Wie der Fleck ins Badezimmer kam
1 / 9

Verdutzt bleibt der Spaziergänger stehen: Inmitten eines Sammelsuriums von Parkplätzen, klassizistischen Häuserperlen und gesichtslosen Gebäuden steht in Berlin eine auffällige Fassade aus plastisch anmutenden Aluminiumlamellen. Dass sich dahinter ein siebenstöckiger Wohnungsneubau versteckt, fällt zuerst gar nicht auf. Entworfen hat dieses architektonische Gebilde in der Johannisstraße 3 in Mitte das Architekturbüro J. Mayer H., das damit sein erstes Projekt in Berlin verwirklicht hat. Designlines hat sich im Rohbau umgesehen und auf die Suche begeben nach Privatgärten, Lounge-Ebenen, Dachterrassen mit Panorama- und Badezimmern mit Parkplatz-Blick.
Die Wahl fiel auf J. Mayer H. Architekten, nachdem der in München ansässige Bauträger Euroboden auch andere namhafte Architekturbüros wie Kühn Malvezzi, David Chipperfield Architects, Graft oder Diener & Diener Architekten kontaktiert hatte. Stefan Höglmaier, Gründer und Geschäftsführer des Bauträgers, will sich mit seinen Projekten vom üblichen Investorenarchitektur-Einerlei absetzen: Er beauftragt namhafte Architekten, um seiner Kundschaft Objekte mit speziellem Charakter anbieten zu können. „Architekturkultur" hat sich Höglmaier auf die Visitenkarte drucken lassen, ein hoher Anspruch, dem auch JOH 3 , wie das Berliner Projekt nach seiner Adresse heißt, gerecht werden soll.
Alles hat seinen Preis
Auf 3200 Quadratmeter Grundfläche wartet es mit 21 Eigentumswohnungen mit zwei bis sechs Zimmern sowie zwei Gewerbeeinheiten auf, die über eine Geschosshöhe von 2,70 bis 5,80 Meter verfügen. J. Mayer H. zeichnet nicht nur verantwortlich für die Architektur, auch die Wohnraum-Lounges, die Badezimmer-Gestaltung und der Entwurf des Innenhofs samt Terrassen und Gärten stammen aus seiner Feder, so dass ein einheitliches Bild entsteht. Während die kleinste Zweizimmerwohnung 40 Quadratmeter misst und wie eine Hotelsuite funktionieren soll, ist die größte Wohneinheit 320 Quadratmeter groß und ausgestattet mit einer privaten Dachterrasse mit 360-Grad-Panoramablick über die Berliner Mitte mit Synagoge und Museumsinsel. Die Wohneinheiten – bei denen sich der Quadratmeterpreis je nach Geschoss zwischen 4000 und 8000 Euro bewegt – sind weitgehend ähnlich ausgestattet: Zu den Annehmlichkeiten gehören Fensterverglasungen mit eloxierten und witterungsbeständigem Aluminiumrahmen, Echtholzparkett, eine permanente Wohnraumbelüftung mit Wärmerückgewinnung sowie voll ausgestattete Badezimmer.
Hereinspaziert!
Man betritt das Gebäude durch einen schmalen geschwungenen Eingangsbereich mit einer wenig ambitionierten Anordnung von banalen Briefkästen, ehe man in ein nach oben geöffnetes Atrium gelangt. Das Atrium versorgt die nach Osten gelegenen Wohnräume mit Tageslicht. Über das Atrium im hinteren der zwei Treppenhäuser angelangt, hat der Besucher die Wahl: Entweder er folgt den mit Terrazzoplatten ausgelegten Treppenstufen oder nimmt den Fahrstuhl. Doch vorher macht er im Parterre Halt in der einzigen Maisonette-Wohnung des Gebäudes. Hier kommt der Bewohner in den Genuss eines Privatgartens, auch wenn er dort naturgemäß den neugierigen Blicken seiner Mitbewohner ausgesetzt ist. Vom Gartensitzplatz aus geht der Blick gen Brandmauer der denkmalgeschützten benachbarten Kalkscheune. Während das Wohnzimmer der Maisonette großzügig mit bodentiefen Fenstern angelegt ist, kommt die offene Küche klein und durch die Ausrichtung nach Osten auch sehr dunkel daher. Eine Treppe führt ins Obergeschoss.
Mosaik-Fleck im Badezimmer
Hier befinden sich zwei Badezimmer. Das Gäste-WC – ausgestattet mit einer Dusche, einem WC und einem Waschplatz – ist vom Flur von verschiedenen Räumen aus zugänglich. Visuell dominiert hier ein schwarz-weißer Farbklang: Weiße Rundmosaikfliesen vom deutschen Hersteller Hoppe werden an den Wänden und auf dem Boden von schwarzen, organisch geformten, fleckenartigen Mustern überzogen. Eine ähnliche Gestaltung – die ebenfalls der Architekt des Gebäudes verantwortet – findet sich im zweiten Badezimmer auf dieser Etage, das ausschließlich vom großen Schlafzimmer aus betreten werden kann. Ein raumhohes, zum Atrium ausgerichtetes Fenster versorgt das neun Quadratmeter große Bad mit Tageslicht. Während rechts vom Eingang eine bodengleiche Dusche angeordnet ist, befindet sich gegenüber das große Waschbecken Happy D von Duravit. Dieses ist mit einem hinterleuchteten Spiegelschrank mit abgerundeten Ecken überhangen. Durch eine Wand getrennt ist dahinter die Toilette positioniert, von der aus der Blick zu einer freistehenden weißen Badewanne schweift, die durch eine Glaswand von der Duschebene separiert wird. Passend zum schwarz-weißen Farbklang kommen auch die Armaturen ganz in Schwarz daher: der Arne-Jacobsen-Klassiker von Vola.
Duschvergnügen mit Parkplatz-Blick
JOH 3 bietet seinen Kunden neben dieser Mosaik-Variante, die auf Wunsch des Kunden gern auch knallig in Gelb-Weiß daherkommen kann, noch eine zweite Möglichkeit der Badgestaltung an: die gediegene Version in edlem Naturstein. Diese ist in der Wohnung von Stefan Höglmaier zu besichtigen. En suite vom Schlafzimmer zugänglich, bietet sich von hier ein schöner Blick bis zum Tacheles und zur Synagoge in der Oranienburgerstraße. Die Füße erwärmt durch eine Fußbodenheizung, zeichnet sich der Raum durch eine klare Anordnung der Sanitärobjekte aus: rechterhand das Waschbecken und angrenzend die gemauerte Regendusche, linkerhand die vor den Fenstern positionierte, freistehende Badewanne.
Comeback der Siebziger
Die 93 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung vereint alle Charakteristika des Gebäudes. Während der Wohnraum samt integrierter Küchenzeile von Holzrausch und abgesenkter Wohnlounge – eine Reminiszenz an die Siebziger und formschön ausgestattet mit dem Sofa Jalis, das Jehs + Laub für COR entworfen hat – sehr großzügig gelungen ist, gleichen Schlaf-, Kinder- oder Gästezimmer banalen Funktionsräumen. Zuweilen sehr ungünstig geschnitten, erinnern sie so eher an Schuhkartons als an Wohlfühloasen.
Skulptur oder Fassade?
Das Besondere der Architektur von JOH 3 sind sowieso weniger die Innenräume – obwohl jeder einzelne Wohnungsgrundriss unterschiedlich ausfällt – als vielmehr die Qualität der Fassadengestaltung. Diese hebt sich wohltuend ab vom Berliner Einheitsraster. Unzählige, vertikal angeordnete, CNC-gefräste Lamellen wellen sich organisch über die Fassade und sind nicht nur Sicht- und Sonnenschutz für die dahinter liegende Glasfassade, sondern bilden auch die Brüstungen der Balkone. Schaut man von den oberen Stockwerken auf die Dächer Berlins – sind die doch sehr klein geratenen Funktionsräume wohl schnell vergessen.
FOTOGRAFIE Ludger Paffrath
Ludger Paffrath
Links
Mehr Projekte
Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Der Fjord als Bühne
Sauna Trosten in Oslo von Estudio Herreros

Mehr als heiße Luft
Saunen inmitten der Natur

Monolith in der Schwebe
Ein abgelegenes Waldbad von Vector Architects in China

Vision und Tradition
Hotel Badeschloss in Bad Gastein von BWM Design

Wohnen im Wasserwerk
Loftwohnung in ehemaligem Pumpwerk von Giorgio Gullotta Architekten

Moderner Barock
Kunst- und Designhotel in Berching von Atelier Dimanche

Sportliche Erfrischung
Neuer DFB-Campus in Frankfurt am Main von kadawittfeldarchitektur

Moderne Badkultur
Das Royal in Bad Füssing wird von Zeilberger + Hartl Architekten umgebaut

Trigonale Interventionen
Altbausanierung in Porto mit modernen Ecken von Paulo Moreira

Unikate aus Titan-Stahl
Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus

Radikales Raffinement
Studio-Apartment von minuit architectes in Paris

Schutzraum wird zum Wohnraum
Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese

Ganzheitliche Genesung
Krankenhausneubau von tsj-architekten in Niedersachsen

Maritime Farbwelten
Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Besondere Böden
Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Moderne Behaglichkeit
Ausgestaltung einer Villa im Großraum Frankfurt von Andrea Busch Inneneinrichtung

Heilende Räume
Umbau einer Reha-Einrichtung in Polen

Fenster zum Bad
Ein 10.000-Euro-Umbau von TAKK in Barcelona

Baden in Beton
Ehemaliges Lagerhaus in Athen wird zum Penthouse

Ausweitung der Komfortzone
Wohnanlage für Studierende in Bielefeld von Stopfel Architekten

Mit Scarpa baden
Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Gestaffeltes Wohnhaus
Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten

Mediterrane Moderne
Zweizimmerwohnung in Barcelona von Szymon Keller

Durchbruch zur Natur
Hotel Sou von Suppose Design Office auf der japanischen Insel Fukue

Reflektierte Flusslandschaft
Neugestaltung der Sanitärräume auf der Münchner Praterinsel

Buntes Versteck
Ein Hausumbau von i29 in Amsterdam

Schwereloses Schwimmbecken
HAL Architects bringen einen Londoner Pool zum Schweben

Rein in Stein
Die schönsten Natursteinbäder

Showroom-Szenarien
Der neue Laufen Space in Berlin von Konstantin Grcic
