Nestbauweise
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Neben seiner Funktion als Lebensraum für zahlreiche Tierarten von Vögeln über Insekten bis zu Wildtieren ist der Wald nicht nur aus holz- und forstwirtschaftlicher Sicht interessant, sondern dient auch als Erholungsraum. „Warum nicht gleich der Stadt den Rücken kehren und in ein Waldhaus ziehen?“, fragte sich zum Beispiel eine Familie aus dem japanischen Onomichi. Sie beauftragte den Architekten Keisuke Maeda des Büros UID mit dem Entwurf ihres Wohnhauses. Das Resultat orientiert sich an der Lebens- und Nestbauweise von Tieren: Es hat individuelle Räume, die sich wie Blätter eines Baums organisieren – am Verborgensten gelegen ist dabei das Badezimmer.
Das Grundstück befindet sich am Fuße eine Bergs und am Rande eines großen Walds – deshalb entschied sich Keisuke Maeda, die Natur zum wichtigsten Teil des Gestaltungskonzepts zu machen und den Außen- in den Innenraum zu verlegen. Dabei fand er Inspiration bei den Waldbewohnern und ihrer Nestbauweise auf und unter dem Waldboden. Er entwarf das 120 Quadratmeter große Familiendomizil als ein „Nest“ mit einem Fundament, das – ähnlich einer Ameisenkolonie – individuelle Räume fasst, die durch Flure miteinander verbunden sind.
Betonierter Innenhof
Eine kleine, unauffällige Treppe führt in das Betonfundament des mit Holz verkleideten Gebäudes. Mittelpunkt ist der Innenhof, der einem betonierten Trampelpfad gleicht und von Pflanzen umsäumt wird. Er öffnet sich zu einem zweistöckigen Atrium und wird von natürlichem Licht erhellt, das durch ein großes offenes Deckenfenster fällt. An seinem Ende befindet sich eine gläserne Eingangstür, die in die Innenräume führt. Hier sind Wände und Decken ebenfalls auch Sichtbeton und die Böden aus Holz gefertigt. Ein schmaler Flur führt nach links zu einer kleinen, mit Holz verkleideten Treppe, die direkt in das Küche und Sitzecke aufnehmende Wohnzimmer führt.
Tiefer gelegtes Wohnzimmer
Der Raum scheint wie ein Becken in die obere betonierte Etage „eingelassen“ zu sein – mit Küchenzeile in der Beckenwand und Spülbecken sowie Kochplatte im Beckenrand. Davor ist ein Esstisch mit vier Wegner-Stühlen sowie ein graues Sofa positioniert – passend zum Betonfundament. Wer sich hier aufhält, streckt ähnlich wie in einem Swimmingpool den Kopf ins Freie und lässt nicht nur den Blick durch die vielzähligen Fensteröffnungen nach draußen schweifen, sondern auch in den weiteren Wohn- und Lebensraum mit dem Innenhof als Mittelpunkt. Um dorthin zu gelangen, muss geklettert werden. Eine andere, komfortablere Möglichkeit führt zurück durch die untere Etage.
Hölzerner Horst
Hier geht der Flur rechts an der Haustür vorbei in das Schlafzimmer der Mutter, in dem sich auch eine steile Treppe nach oben befindet. Nach Außen hin ist der Raum fensterlos, nur zum Innenhof gibt es eine große verglaste Öffnung. In der Mitte steht ein großes Doppelbett, ein Kleiderschrank ist in die Wand eingelassen. Links vom Bett führt die Treppe in die obere Etage. Hier ist das „Treppenhaus“ an den Seiten von hölzernen, halbhohen Regalen umgeben. An der Wand stehen die Schreibtische von Mutter und Töchtern; dahinter, am äußeren Ende des Gebäudes, befindet sich der Schlafbereich der Mädchen. Auch hier ist, abgesehen vom offenen Estrich am Boden, alles aus Holz gefertigt, weshalb die Möbel mit den Wänden zu verschmelzen scheinen.
Verborgenes Badenest
Das gemeinsame Badezimmer befindet sich wiederum im Untergeschoss, direkt hinter dem Schlafzimmer der Mutter. Um dorthin zu gelangen, müssen die Bewohner zurück auf den Flur an einem separaten kleinen WC vorbei. Im eigentlichen Badezimmer steht auf der linken Seite ein langer, linearer Waschtisch, auf dem ein geometrisch geformtes, sanft an den Ecken abgerundetes Waschbecken angeordnet ist. Dahinter liegt der Bade- und Duschbereich, der durch eine gläserne Wand vom vorderen Teil abgetrennt ist. Im Gegensatz zum restlichen Haus wählte der Architekt für Wände und Bodenbereiche – der andere Teil besteht aus Holzdielen – einen hellen Naturstein. Die Sanitäranlagen sind in Weiß gehalten. Ein großes Fenster, hoch oberhalb der Badewanne, lässt Ausblicke in den Wald zu – und unterstreicht das Gefühl, in einem Nest zu leben.
FOTOGRAFIE H. Ueda
H. Ueda
Links
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