Scharfer Keil
Eine in den Fels geschlagene Villa von Mold Architects

Unterirdischer Bau mit überirdischen Qualitäten: Auf der griechischen Insel Serifos haben Mold Architects eine Villa ins Erdreich verlegt. Auf drei Höhenebenen öffnet sich das Haus zum Meer – und bedient sich dabei einer prägnanten Silhouette aus dem Reich der Supersportwagen.
In den späten Sechzigerjahren hat die Keilform neue Dynamik in den Fahrzeugbau gebracht. Vor allem die von Bertone gestaltete Sportwagenstudie Alfa Romeo Carabo sowie der von Giorgio Giugiaro entworfene Bizzarrini Manta (beide im Oktober 1968 vorgestellt) haben die neue Formensprache auf den Punkt gebracht. Auch wenn deren Eleganz im klobigen SUV-Zeitalter unwiderruflich verloren scheint: Die spitze Keilform hat auf der griechischen Insel Serifos eine Wiedergeburt erlebt – nicht als PS-starker Flitzer, sondern als eine außergewöhnliche Villa, entworfen von Iliana Kerestetzi und ihrem 2011 in Athen gegründeten Büro Mold Architects.
Auf Tauchstation im Hang
Anstatt ein sperriges Gebäudevolumen in die Landschaft zu platzieren, verfolgte die Architektin die umgekehrte Strategie: Sie grub die Villa in den felsigen Untergrund ein, sodass die ursprüngliche Topografie ebenso erhalten blieb wie der freie Blick aufs Meer. Das Gebäude folgt dem steilen Gefälle des Grundstücks – nicht in Form einer sanften Kurve, sondern mit geradlinig hinabführenden Mauern. Diese wurden aus denselben Steinen errichtet, die beim Aushub direkt vor Ort gewonnen wurden. Die keilförmige Silhouette des Gebäudes lässt tatsächlich an die flach zum Boden laufenden Frontpartien der berühmten Bertone- und Giugiaro-Bolliden denken.
„Es ging um die Notwendigkeit, ein geschütztes Zuhause zu schaffen an einem Ort mit einnehmenden Ausblick, der starken Nordostwinden offen ausgesetzt ist. Daher entschieden wir uns, den Hang aufzubrechen und keine Abfolge von Räumen auf der Geländeoberfläche zu arrangieren“, erklärt Iliana Kerestetzi. Das Haus folgt einem trapezförmigen Grundriss, der mit abnehmenden Höhenmetern an Breite gewinnt. „Wir haben ein rechteckiges Raster angewendet, sozusagen eine Art dreidimensionales Schachbrett aus geschlossenen und leeren Räumen“, sagt die Architektin.
Offene Raumgrenzen
Das Haus ist über drei Höhenebenen organisiert, die stufenartig versetzt sind und sich gegenseitig nur minimal überlagern. Zur Erschließung dient eine Treppe, die außerhalb der Wohnräume teils ebenerdig und teils unterhalb des Grundstücks verläuft. Beim Hinabsteigen der Stufen fällt der Blick aufs Meer. Beim Hinaufsteigen richten sich die Augen zum Himmel. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad öffnen sich mit bodentiefen Fenstern zu vorgelagerten Terrassen. Die Glasfronten können vollständig geöffnet werden, um innen und außen nahtlos ineinander übergehen zu lassen.
Auskragende Lichtblenden warten mit hölzernen Lamellen und metallischen Einfassungen auf. Sie fangen die Sonnenstrahlen ab, bevor sie das Innere des Hauses erreichen und dieses aufheizen. Zudem sind die Blenden stabil genug, um als informelle Sitzgelegenheit zu dienen und die Beine nach unten baumeln zu lassen. Einige Terrassen werden von kleinen Bäumen akzentuiert, die zusätzlichen Schatten spenden und die Verschmelzung von Architektur, Natur und Landschaft weiter konkretisieren. Dem Außenbereich des Wohnzimmers ist ein Pool vorgelagert. Dessen Wasser läuft an der Hangseite über das Betonbecken hinweg und scheint mit dem dahinter sichtbaren Meer zu verschmelzen.
Echo der Natur
Die Terrassen werden seitlich von jenen Steinwänden eingefasst, die aus dem Erdreich emporragen und in ihrer Silhouette dem Gefälle des Grundstücks folgen. Ihre Materialität sorgt für Erdung im Wortsinne. Zudem halten die Mauern die starken Winde fern, ohne den Blick auf die Ägäis zu verstellen. Die Steinwände werden in den Innenräumen weitergeführt. Ihre dreidimensionalen Oberflächenstrukturen setzen einen deutlichen Kontrast zum Sichtbeton der Böden und Decken. Auch die Querwände, die die Natursteinmauern miteinander verbinden und die Höhensprünge des Hauses lesbar machen, sind aus Sichtbeton gearbeitet. Die Holzstrukturen der Schalungsbretter sind gut erkennbar in den Beton eingezogen – als abstrahiertes Echo der Natur.
Licht in der Tiefe
Die Möblierung nimmt sich bewusst zurück. Der kubische Esstisch greift die Dimensionen des freistehenden Küchenblocks auf. Die Betten ruhen auf erhöhten Podesten, während sämtliche Kleidungsstücke, Bücher und Utensilien in Einbauschränken mit gerippten Holzfronten verschwinden. Für einen Überraschungsmoment sorgt das Bad auf der obersten Gebäudeebene, das direkt an die Schlafzimmer anschließt. Die Waschbecken sind in eine mit Naturstein verkleidete Ablage eingelassen, die sich von einer Wand zur anderen spannt und von einem Metallpodest zusätzlich stabilisiert wird.
Dahinter öffnen bodentiefe Schiebefenster den Blick in einen versteckten Garten – womit die räumliche Ordnung auf den Kopf gestellt wird. Dort, wo sich das Gebäude am tiefsten in den felsigen Untergrund bohrt, ist kein dunkler Stollen zu sehen. Der Garten wird von steinernen Mauern eingefasst, die bis hinauf zur Geländeoberfläche führen und so das Tageslicht hinab in die Tiefe holen. Innen und außen werden auf diese Weise zusätzlich verwoben – in einem Haus, das nicht nur Bertone-Sportwagen-Besitzer glücklich stimmen wird, sondern unterirdischem Wohnen zu überirdischen Qualitäten verhilft.
Projekt | NCaved House |
Typologie | Wohnhaus |
Architektur | Mold Architects |
Ort | Serifos, Griechenland |
Entwurf | Iliana Kerestetzi |
Team | Konstantinos Vlachoulis, Mixalis Xirokostas |
Statik | Studio 265 |
Wohnfläche | 360 Quadratmeter |
Grundstück | 6.000 Quadratmeter |
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