Vom Konkreten ins Abstrakte
Umbau eines historischen Gebäudes in Alcobaça von Aires Mateus
Aires Mateus gehören zu den Shootingstars der Architekturwelt: Ihren Namen haben sie sich mit kleinen, aber stets kompromisslosen Bauvorhaben gemacht, die stets die Grenzen der Architektur ausloten, nah an der Kunst agieren und in ihrer Reduktion den Betrachter faszinieren. So auch das Wohnhaus, das in einer pittoresken Altstadt im Westen Portugals steht und die Schnittflächen zwischen Alt und Neu, Innen und Außen sowie Original und Nachbildung erforscht.
Das portugiesische Architekturbüro Aires Mateus arbeitet oft mit Leere, auch wenn, wie in diesem Fall, ein Volumen als Bestandsbau bereits existierte. Konsequenterweise war einer der ersten Schritte, das historische Gebäude vollständig auszuhöhlen.
Neutrale Deckschicht
Alles was stehen blieb, waren die Außenmauern des Hauses aus dem 12. Jahrhundert. Die Kubatur war es, die die beiden Brüder Manuel und Francisco Aires Mateus konservieren wollten. Sie steht aus ihrer Sicht für den Kontext des Gebäudes: Unregelmäßige Außenkanten und Höhen erzählen die Geschichte des unmittelbaren städtischen Umfelds und des Ortes Alcobaça. Alle anderen architektonischen Elemente wurden solange bearbeitet, bis sie zwar noch erkennbar, aber dennoch ihrer ursprünglichen Funktion enthoben waren. Fenster und Türen wurden zugemauert und die Fassade abgemeißelt.
Abschließend wurde die gesamte äußere Hülle mit einer weißen Kalkschicht überzogen, die zu einer Vereinheitlichung aller noch übriggebliebenen architektonischen Details führt: Konservierung der Geschichte unter einer neutralen Deckschicht. Kontrastiert wird dieser Vorgang durch neue Öffnungen in der Fassade, die wie aus einer dicken Masse herausgeschnitten wirken. Diese Lücken und Hohlräume zeigen die ganze Stärke der Wände und betonen das Volumen. Gleichzeitig sorgen sie für ein faszinierendes Spiel mit Licht und Schatten und die Verbindung von Außen und Innen.
Volumen und Hohlräume
Den bestehenden, dreistöckigen Bau ergänzten die Architekten um einen flachen, ebenfalls weiß gekalkten Anbau, der an der Stelle alter Holzschuppen seinen Platz gefunden hat. Getrennt wird er von seinem großen Nachbarn nur durch eine schmale Treppe, die vom Altbau überragt wird. Zu einer Berührung beider Körper kommt es allerdings nicht. Um der Zweiteilung gerecht zu werden, existieren zwei separate Eingänge zum Haus: einer an der Straßen- und einer an der Gartenseite. Der Zutritt zum Altbau besitzt dabei einen dramatischen Effekt. Er führt in einen fast vollständig ausgehöhlten Baukörper, der an die Treppenvisionen von Piranesi oder Escher erinnert: Ebenfalls vollständig in weiß gehalten und mit einer durchgehenden Bodenoberfläche aus hellem Marmor ausgestattet, verläuft ein Aufstieg entlang der Außenmauern und erschließt so verschiedene Ebenen und Volumen, die unter anderem ein Gästezimmer und eine Bibliothek beinhalten.
Die eigentliche Nutzfläche des Gebäudes zieht sich durch das auf Gartenebene liegende Erdgeschoss und den Erweiterungsbau: Neben dem großzügigen Wohnbereich, Bad und Küche gibt es drei Schlafzimmer, die alle über einen eigenen, kleinen Patio verfügen. Die Innenräume besitzen die gleichen Oberflächen wie im Altbau: weiße Wände und heller Marmorboden. Mit seinem unregelmäßig, polygonal geformten Grundriss übernimmt der Anbau die gezackte Silhouette der Holzhütten, die früher das Grundstück bewucherten. Aires Mateus dachten auch hier in der Logik eines Volumens, das sie über das Hinzufügen von Hohlräumen in einen bewohnbaren Raum transformieren. Die architektonische Konsequenz sind Einschnitte und Höfe, die das Innere mit dem Äußeren verbinden. In seiner atmosphärischen Reduktion schafft es das Einfamilienhaus, sich perfekt in seinen Kontext einzufügen. Gleichzeitig fasziniert die Poesie dieser Architektur, die sich allein aus Volumen, Leere und Licht zusammenzusetzen scheint.
FOTOGRAFIE FG+SG
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