die bodentiefen Fenster ein. Graue Textilien, die sich in ihrer Nuance bewusst am Beton orientieren, unterstützen die monochrome, asketische Raumwirkung. Das schwarze Metallskelett ist so etwas wie der funktionale rote Faden der Modernisierung. Es stützt die Sonnendächer der Balkone und rahmt so den Gebäudeblock ein. Zur linken Seite geht es in einen langen, offenen Pavillon über, der unter seinen textilen Markisen Rezeption, Lounge und Bar kombiniert.
Mit dem Umbau der acht Fronträume ist die erste Phase eines umfangreicheren Projektes umgesetzt. Insgesamt stehen auf dem Gelände 40 Tanks, die alle einer neuen funktionalen Aufgabe zugeführt werden sollen. Neben Gästezimmern plant der Eigentümer einen kleinen Shop (Bakaliko) mit lokal produzierten Spezialitäten, aber auch eine Taverne und einen Weingarten, der zwischen den beiden Betonspeichern zu einer grünen Oase werden soll: Rund hundert Jahre nach Errichtung kehrt der Wein auf die Destillerie Dexamenes zurück.
FOTOGRAFIE Claus Brechenmacher & Reiner Bauman
Claus Brechenmacher & Reiner Bauman