Projekte

Schnitt mit Patina

von Katharina Horstmann, 22.09.2010

 
Das auf Hügeln gebaute Daikanyama zählt zu den angesagtesten Stadtvierteln Tokios. Designerboutiquen und kleine Cafés fügen sich dezent in die gediegene Wohngegend ein und weder Hochhäuser noch Menschenmassen zerstören das Stadtbild, in dem sich avantgardistisches Design und alternative Lebensstile ergänzen. In Daikanyama ist auch der Friseursalon Kilico ansässig, für den Makoto Yamaguchi verantwortlich zeichnet. Für den Salon verzichtete der japanische Architekt bewusst auf Exzentrik und ließ lieber die Vergangenheit des Gebäudes in sein architektonisches Konzept einfließen. Das Resultat: ein zurückhaltender Ort mit angenehmem Flair, in dem die Bausubstanz – und der Kunde – im Mittelpunkt steht.
 
 
Bizarre Typen und schräge Frisuren sind keine Besonderheit in Tokio; die Zahl der Friseursalons wächst ständig und damit auch die Konkurrenz. So versuchen die Betreiber nicht nur durch ihr Handwerk zu beeindrucken, sondern auch durch ein besonderes Ambiente, insbesondere, wenn dies in einer hektischen und schnelllebigen Stadt wie Tokio zum Wohlbefinden des Kunden beitragen kann. Der Besitzer des Kilico ging zusammen mit dem Architekten Makoto Yamaguchi den unüblichen Weg, auf eine extravagante Inneneinrichtung zu verzichten und wählte für den Salon einen ungewöhnlichen, etwas versteckten Ort im Untergeschoss eines in die Jahre gekommenen Gewerbebaus aus den 1980er Jahren, in dem großzügige Dachfenster für natürliches Licht sorgen.
 
Strukturelle Zeitspuren                           
 
„Als wir uns das den Ort das erste Mal angesehen haben, war er in einem sehr heruntergekommenen Zustand. Auch wenn sich der Grundriss nie verändert hat, gab es viele Spuren von den vorherigen Bewohnern an Wänden und Böden – eine flache Mörtelwand neben einer unfertigen Wand aus Zementblöcken und eine Unmenge an Abdrücken und Furchen in unterschiedlichen Größen im groben Zementboden“, erklärt der Architekt. „Wir entschieden, diese strukturellen Details so zu belassen und sie in den Entwurf für den neuen Salon einzubinden.“
 
Gestalterisches Konglomerat
 
Betritt man heute den 125 Quadratmeter großen Friseursalon, öffnet sich ein heller Raum, der ein Konglomerat von aktuellen als auch früheren Veränderungen zur Schau stellt. Die Wände wurden weiß gestrichen, der Boden ausgebessert und die offenen Lüftungsrohre an der Decke beibehalten, sodass ihre Geschichte sichtbar bleibt. Auch Möblierung und Beleuchtung sind dezent zurückhaltend ausgewählt: Links vom Eingang steht ein länglicher Empfangstresen, ihm gegenüber befinden sich drei weiße Sessel sowie quadratische Spiegel mit weißer Rahmung an der Wand. Weiter geradeaus ist der Wartebereich, der einen großen, länglichen Glastisch mit robustem Holzgestell und vier weißen Stühlen umfasst. Über dem Tisch hängt ein antiker Kronleuchter – wohl die einzige Dekadenz im ansonsten so dezenten Salon. Daneben verläuft ein großzügiger Flur mit einem weiteren Tisch, auf dem Zeitschriften und Bücher für die Kunden ausliegen, um sich die Zeit zwischen Pflegepackung und Färbung, Dauerwelle und Schnitt zu vertreiben. Im hinteren Teil des Salons befinden sich fünf weitere, bequeme Sessel für Haarschnitt und Styling sowie der Waschbereich. Letzterer ist um eine Stufe erhöht und kann dank weißer, transluzenter Vorhänge vom restlichen Raum separiert werden.
 
Pacht auf Lebenszeit
 
So bilden im Kilico weniger Möbel oder strukturelle Veränderungen das gestalterische Fundament, sondern die an den Wänden horizontal abgestuften, erhaltenen Oberflächen sowie die auf dem Boden sichtbare, sogenannte „Zeitkarte“. „Nachdem wir die Vertiefungen am Boden mit Mörtel gefüllt hatten, um ihn zu glätten, entstand ein kartenähnliches Muster, das wir ‚Zeitkarte’ nennen“, erklärt Makoto Yamaguchi. „Das Design von Kilico basiert auf diesen Überbleibseln der vergangenen ‚Zeit’-Spuren von vorherigen Wesensformen des Gebäudes, die eine neue Pacht auf Lebenszeit erhielten.“
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektdesigner

Makoto Yamaguchi Design Inc.

www.ymgci.net

Projekt

Kilico, Tokio

:http://kilico.com

Mehr Projekte

Unikate aus Titan-Stahl

Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus

Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus

Radikales Raffinement

Studio-Apartment von minuit architectes in Paris

Studio-Apartment von minuit architectes in Paris

Schutzraum wird zum Wohnraum

Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese

Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese

Ganzheitliche Genesung

Krankenhausneubau von tsj-architekten in Niedersachsen

Krankenhausneubau von tsj-architekten in Niedersachsen

Maritime Farbwelten

Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Besondere Böden

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Moderne Behaglichkeit

Ausgestaltung einer Villa im Großraum Frankfurt von Andrea Busch Inneneinrichtung

Ausgestaltung einer Villa im Großraum Frankfurt von Andrea Busch Inneneinrichtung

Heilende Räume

Umbau einer Reha-Einrichtung in Polen

Umbau einer Reha-Einrichtung in Polen

Fenster zum Bad

Ein 10.000-Euro-Umbau von TAKK in Barcelona

Ein 10.000-Euro-Umbau von TAKK in Barcelona

Baden in Beton

Ehemaliges Lagerhaus in Athen wird zum Penthouse

Ehemaliges Lagerhaus in Athen wird zum Penthouse

Ausweitung der Komfortzone

Wohnanlage für Studierende in Bielefeld von Stopfel Architekten

Wohnanlage für Studierende in Bielefeld von Stopfel Architekten

Mit Scarpa baden

Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Gestaffeltes Wohnhaus

Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Explosion der Farben

Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Mediterrane Moderne

Zweizimmerwohnung in Barcelona von Szymon Keller

Zweizimmerwohnung in Barcelona von Szymon Keller

Durchbruch zur Natur

Hotel Sou von Suppose Design Office auf der japanischen Insel Fukue

Hotel Sou von Suppose Design Office auf der japanischen Insel Fukue

Reflektierte Flusslandschaft

Neugestaltung der Sanitärräume auf der Münchner Praterinsel

Neugestaltung der Sanitärräume auf der Münchner Praterinsel

Buntes Versteck

Ein Hausumbau von i29 in Amsterdam

Ein Hausumbau von i29 in Amsterdam

Schwereloses Schwimmbecken

HAL Architects bringen einen Londoner Pool zum Schweben

HAL Architects bringen einen Londoner Pool zum Schweben

Palais Oppenheim in Köln

Moderner Villenumbau von Renner Hainke Wirth Zirn Architekten

Moderner Villenumbau von Renner Hainke Wirth Zirn Architekten

Rein in Stein

Die schönsten Natursteinbäder

Die schönsten Natursteinbäder

Showroom-Szenarien

Der neue Laufen Space in Berlin von Konstantin Grcic

Der neue Laufen Space in Berlin von Konstantin Grcic

Patina mit Twist

Luxussanierung einer Jugendstilvilla von Jan Leithäuser in Frankfurt

Luxussanierung einer Jugendstilvilla von Jan Leithäuser in Frankfurt

Tempel der Elemente

Jodschwefelbad von Matteo Thun in Bad Wiessee

Jodschwefelbad von Matteo Thun in Bad Wiessee

Galant in Bogenhausen

Ein zeitreisender Villenumbau von Arnold / Werner Architekten

Ein zeitreisender Villenumbau von Arnold / Werner Architekten

Bäder im Charme der Siebziger

Mit Bette auf Zeitreise im Standard Hotel London

Mit Bette auf Zeitreise im Standard Hotel London

Vom Unort zum Ort

Wie öffentliche Toiletten mit neuen Qualitäten punkten

Wie öffentliche Toiletten mit neuen Qualitäten punkten

Kuratiertes Interior

Erstes Stilwerk-Hotel in Hamburg

Erstes Stilwerk-Hotel in Hamburg

Gebrochene Schönheit

Beauty-Salon von balbek bureau in Kiew

Beauty-Salon von balbek bureau in Kiew

Bad mit Autobahncharme

Minimalistischer Umbau eines Apartments von DIALECT in Antwerpen

Minimalistischer Umbau eines Apartments von DIALECT in Antwerpen