Skandinavissimo
Wochenendhaus mit Ausblick und Anspruch von Tham & Videgård auf der Stockholmer Schäreninsel Husarö.
Wie das Leben in der Sommerfrische sein sollte? Schön unkompliziert natürlich! Martin Videgård vom Architekturbüro Tham & Videgård hat sich auf der Stockholmer Schäreninsel Husarö das passende Ferienhaus zu diesem Lebensgefühl gebaut. Außen ganz in Schwarz mit prägnantem Dach, innen große Öffnungen und viel helles Holz. Eine Architektur wie Urlaub in Skandinavien.
Das Grundstück auf Husarö befindet sich in einer dieser typisch-skandinavischen Ferienhaussiedlungen, in reizvoller Lage auf einer Lichtung im Kiefernwald, leicht erhöht auf einem Felsplateau und nicht weit vom Meer entfernt. Es war schon seit längerem im Besitz der Familie von Martin Videgård, bebaut mit einigen kleinen Häuschen wie Boots- und Gästehaus. Doch mit dem Anwachsen der Familie um eine neue Generation stieg zugleich der Platzbedarf – das Budget sollte aber nicht zu sehr strapaziert werden. Moderate 265.000 Euro hat der Neubau in Holzständerbauweise schließlich gekostet. Dafür bietet er auf einer quadratischen Grundfläche von 121 Quadratmetern insgesamt 180 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf Erd- und Dachgeschoss – mit Platz für zwei Erwachsene und drei Kinder.
Ausgeruhter Baukörper
Nun bauen die Skandinavier ohnehin meistens die besseren Ferienhäuser – das mag daran liegen, dass die (Holz)Hütte am Meer oder im Wald schon lange Teil ihrer Kultur ist. Doch mit dem Projekt auf Husarö haben Tham & Videgård die Aufgabe noch mal auf ein ganz anderes Qualitätsniveau gehoben. Ihr Entwurf orientiert sich mit seinem Satteldach und der vertikal gegliederten Fassade zwar offensichtlich an den traditionellen Vorbildern. Doch die abstrahierte Gebäudeform, die All-Over-Fassadenverkleidung aus schwarzem Blech, der gekappte First und die drei geschosshohen Glasschiebefenster signalisieren: Hier ging es um eine eigenständige Lösung mit Anspruch. Bemerkenswert sind die klug organisierten Grundrisse und die harmonischen Proportionen des Baukörpers. Er scheint regelrecht auf dem Felsplateau zu ruhen – vor allem die Giebelseite zum Meer mit der durchgehenden, die Horizontale betonenden Fensterfront und dem breit lagernden Dach.
So dunkel das Haus außen ist, innen wirkt es licht und hell: In den Wohnräumen sind alle Wände und Decken mit unbehandeltem Holz verkleidet – im Erdgeschoss mit Sperrholz-, im Dachgeschoss mit OSB-Platten. Auf den Böden liegen Weichholzdielen. Die großen Glasflächen machen die Räume hell. Der offene Grundriss im Erdgeschoss schafft zudem zahlreiche Aus- und Durchblicke: In die quadratische Grundfläche haben die Architekten nämlich lediglich eine freistehende Box gestellt, die eine Küchenzeile, Wandschränke, das Bad und die Treppe nach oben aufnimmt. Die Box ist asymmetrisch platziert, so dass sich darum herum engere und weitere Räume ergeben, denen wie selbstverständlich die Funktionen zufallen. Sichtlich aufgewertet wird das Erdgeschoss durch die zwischen die Unterzüge geklemmten Sperrholzplatten: Statt unter einer Flachdecke mit bedrückenden Balken isst und wohnt man hier nobel unter Gewölben.
Schlafen unterm Himmelslicht
Im Dachgeschoss liegen die zwei abgeschlossenen Schlafzimmer, eines für die Eltern, eines für die Kinder, wobei der Raum unter den Schrägen mit Einbauregalen und den Alkovenbetten der Kinder optimal ausgenutzt wird. Die Stimmung dieser Zimmer ist geprägt durch die Verkleidung mit den industriellen OSB-Platten, die rauer, weniger harmonisch-skandinavisch aussehen als das Sperrholz im Erdgeschoss. Auch enthält der Architekt hier sich selbst und seiner Familie die Ausblicke vor: Es gibt pro Schlafraum lediglich ein kleines Fenster in der Giebelwand, das zudem von außen mit perforiertem Stahlblech verkleidet ist. Beinahe zwangsläufig gehen die Blicke die Schrägen entlang nach oben, denn der gekappte First verbirgt ein Oberlicht. Es erstreckt sich über die ganze Länge des Dachs und versorgt die Schlafzimmer mit Licht. So schaffen es Tham & Videgård, dem meist etwas undankbaren Thema Dachgeschoss einen eigenen Charakter abzugewinnen. Hier ruht man abgeschottet von der Welt, und selbst an grauen Regentagen dürfte es hell sein.
Dieses Ferienhaus ist so schön, unkompliziert und natürlich wie ein Urlaub in Skandinavien sein sollte – und zugleich ein Musterbeispiel dafür, wie mit einfachen Mitteln großartige Architektur entstehen kann.
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FOTOGRAFIE Ake E:son Lindman
Ake E:son Lindman
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