Weiß auf Weiß
Apartment von Maxim Kashin Architects in Moskau

Monochrom und immersiv: Im 16. Stock eines Wohnkomplexes im Westen Moskaus interpretierte der Architekt Maxim Kashin den Suprematismus neu. In dem ungewöhnlich geschnittenen, 70 Quadratmeter großen Apartment zelebriert er die Reinheit von Form und Farbe.
„Ich hatte absolute Gestaltungsfreiheit und bin wirklich glücklich mit diesem Entwurf, weil ich meine eigene Vision vollständig umsetzen konnte“, erzählt Maxim Kashin über sein Projekt Golden Mile. „Ich glaube, dass die zeitgenössische Innenarchitektur immer einem Konzept folgen sollte, das den Raum prägt.“ Bei der Gestaltung der Dreizimmerwohnung inspirierten ihn die Gemälde der russischen Avantgarde. Kashin griff die Hauptidee des Suprematismus (vom Lateinischen „supremes" – das Höchste) auf, die auf der Überlegenheit der reinen Geometrie und Farbe beruht, und interpretierte sie neu.
Insbesondere Kazimir Malevichs Konzept des Malens mit Weiß auf Weiß und sein Werk „Weißes Kreuz“ faszinieren den Moskauer Architekten. „Malevich hat versucht, den Menschen einen Raum zu zeigen, der frei ist von Stereotypen, gesellschaftlichen Strukturen und vorgegebenen Idealen über die Kunst. Er wollte seine eigene Vorstellung der Welt darstellen und zeigen, dass alles, was wir sehen, Geometrie und Farbe ist. Das inspiriert mich sehr und ich versuche, die Idee der suprematistischen Komposition von der Leinwand auf den Raum zu übertragen“, sagt Kashin.
Skulpturaler Stahl
Die weiße Farbe – die Farbe des unendlichen Raumes – ist Hauptgestaltungsmerkmal im Moskauer Apartment. Sie bietet in der Wohnküche die ideale Bühne für eine große geometrische Skulptur, die wie gefaltet wirkt und deren unterer Teil als Tisch dient. „Ich hatte eine Idee von der Installation im Kopf und mithilfe eines 3-D-Modells konnte ich sicherstellen, dass sie aus allen Blickwinkeln harmonisch wirkt“, erklärt Kashin. „Sie ist aus einem Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt und ohne Finish gefertigt, um die Idee eines Raumes, der frei von gesellschaftlichen Normen ist, zu unterstreichen. Durch die Oxidation des Stahls entstand die samtig-rostige Oberfläche, die die Reinheit der Geometrie zeigt. Die zugeschnittenen Stahlbleche haben wir direkt in der Wohnung installiert und verschweißt“, erzählt Kashin. Kontrastiert wird der rohe Stahl vom glatten Marmorboden in der Küche. Im anschließenden Wohnzimmer wählte der Architekt einen speziell beschichteten, weißen Moosgummibelag, auf dem man angenehm barfuß laufen kann, da er weich ist und nicht zu kalt wird.
Pink, Kreuz und Marmor
Dem einfarbigen Wohnbereich setzt Kashin ein Badezimmer mit pinken Wänden und violetter Tür entgegen. „Den Raum in kräftigen Farben zu gestalten, war eine konzeptionelle Entscheidung. Im Suprematismus gibt es die drei Stufen ‚Schwarz‘, ‚Farbe‘ und ‚Weiß‘ – dieser Raum repräsentiert die Farbe“, so der Architekt. Die Badewanne und das Waschbecken sind aus italienischem Calacatta-Marmor gefertigt, der bereits in der Renaissance verwendet wurde. „Wir haben aus dem Stein voluminöse Elemente mit klarer Geometrie für das Interieur geschaffen. Die suprematistischen Kompositionen von Kreis und Kreuz im Badezimmer sollen meine Idee verdeutlichen, den rein akademischen Ansatz in der Kunst zu negieren.“
Ganzheitlich und wertvoll
Große Möbel wie Sofa und Schränke entwarf das Architekturstudio selbst, um einen ganzheitlichen Raum zu gestalten, der die konzeptionelle Vision umfassend verkörpert. Das weiße Sofa im Wohnzimmer ist ein Split-Level-Podium aus MDF-Platten und Alcantara-Veloursleder. Ergänzend lockern filigrane Stühle, Hocker und Beistelltische die einfarbige Szenerie auf. Maxim Kashin erklärt: „Mein Ziel ist es, immersive Innenräume zu schaffen, die es den Bewohnern ermöglichen, eine besondere Erfahrung im Raum zu machen und mit ihm zu interagieren. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen mehr und mehr von der Welt um sie herum, vom Stress und den Unmengen an Informationen überwältigt werden. Ein Interieur kann so zu einem Erlebnis werden, das etwas wirklich Wertvolles in das eigene Leben bringt.“
FOTOGRAFIE Dmitry Chebanenko
Dmitry Chebanenko
Projektname | Golden Mile |
Entwurf | Maxim Kashin |
Ort | Moskau |
Fläche | 70 Quadratmeter |
Typologie | Umbau |
Fertigstellung | 2020 |
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