Pariser Hüttenzauber
Familien-Triplex von Bertina Minel Architecture
Im 17. Arrondissement von Paris verwandelte Stéphanie Bertina Minel ein verbautes Triplex-Gebäude in ein zeitgenössisches Familiennest, indem sie architektonischen Pragmatismus und die persönliche Note ihrer Auftraggeber*innen in einen direkten Dialog setzte.
Die Pariser Stadtvilla, auf deren drei obersten Etagen ein neues Zuhause für eine Familie entstand, blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Seit ihrem Bau im 19. Jahrhundert diente sie als Wohnraum für das Großbürgertum, bevor sie in den Achtzigerjahren in Büroräume umfunktioniert und zur Jahrtausendwende schließlich wieder in Apartments umgebaut wurde. Nach einem erneuten Besitzerwechsel der obersten Wohnung brauchten die insgesamt 235 Quadratmeter nicht nur eine gründliche Generalüberholung, sondern mussten vor allem nach den räumlichen Vorstellungen ihrer neuen Bewohner*innen umgestaltet werden. Denn diese bevorzugten große und helle Zimmer, während die Vorbesitzer sich für zahlreiche kleine Raumeinheiten entschieden hatten, um allen Mitgliedern ihrer siebenköpfigen Familie genügend Privatsphäre bieten zu können.
Architektonischer Pragmatismus
Um den Wohnwünschen der Eltern von zwei kleinen Kindern nachzukommen, entfernte die Architektin Stéphanie Bertina Minel zunächst alle Trennwände und teilte die Wohnfläche neu auf. Dabei legte sie schnell fest, dass zur optimalen Nutzung jede der drei Etagen – wie in einem klassisch aufgeteilten Wohnhaus – eine bestimmte Funktion haben sollte. Dementsprechend richtete sie die unterste Etage als Wohn- und Essbereich ein, auf der mittleren Etage plante sie die Schlafzimmer der Familie und auf dem umgebauten Dachboden die Büro- und Freizeiträume. Größe und Helligkeit erzeugte sie dabei nicht nur durch die reduzierten und teilweise gläsernen Raumteiler, sondern auch durch eine Art offenen Schacht, den die Französin zwischen die erste und zweite Etage baute und auf einer Seite mit einer durchgängigen Fensterfront begrenzte.
Ordnung nach Maß
Neben dem Wunsch nach mehr Raum und Licht gab es noch ein weiteres Kriterium, das dem jungen Elternpaar wichtig war: Ihr neues Familiennest sollte genügend geschlossenen Stauraum bieten, um der Wohnung einen aufgeräumten Charakter zu verleihen. Vor allem alltägliche Funktionsgegenstände wie Geschirr und Küchenmaschinen sollten bei Nichtbenutzung aus dem Blickfeld verschwinden. Die Lösung fand Stéphanie Bertina Minel im Wohnbereich durch die Anfertigung einer speziellen Küchenzeile mit zahlreichen versteckten Schränken und Nischen. Im Treppenhaus funktionierte sie einen zugänglichen Treppenabsatz in einen separaten Abstellraum für die Fahrräder der Familie um. Sogar für die vielen Bücher der Auftraggeber schuf die Architektin einen ästhetischen Aufbewahrungsort, indem sie eine Bibliothek mit Regalen in unterschiedlicher Größe und Höhe anfertigen ließ.
Dynamisches Blau, erdiger Rückzugsort
Aber auch bei der Gestaltung des Interiors hatten die Auftraggeber*innen eine konkrete Vorstellung, die aus der Besichtigung einer anderen Immobilie rührte: Während das Objekt im Ganzen nicht ihren Anforderungen entsprach, begeisterte sie der in Blautönen gehaltene Wohnbereich, den sie unbedingt in ihren neuen vier Wänden haben wollten. Auch die neunjährige Tochter entschied sich für die Farbe Blau, als es um die Gestaltung ihres eigenen Zimmers ging. Im Badezimmer der Elternsuite setzte Stéphanie Bertina Minel dagegen auf eine Farbpalette aus Terrakottatönen, um ein „völlig anderes Universum zu schaffen, das Wärme und Rückzug suggeriert.“
Hölzerne Kontraste
Bei der Materialauswahl im Wohnbereich orientierte sie sich dann aber erneut an den persönlichen Vorlieben ihrer Auftraggeber*innen, die ihre Ferien am liebsten in einer traditionellen Berghütte verbringen. So entstand die Idee, ihre Pariser Wohnung wie ein zeitgenössisches Chalet mit zahlreichen Holzelementen zu gestalten. Dabei fiel die Wahl auf helles Eichenholz, das besonders auf der untersten Wohnetage einen harmonischen Kontrast zu den omnipräsenten, dynamischen Blautönen bietet. Weitere Kontraste entstanden zudem durch das Beibehalten ursprünglicher Elemente wie den freigelegten Backsteinwänden oder gusseisernen Heizkörpern. „Bei diesen Stilelementen ging es aber nicht nur um Ästhetik und den Gedanken des Upcyclings, sondern auch um die Möglichkeit, einen Teil der vorherigen Identität der Wohnung zu bewahren“, stellt die Architektin klar.
Gutes Timing
Besonders freute sich Stéphanie Bertina Minel jedoch über eine Aussage des Familienvaters bei ihrem ersten Besuch nach dem Umzug: „Trotz der weitläufigen Wohnfläche auf drei Etagen haben wir immer das Gefühl, ganz nah beieinander zu sein, ohne aufeinander zu hocken“, gibt sie seine Worte wieder. Großes Glück hatte die Familie aber auch, dass der Umzug in ihr neues Zuhause genau zwei Tage vor dem ersten, harten Lockdown in Frankreich stattfinden konnte.
FOTOGRAFIE Bertina Minel Architecture / Agathe Tissier
Bertina Minel Architecture / Agathe Tissier