WG mit vier Hufen
Kein gewöhnlicher Stall: Wochenendhaus des mexikanischen Architekten Manuel Cervantes Cespedes.

Zwei Autostunden von Mexiko-Stadt entfernt, hat der mexikanische Architekt Manuel Cervantes Cespedes ein Wochenendhaus mit angeschlossenen Stallungen realisiert. Der Holzbau rückt nicht nur Architektur und Landschaft zusammen: Er vereint Mensch und Pferd in einer archaisch-atmosphärischen Wohngemeinschaft.
Pferde sind keine gewöhnlichen Nutztiere. Weil die Kunst des Reitens am französischen Hof als kultivierter Ausdruck galt, wurden die obligatorischen Übungsstunden sogar von einem eigenen Orchester begleitet. Auch die Architektur ging über die gewöhnlichen Assoziationen zum Thema Stall weit hinaus. Die prachtvollsten Unterkünfte sind bis heute in Chantilly zu bewundern. Weil Prinz Louis Henri de Bourbon (1692-1740) an eine Wiedergeburt als Pferd glaubte, ließ er die Ställe von seinem Architekten Jean Aubert in seinem Schloss ebenbürtiger Eleganz und Größe erbauen.
Animalisches Zusammenleben
Eine Fortsetzung dieser baulichen Ehrerbietung ist zwei Autostunden entfernt von Mexiko-Stadt entstanden. Mitten in einem dicht bewaldeten Bergland haben der mexikanische Architekt Manuel Cervantes Cespedes und sein Büro CC Arquitectos weit mehr als ein gewöhnliches Wochenendhaus für eine wohlhabende Familie realisiert. Das Equestrian Project passt nicht nur die Architektur in die Landschaft ein. Auch die Lebensräume von Mensch und Pferd rücken derart nahe zusammen, dass eine animalisch-humane Wohngemeinschaft entsteht.
Rhythmische Reihung
Das Herzstück bildet ein langgezogener, scheunenartiger Baukörper mit tief sitzendem Giebeldach, der mit hölzernen Schindeln vollständig verkleidet ist. Seine Haut wirkt wie das schuppige Gewand einer Eidechse, das die Spuren der Zeit abbilden wird. An der östlichen Stirnseite öffnet sich der Bau zu einem wettergeschützten Unterbau. Wie ein Kontrapunkt zur geschmeidigen Außenseite erscheint im Inneren die rhythmische Reihung der vertikalen und diagonal Stützen. Die archaische Wirkung der Holzkonstruktion erfüllt sämtliche Innenräume und wird durch die puristisch-hölzernen Möbel des französischen Designers Christian Liaigre zusätzlich verstärkt.
Stars in der Manege
Die vier Schlafzimmer sind in zwei großen Boxen untergebracht, die über dem Erdgeschoss schweben und jeweils mit einer Wendeltreppe erschlossen werden. Im Zentrum des Hauses befindet sich ein großzügiger Wohn- und Essbereich, von dem aus die Blicke nicht nur bis zur Dachkante hinauf wandern können. Während ein nach Norden ausgerichteter Patio den Wohnraum zu den Stallungen öffnet, wirkt die Terrasse auf der gegenüberliegenden Seite wie eine zirkusreife Tribüne. In einem großzügigen Reitring ziehen die Pferde auf der Südseite des Hauses ihre Bahnen. Eingefasst von hölzernen Bohlen, erinnert die ins Erdreich eingelassene Arena mit ihrem Sandboden an eine Manege, die den Bewohnern und ihren Gästen zu Füßen liegt.
Kraft des Windes
Theatralische Qualitäten besitzt auch der Zugang zum Ring. Die Pferde durchqueren nach den Reitübungen das Wohnhaus durch einen separaten Korridor wie Boxer nach einem bestandenen Wettkampf. Auf der Nordseite des Hauses schließen sich zwanzig Pferdeställe in zwei getrennten Seitenflügeln an. Begrünte Dächer ragen leicht über sonst offen gehaltene Boxen hinweg und verbinden die Architektur mit der umliegenden Landschaft.
Die räumliche Nähe von Mensch und Tier erforderte bei der Planung Fingerspitzengefühl. Schließlich gehören gewisse Düfte zu jedem Stall dazu. Manuel Cervantes Cespedes löste dieses Detail durch passive Ventilation: Ein schmaler, abgesenkter Korridor zwischen den Ställen und dem Wohnhaus erzeugt einen seitlichen Luftstrom, der etwaige Absonderungen diskret aus der Welt schafft. Schließlich soll die Faszination für die anmutigen Vierbeiner auch dauerhaft erhalten bleiben.
FOTOGRAFIE Iwan Baan
Iwan Baan
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