Teil der Formation
Surferdomizil in der Ägäis von OOAK

Eine Muschel diente den Planern von OOAK als Vorbild, als sie für ein Pariser Paar ein Ferienhaus auf einer Insel in der Ägäis entwarfen. Das Ergebnis: eine harte Schale mit weich-wohnlichem Kern, bei dem sie trotz exklusiver Küstenlage auf prätentiöse Gestaltungsweisen verzichteten. So entstand ein legerer Mix aus Natur, Tradition und Moderne, alles in den Farben des Sommers. Statt heißer Luft, ein Surferdomizil der besonderen Art – mit viel frischem Wind.
Gerade einmal 6.000 Einwohner zählt die griechische Insel Karpathos in der südlichen Ägäis. Und auch Touristen gibt es wenige. Statt Massentourismus unberührte Natur, karge Felsen, kristallklares Wasser – und vor allem Wind. Den wissen vor allem Wassersportler zu schätzen, denen die Insel zwischen Kreta und Rhodos mit ihren verlässlichen Starkwinden den ganzen Sommer optimale Bedingungen beschert. Ein schwedisch-französisches Paar, das in Paris lebt, fand hier das ideale Refugium zum Surfen und Entspannen.
In Wind und Wellen
Nach langer Suche hätte es ihnen das 4.000 Quadratmeter große Grundstück am Strand von Afiarti sofort angetan, berichten die Architekten von OOAK, deren Portfolio eine besondere geographische Mischung aufweist. Mit Büros in Stockholm und Athen realisieren sie Projekte in verschneiten skandinavischen Wäldern genauso wie an sonnigen mediterranen Stränden. Allen gemein ist eine unprätentiöse, harmonische Handschrift, eine besondere Beziehung zur Umgebung und Respekt vor der Natur.
In der südlichen Ägäis waren es vor allem die starken karpathischen Winde und die schroffen Felswände, die die Form des Gebäudes bestimmen. „Wir fragten uns, wie wir diesen Fremdkörper in die spektakuläre Landschaft einfügen und damit gleichsam ihre Qualitäten betonen könnten“, erklären die Planer Johan Annerhed, Maria Papafigou und Marie Kojzar, die das Umland bewusst nicht nachzuahmen versuchten. Ein eigenständiges Objekt, das symbiotisch mit dem Kontext interagiert war die Antwort: „Wie eine Muschel, die im Laufe der Zeit eins mit einem Felsen und Teil der Formation wird.“
Wellenreiter
Die Architekten stellten das geometrische Gebäude auf ein natürliches Steinplateau und ließen seine insgesamt 200 Quadratmeter große Wohnfläche weit nach vorne auskragen. „Dieser freitragende Effekt hat eine starke Präsenz, die seine Wirkung innen wie außen steigert“, sagen die Verantwortlichen. Tatsächlich gelang es ihnen, den Bau formell von seinem organischen Untergrund abzuheben. Zudem rückten sie ihn näher an die Küste heran. „Im Innenraum entsteht die Illusion, dass das Haus über dem Meer schwebt, während draußen der Kontrast zwischen dem Menschengemachten und dem Natürlichen noch verstärkt wird.“
Dazwischen, auf dem zweiten Plateau des Areals, wurde eine Terrasse platziert, die aber nicht der einzige Außenbereich des Hauses bleiben sollte. Auch innerhalb der Struktur spielten die Architekten mit Hohlräumen und Öffnungen. So orientieren sich die Räume um einen bepflanzten Innenhof herum und der Wohnbereich geht über in eine übereck angelegte Terrasse, die einen Essplatz im Freien beherbergt. Außerdem sahen die Planer zahlreiche kleine Fensterausbuchtungen vor. Sie ermöglichen Querlüftung, dienen als Gucklöcher auf die dramatische Umgebung und lassen die massive Betonfassade leichter erscheinen.
Folkloristische Farbe
„Der Außenseite aus Sichtbeton steht ein sanfter und leichter Innenraum gegenüber“, erklärt das Büro. Er lehnt sich deutlich an traditionelle karpathische Innenräume an, die von Holz und kräftigen Farben geprägt sind. Außerdem wurden Farbtöne gewählt, die die umgebende Landschaft am besten zur Geltung bringen und ein sommerlichen Gefühl hervorrufen sollen. Das Bad tauchten Annerhed, Papafigou und Kojzar in ein warmes Rostrot, den Flur in Himmelblau und die Küche in ein frisches Grün – fein ausgewählte Nuancen, die in sämtlichen Einrichtungsgegenständen und Details immer wiederkehren.
Beim Mobiliar hingegen wird es skandinavisch. Hier findet man viel Holz, Geradlinigkeit und Mid-Century-Anklänge. So entsteht eine Mischung aus einheimisch-griechischer Folklore und schwedischer Einfachheit, die auf der ägäischen Insel vielleicht einmalig ist. Doch sie funktioniert. Und sorgt dafür, dass das Konzept der Muschel auch im Inneren aufgeht: ein natürliches, entspanntes Retreat, das die Natur in sanften Farben reflektiert und eins mit ihr wird.
FOTOGRAFIE Yorgos Kordakis
Yorgos Kordakis
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