Progressive Hausbesetzung
Minimaltransformation einer Athener Bauruine von DeMachinas

Lange lag das Betongerippe in Athen im Dornröschenschlaf, bis die Architektinnen von DeMachinas den grauen Riesen wach küssten. Sie übernahmen das Verfallene des Rohbaus und ergänzten ihn mit drei markanten Einbauten.
Halb fertige Wohnhäuser sind ein ganz typischer Anblick in Griechenlands Baulandschaft. Zu tun hat das mit Finanz- oder Privatkrisen, mit grundsteuerlichen Vorteilen für Unbewohnbares und auch mit der griechischen Gepflogenheit, Gebäude immer erst dann weiter zu bauen, wenn wieder Geld da ist. Nicht selten stehen die Skelette wie eingefroren Jahrzehnte lang in unfertigem Zustand auf ihren Grundstücken. Und nur manches Mal finden sich investitionswillige Neueigentümer*innen, die bereit sind, die Vision der Vorbesitzer*innen zu Ende zu bauen. Einen anderen Weg ging das junge Architektinnen-Duo Elina Loukou und Sabrina Summer von DeMachinas in Athen. Sie überführten ein seit drei Jahrzehnten leer stehendes Betongerippe in einen wohnlichen Zustand – der nun allerdings eine alternative ästhetische Idee verfolgt als die ursprünglich beabsichtigte.
Patina als Stilmittel
Das Haus steht im Viertel Papagos im östlichen Teil der griechischen Hauptstadt Athen. Von außen wirkt es heute wie eine ruhende Ruine – nur wer genauer hinschaut, wird in der ersten Etage ein paar Farbtupfer wie die karminrote Brüstung oder waldgrüne Fensterrahmen entdecken. Zum Zeitpunkt seiner Planung waren in dem massiven, frei stehenden Block drei unabhängige Einheiten vorgesehen: der Pilotis, ein offener Gemeinschaftsbereich im Erdgeschoss, sowie zwei Apartments darüber. Außer dem Kernbau wurde allerdings nichts realisiert. Nach einem langen Dornröschenschlaf erwarb eine Familie die erste Etage – und entschied sich, den Bestand als vorbereitete Leinwand zu betrachten, die Einfluss auf den Stil des Endwerks nimmt. „Gemeinsam mit den Bauherren haben wir mit einer Ästhetik experimentiert, die voll und ganz auf die vorhandenen Qualitäten des Orts zugeschnitten ist“, erklären Elina Loukou und Sabrina Summer. Das unterste Geschoss bleibt offen. Eigentlich hätten dort Parkplätze installiert werden sollen. Als freie Fläche ohne Programm übernimmt der Raum die Aufgabe eines brutalistischen Vorgartens, einer Eventfläche für Feste oder eines wettergeschützten Outdoor-Spielplatzes.
Marmorrecycling im Terrazzo
Einen so flexiblen und offenen Eindruck wie das Freiluftgeschoss sollte auch das Layout des Wohngeschosses machen. Deshalb blieb der nackte Kern des Gebäudes mit seinen Sichtbetonwänden, Waffeldecken und großen Fensteröffnungen erhalten. Der vorhandene Marmorfußboden wurde entfernt, zerkleinert und als Zuschlag für den Terrazzoboden wiederverwendet. Dabei überlegten Eigentümer*innen und Architektinnen sich eine poetische Hommage an den Umbauprozess. Sie zerschmetterten die zuvor geborgenen Steinplatten auf dem Boden des Apartments, ließen die Fragmente an Ort und Stelle liegen und gossen diesen eingefrorenen Moment ein. Für den neuen Grundriss wurde die Fläche in einen privaten Bereich mit drei Schlafzimmern, Bad und einem Arbeitsstudio sowie die offene Wohnzone unterteilt. Im rohen Bestand ließen die Planerinnen dann drei Einbauten als multifunktionale Interventionen landen – und benannten das Projekt Three Object Apartment nach ihnen.
Archäologische Architektur
Das formal und farblich prominenteste Objekt ist eine runde Kücheninsel, die auf der einen Seite als Esstisch für bis zu acht Personen dient und gegenüber Spüle, Kochplatten sowie Stauraum bereithält. Da sie komplett mit Fliesen verkleidet ist, wirkt sie wie aus einem Guss. Ihre leuchtende Terrakottafarbe macht sie vor den betongrauen Decken und weißen Wänden zur Hauptdarstellerin des großzügigen Gemeinschaftsbereichs. Von dort geht es durch ein hölzernes Drehkreuz in die private Wohnzone. Zwei große Paneele und zwei Türen lassen sich in verschiedenen Konfigurationen platzieren und steuern dynamisch die Durchlässigkeit von abgeschottet bis offen. Drittes Element ist ein Stauraumblock, der die Küchenvorratskammer, die Garderobe, Schränke und technische Versorgungseinrichtungen beherbergt. „Das Projekt ist eine Studie über unvollendete Architektur“, fassen Elina Loukou und Sabrina Summer zusammen. „Während der Bauphase haben wir die verborgenen Schichten wie in einem archäologischen Prozess freigelegt und gefeiert.“
FOTOGRAFIE Vassilis Makris Vassilis Makris
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