Schlummernde Ecken
Eine Sichtbetonvilla in Portugal von Atelier RUA

Schluss mit dunklen Ecken! Das portugiesische Architekturbüro Atelier RUA öffnet das kubische Volumen einer Villa an ihren vier Außenpunkten. Das Betonhaus entstand für ein niederländisches Paar im Ruhestand, das nicht nur Abscheu vor Gardinen empfindet. Es hat auch sichtbare Türen aus dem Innenraum verbannt.
Niemand hat das Anrecht, banale Gebäude zu entwerfen! Diesem Grundsatz kann das Architekturbüro Atelier RUA nur zustimmen, das 2006 von Francisco Garcia De Freitas, Luís Costa Valente und Paulo Vieira Borralho – allesamt Jahrgang 1978 – in Lissabon gegründet wurde. Für eine Ferienvilla im südportugiesischen Aldeia do Meco haben sie ein eingeschossiges Volumen mit quadratischem Grundriss geplant, dessen Seitenlänge genau 21 Metern entspricht. Auch wenn die glatt verputzen Fassaden identisch ausformuliert wurden: Langeweile ist in der Casa Meco wohl kaum zu befürchten.
Inside out
Jede Gebäudeflanke wird durch mittig gesetzte Einschnitte von kubischem Zuschnitt strukturiert. Großzügige Loggien gehen mit bodentiefen Fenstern in den zentral platzierten Wohnraum über und öffnen ihn im Umkehrschluss hinaus zur Natur. Großformatige Dachlamellen versorgen die halboffenen Außenräume mit Schatten, lassen jedoch stets genügend Sonnenlicht passieren, um die Dunkelheit zu vertreiben. In südlicher Richtung befindet sich ein fünfzehn mal fünf Meter großer Swimmingpool. Die nach Osten und Westen ausgerichteten Fassaden erlauben tiefe Einblicke in das 13.850 Quadratmeter große Grundstück. Nach Norden schließen sich Technik- und Waschräume sowie eine Abstellkammer an.
Ecken ohne Ecken
Der Teufel steckt natürlich auch hier im Detail. Konkret geht es um die Ausformulierung der Ecken: Ein architektonisches Element, das nur allzu oft vernachlässigt wird. Doch Atelier RUA hat ein Herz für die Ecke, in diesem Fall sogar gleich für alle vier. Die Außenpunkte des Hauses erfahren eine überraschende, funktionale Aufwertung, indem sie die vier Schlafzimmer aufnehmen. Diese sind wiederum mit dem zentralen Wohnzimmer verbunden – in Form von ausgesparten Ecken, die durch Verkürzungen in den Innenwänden entstehen, welche von den Fassaden ausgehend in Richtung Wohnzimmer führen.
Türenlose Räume
Die Schlafzimmer sind als kleine Apartments ausgeführt, die jeweils über ein eigenes Badezimmer, eine eigene Ankleide, ein Vestibül sowie eine eigene Terrasse verfügen. Der Übergang zu den Außenräumen erfolgt erneut über ausgesparte Ecken: ein einfaches und raffiniertes Prinzip, das weite Sichtachsen in der Diagonalen durch das Gebäude hindurch erzeugt. Wird der Blickpunkt stärker in Richtung der Loggien bewegt, sorgen die offenen Ecken für einen wirkungsvollen Blickschutz für die Schlafräume – selbst dann, wenn die hölzernen Schiebetüren an den Innenwänden der Vestibüle geöffnet bleiben.
Modernistische Vorbilder
Die ausgesparten Gebäudeecken vollziehen einen Brückenschlag zu modernistischen Vorbildern wie den Wohnhäusern von Frank Lloyd Wright – von Fallingwater bis zum Tracy House. Und in noch einem Punkt ist sich Atelier RUA mit dem großen amerikanischen Meister einig: Das Schroffe und Raue braucht stets ein sinnliches Korrektiv. Unter der Sichtbetondecke der Casa Meco hängt keine technische Leuchte, sondern eine längliche Ausführung von Angelo Mangiarottis Muranoglas-Lüster Giogali (Hersteller: Vistosi) aus den Sechzigerjahren.
Hauch von Verspieltheit
Großformatige Teppiche kontrastieren ebenso mit den Betonböden und -wänden wie die warmweißen Vorhänge, die die kreisförmigen Duschen umrunden. In die Seitenwände der Loggien – und damit in die Außenseiten jener Wände der vier Schlafzimmer – sind zwei bogenförmige Nischen eingelassen. Sie nehmen eine Outdoorküche sowie einen Kamin auf und setzen mit ihren Rundformen einen wohltuenden Gegenpol zur orthogonalen Ordnung des Hauses. Auch die offenen Ecken bringen eine Hauch von Verspieltheit ein, indem sie mit wechselndem Standpunkt immer wieder Blickbeziehungen zwischen den Räumen öffnen und schließen – und somit zum Erkunden der Architektur animieren. Banale Gebäude zu entwerfen, käme Atelier RUA wohl kaum in den Sinn.
FOTOGRAFIE Francisco Nogueira
Francisco Nogueira
Projekt | Casa Meco |
Architektur | Atelier RUA |
Ort | Aldeia do Meco, Portugal |
Größe Haus | 441 Quadratmeter |
Größe Grundstück | 13.850 Quadratmeter |
Budget | 500.000 Euro |
Team | Francisco Freitas, Luís Valente, Paulo Borralho, Rui Didier, Ana Tomé, Cristiano Rodrigues, Dora Jerbic |
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