Projekte

Schwarzweiße Wunderkammer

von Katharina Horstmann, 07.09.2011


Martin Margiela machte in der Mode aus Hosen Röcke und aus Handschuhen Oberteile. Im Design verwandelte er Tapeten zu Kaminen, Flaschen zu Leuchten und Wachs zu Kerzenständern. Und auch nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen vor zwei Jahren führt das Maison Martin Margiela den dekonstruktivistischen Gestaltungsansatz des Gründers fort, wie sein jüngstes Pariser Interiorprojekt, das Maison Champs-Élysées, zeigt. Das Viersternehotel nahe dem Grand Palais überrascht mit illusionistisch anmutenden Zimmern, in denen Bäder zwischen Sein und Schein zu entdecken sind.
 
 
Das Gebäude im Napoléon-III-Stil wurde 1866 für die Herzogin von Rivoli, Anna Masséna, erbaut. 1919 erstand die Maison des Centraux, eine Alumnivereinigung der Pariser Ingenieurshochschule École Centrale des Arts et Manufactures, die viele bekannte Namen der französischen Industrie hervorgebracht hat. 1989 wurde das Anwesen durch einen zweiten Gebäudeteil erweitert, der ein Hotel mit 40 Zimmern beherbergte und nun von einem Freund der Besitzer aufpoliert wurde. Für die Umgestaltung des originalen Stadtpalais’ wiederum war das Interiorteam von Maison Martin Margiela verantwortlich, das es in 17 Zimmer und Suiten, Bar, Rauchsalon, Restaurant und Rezeption umwandelte.
 
Vergänglichkeit und Metamorphosen
 
Bei der Gestaltung des Maison Champs-Élysées achteten die Designer einerseits auf die Erhaltung der originalen Bauteile: Auf dem Geländer der großen Steintreppe in der Eingangshalle die mächtige Skulptur eines Kaisers beispielsweise an die Kaiserzeit und das Wappen der Massénas mit dem Wahlspruch „Fortis et Fidelis“ an die ersten Besitzer. Andererseits werden viele Themen aufgegriffen, die den Stil von Maison Martin Margiela prägen. Ein Beispiel ist das Konzept der Vergänglichkeit, ein anderes die Wiederverwendung traditioneller Elemente außerhalb ihres Kontexts. So glänzen im Kalksteinboden des Foyers die vertrauten Cabochon-Muster aus schwarzem Marmor nicht rhythmisch, sondern wirken wie willkürlich verstreut. In der angrenzenden, weißen Lounge sind hellere Rechtecke an den Wänden zu sehen, als ob dort einst Bilder gehangen hätten – ein Trugschluss, wurden sie doch neu angebracht. Im Restaurant des Maison Champs-Élysées  scheinen Stühle wie Tische dagegen zu schweben. Ihre Beine „enden“ in der Luft, da dezente Metallstäbe das Gewicht tragen.
 
Optische Täuschungen
 
In den oberen Etagen gibt es Korridore, in die mittels Projektoren „Sonnenstrahlen“ aus nicht existenten Tür- und Fensteröffnungen auf den Boden geworfen werden. Wollteppiche auf dem Betonboden imitieren Dielen; Flure mit silber glänzenden Wänden, Böden und Decken scheinen den Körper in Schwerelosigkeit zu versetzen.
 
Auch in den Zimmern und Suiten, die zwischen 24 und 57 Quadratmeter groß sind, sind Trompe-l'oeil-Effekte und optische Täuschungen reichlich zu finden. Das Prachtstück ist hier die Suite Salon doré im typischen Maison Martin Margiela-Stil. Sie besteht aus illusionistisch anmutenden Räumen, in denen die Farben Weiß, Schwarz und Grau dominieren und in denen mittels geschickt perspektivischer Darstellung eine nicht vorhandende Räumlichkeit vorgetäuscht wird. Die Wände sind mit einer Tapete verkleidet, die eine Abbildung eines Schwarz-Weiß-Fotos des Salon doré des Hauses aufgreift, die auf den Vorhängen fortgeführt wird. Die Möblierung besteht dagegen vorwiegend aus Klassikern wie Bugholz-Stühlen von Thonet oder Entwürfen des Designteams von Maison Martin Margiela.
 
Schein und Sein
 
Auch im WC wird das Konzept der perspektivischen Darstellung aufgegriffen: Es scheint sich in einer Bibliothek zu befinden, doch diese ist bloß aufgeklebt: Sie besteht aus Hunderten abgeschnittener Zeitschriftenrücken. Das Badezimmer hingegen  ist nicht so leicht zu finden, versteckt es sich doch hinter der tapezierten Wand, hinter man höchstens einen Kleiderschrank vermuten würde. Doch da hört es auch schon auf mit dem Schein und Sein, denn der Innenraum ist ganz schlicht gehalten. Umgeben von hellen Natursteinen an Wänden und Böden stehen ein langer Waschtisch sowie eine großzügige Badewanne in einer geradlinigen Formensprache.
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Links

Maison Martin Margiela

www.maisonmartinmargiela.com

Maison Champs-Élysées

www.lamaisonchampselysees.com

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