Vergangenheit und Zukunft
Verwandlung einer Münchner Gründerzeitwohnung mit 90er-Jahre-Charme in ein modernes Vater-Sohn-Domizil.

Neue Lebensmodelle erfordern neue Wohnformen. Nur traditionelle Grundrisse spielen da oft nicht mit. Ein Teilzeit-Vater wandte sich deshalb an die Leipziger Architekten Kai Irlenbusch und Justus von Hantelmann. Sein Auftrag: die Verwandlung einer Zweizimmer-Gründerzeitwohnung mit 90er-Jahre-Charme in eine adäquate Vater-Sohn-WG.
„Wenn Vater und Sohn zeitweise zusammen leben, gibt es einen regen Wechsel zwischen dem Wunsch nach einer offenen, großzügigen Wohnung und dem Bedürfnis nach individuellem Rückzug“, so die Architekten. „Die vorhandene Gründerzeitwohnung, ausgelegt für einen Single- oder Pärchenhaushalt, konnte dies nicht erfüllen.“
Back to the nineties
Gelinde gesagt, bot das achtzig Quadratmeter große Apartment vor dem Umbau einen traurigen Anblick. Von Gründerzeitelementen weit und breit keine Spur, stattdessen: Laminat in heller Buchenoptik (der Bodenbelag der Neunziger), graumelierte Fliesen sowie eine sichtbar günstige Einbauküche. Hinzu kam der für einen Vater und Sohn im Grundschulalter wenig zweckmäßige Schnitt mit ebenso überdimensioniertem wie dunklem Flur, inkonsequent halboffenem Wohn-Kochbereich und dem für Altbauten typischen Schlauchbad. „Damals wurde mehr Wert auf ein großes Bad mit Eckbadewanne gelegt als auf hochwertige Materialien“, beschreibt Justus von Hantelmann die Situation.
Alles auf Anfang
Erster Schritt der Umstrukturierung war die deutliche Verkleinerung des Eingangsflurs sowie die Entfernung des bestehenden Badezimmers. Dessen Fläche wurde in den neuen Wohn-Essbereich integriert, während Teile des ehemaligen Korridors nun Platz für eine offene Küche bieten. Dank der gewonnen Quadratmeter konnten die Architekten dann ein zweites Schlafzimmer entwerfen und den ehemaligen Schlafbereich in ein separates Kinderzimmer mit angrenzender Duschbox verwandeln. „Die neue Aufteilung in einzelne Kammern, die durch markante Türen vielfältig miteinander verbunden sind, schafft eine Kombination aus Gemeinschaft und Privatheit. Die Räume können flexibel genutzt werden, und es entstehen in der überschaubar großen Wohnung immer wieder neue Sichtverbindungen“, erklären sie.
Hölzerner Dreiklang
Ästhetisch auffälligstes Merkmal des Umbaus ist der großzügige Einsatz verschiedener Hölzer. So wurden Türrahmen und Schwellen aus dunkler Eiche gefertigt, während die Bodendielen aus zurückhaltend hellem Lärchenholz bestehen. Einen schönen Kontrast dazu bilden die modernen Regale und Einbauten aus auffällig gemaserter Seekiefer – die selbst beim Bau des neuen Badezimmers mit bodengleicher Dusche verwendet wurde. Trotz des reduziert modernen Interieurs entsteht so eine behagliche, leicht alpin anmutende Atmosphäre.
Kai Irlenbusch und Justus von Hantelmann scheinen hier alles richtig gemacht zu haben: Die Wohnung wirkt nach ihrem Umbau nicht nur wesentlich geräumiger und ansprechender, Vater und Sohn werden sich auch mit Sicherheit nicht in die Quere kommen. Optimale Voraussetzungen für eine konfliktarme Familien-WG also.
FOTOGRAFIE Johannes Ernst
Johannes Ernst
Projektarchitekten
Irlenbusch von Hantelmann
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