Viele Fliesen: Miniloft in Vilnius
Das Bad ist das neue Schlafzimmer: Die Architekten von YCL Studio nehmen es mit diesem Umbau wörtlich.

Früher hatten Räume unterschiedliche Bestimmungen und daraus folgend eine klar daran angepasste Ästhetik. Heute sind, so predigen es die Hersteller, die Grenzen fließend. Die Küche ist das neue Wohnzimmer und das Bad das neue Schlafzimmer. Sie haben richtig gelesen. Ein Apartment in Vilnius setzt diese Idee in einer Konsequenz um, die in der Wohngestaltung selten ist.
In der litauischen Hauptstadt haben die Architekten von YCL Studio ein loftartiges Apartment einer strengen Zweiteilung unterworfen: Eine schräge Wand unterteilt die 45 Quadratmeter Wohnfläche in einen Bereich, der ganz in weißes Holz, und einen, der komplett in rotbraune Fliesen der Firma Agrob Bruchtal gekleidet ist. Wohn-, Ess- und Kochbereich sind in dieser Struktur dem Tag, dem „Hellen“, zugeordnet, während die dunkler getönten Fliesen Ruhe und Nacht symbolisieren.
Dass die Fliesen des Badbereichs sich durch das Schlafzimmer bis auf die gesamte trennende Wand im Wohnbereich ausbreiten, ist an diesem Projekt die größte Überschreitung des Gewohnten. Dabei ist dieser zunächst experimentell und radikal wirkende Gestaltungsschritt eine Hommage an vergangene Zeiten und uralte Praktiken: Die Fliesen erzeugen Parallen zur Backstein-Ästhetik der mittelalterlichen Altstadt von Vilnius, in der sich das Apartment befindet.
Der generelle Minimalismus der Wohneinrichtung – die wenigen Möbel und Armaturen sind in Schwarz, Grau und Weiß gehalten – erinnert an die Kargheit und Ruhe eines Klosters. Die Fliesen, im Vergleich zu Holz und Teppichboden als kühl verstandene Materialien, wirken eher warm; ihr rotbrauner Farbton ruft Assoziationen zu Organischem und Vertrautem hervor. Ungewöhnlich dagegen ist die Verbindung beider Zonen über ein Sichtfenster: Eine Öffnung in der Wand erlaubt den Blick vom Bett auf das Sofa und umgekehrt – in dem schmalen Spalt ist zudem ein Gaskamin integriert, der beide Räume beheizt.
Die zwei stark verbundenen und doch klar getrennten Bereiche deuten an, welche Gegensätze die jungen Architekten in ihrer Arbeit vereinen: eine konzeptionelle wie ästhetische Radikalität, die die herkömmlichen Vorstellungen an das Wohnen herausfordert, sowie den Anspruch, sich in die traditionsreiche Umgebung ihrer Heimat einzufügen.
FOTOGRAFIE Leonas Garbačauskas
Leonas Garbačauskas
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