Ohne Anschluss verbunden
Mitten in einem Tessiner Weinberg: ein einfacher Holzkubus mit Postkartenaussicht.
Der Architekt Daniele Claudio Taddei hat mitten in einem Tessiner Weinberg einen modernen, einfachen Holzkubus gebaut. Das Haus bietet den Bewohnern die Zurückgezogenheit, Ruhe und den kreativen Raum, den sie suchen. Dabei integriert es sich harmonisch in seine ländliche Umgebung.
„Dieses Haus hat absolut keinen Repräsentationsanspruch“, sagt der Tessiner Architekt Daniele Claudio Taddei. „Es ist ein Ruheort, an dem man ausspannen und einfach sein kann.“ Das Holzhaus – Casa Larga genannt –, das der in Zürich lebende Architekt zusammen mit seinen zwei Freunden Daniel B. Milnor und Stefan Lüttecke als zweites Zuhause gebaut hat, steht hoch über dem Lago Maggiore, kurz vor der Grenze zu Italien. Das Grundstück liegt am Rand des mittelalterlichen Dorfes Incella in einem Weinberg, der vor rund 200 Jahren terrassiert worden war. Eine wichtige Bedingung für den Bau der „Kreativscheune“, wie die Bewohner sie nennen, war, dass sich die Kosten auf ein Minimum beschränken würden. Dies kam der Vorstellung der drei Zürcher entgegen, ein einfaches Haus zu bekommen – ohne Schnickschnack, dafür mit schlichten weiten Räumen, in denen sich Ruhe einstellen und Kreativität entfalten kann.
Prefab Holzhaus
Daniele Taddei hat in Stuttgart Architektur studiert und sein eigenes Büro in Zürich im Jahr 2000 gegründet. Bei seinem Tessiner Projekt hatte die Tatsache, dass das Grundstück durch keine Straße erschlossen wird, starken Einfluss auf die Wahl des Gebäudetyps und der Materialien. Schnell war dem Architekten klar, dass die beste Lösung ein Bau aus vorfabrizierten Holzelementen sein würde. „Holz ist eines der leichtesten Baumaterialien“, erklärt er. „Und obschon die traditionellen Häuser der Region aus Stein gebaut sind, ist Holz keineswegs fremd in der Gegend und findet sich in zahlreichen Landwirtschaftsgebäuden wieder.“ Außerdem orientierte er sich bei seinem Neubau an den Volumen lokaler Bauten und interpretierte diese neu.
Mit dem Helikopter errichtet
Das von Daniele Taddei entworfene Haus besteht aus 90 Elementen. Die Einzelteile wurden in der Zentralschweiz vorfabriziert und auf Lastwagen über die Alpen transportiert. Da der Baugrund keine Zufahrt hat, musste das letzte Stück des Weges per Luft bewältigt werden. Ein Helikopter hievte die Bauteile auf das Betonfundament. Innerhalb von drei Tagen wurden die Paneele, welche bereits Fenster und Installationen enthielten, zu einem imposanten Gebäude gefügt, das in dem steilen Rebhang über dem See noch größer erscheint.
Und in der Ferne Italien
Die Casa Larga ist ein dreistöckiger Kubus mit großen Fenstern auf allen Seiten. „Das Prinzip Offenheit bestimmte auch die Aufteilung des Raumes“, erklärt der Architekt. „Auf der obersten Etage geht die offene Küche in einen geräumigen Wohnbereich mit einer nach Süden orientierten Loggia über. Dieser Raum ist der zentrale Treffpunkt des Hauses, wo sich das soziale Leben abspielt.“ Auf den unteren Etagen befinden sich drei Schlafzimmer sowie ein luftiges Atelier mit doppelter Raumhöhe. Hier dient eine Galerie als zusätzliches Gästezimmer. Ein helles Treppenhaus verbindet die Etagen mit einer leichten Holzkonstruktion. „Das Gebäude ist vom Untergeschoss her erschlossen“, erläutert Daniele Taddei, „und strebt über vier Stockwerke turmartig nach oben. Auf horizontale Korridore habe ich komplett verzichtet.“ Vor dem Haus befindet sich ein kleiner Garten, und dahinter beginnt der – in seiner originalen Terrassierung belassene – Rebberg. Die Sicht reicht von der Magadinoebene im Norden über die Gambarogno-Kette am anderen Seeufer bis weit nach Italien im Süden.
In Ehren ergrauen
„Das Haus ist zwar nicht konstant bewohnt, aber wir benutzen es zu jeder Jahreszeit“, sagt Daniele Taddei. „Deswegen spielte die Baubiologie eine sehr wichtige Rolle. Unser Ziel war, ein angenehmes Raumklima für alle Jahreszeiten zu schaffen.“ Dies erreichte der Architekt mit einer dampfdurchlässigen Wandkonstruktion aus natürlichen Materialien. Die mit Zellulose gefüllten, sandwichartigen Wände können atmen. Zudem garantieren sie eine sehr gute Energieeffizienz, da sich die Räume im Winter sehr schnell aufheizen lassen. Natürliche Materialien kamen auch bei sämtlichen Oberflächen zum Einsatz: Die Böden sind schlichte Tannendielen, während die verputzten Wände mit einer auf Wasser basierenden Farbe weiß gestrichen wurden. Der Außenmantel aus unbehandelten Lärchenbrettern schließlich verwittert auf natürliche Weise, verfärbt sich mit der Zeit silbergrau und wird sich so immer besser in die ursprüngliche Tessiner Landschaft fügen.
FOTOGRAFIE Bruno Helbling
Bruno Helbling