Wohnliche Visitenkarte
Das Pariser Apartment der Designerin Emmanuelle Simon

Konsequent bis ins letzte Detail hat Emmanuelle Simon ihr „Pied-à-Terre“ in Paris gestaltet. Vom Terrazzoboden über strukturierte Wände bis zur eigenen Möbelkollektion stammt alles aus dem Themen- und Designkosmos der jungen Designerin, die in den wenigen Jahren seit ihrer Studio-Gründung eine fulminante Karriere hingelegt hat. Mithilfe von natürlichen Materialien und traditionellem Handwerk schafft sie Objekte, die sich durch eine eigenwillige und anziehende Formensprache auszeichnen. Ihr Apartment hat sie zu einem Ruhe kommunizierenden Rückzugsraum gemacht.
2017 hat Emmanuelle Simon ihr Designstudio in Paris gegründet. Seither hat sie vor allem in der französischen Hauptstadt Wohnungen gestaltet, Shops ausgestattet, ein Spa entworfen und Ferienapartments zu gemütlichen Urlaubshöhlen gemacht. Typisch für Simons Projekte ist ihre individuelle Ästhetik, die sie auf ganze Raumwelten überträgt. Sie arbeitet mit natürlichen Farbtönen, lebendigen Texturen und Strukturen und setzt auf weiche, organische Silhouetten. Dazu verlegt die französisch-israelische Gestalterin eine eigene Möbel- und Leuchtenkollektion, die von Kissen über skulptural anmutende Sideboards bis hin zu inselartigen Bettlandschaften reicht. Zuletzt hat sie sich in Paris ihr eigenes Stadtdomizil eingerichtet. Ausgestattet mit Simons Möbeln und ergänzt durch eine Kunst- und eine Objektsammlung ist es mehr als ein Zuhause: Es ist die Raum gewordene Visitenkarte der Designerin.
Teppich aus Terrazzo
Mit dem französischen Begriff Pied-à-Terre werden typischerweise Zweitwohnsitze beschrieben, die als zeitweiliger Aufenthaltsort genutzt werden. Simons Pied-à-Terre wurde von ihr in einer gedämpften Farbpalette gestaltet, die sich ausschließlich zwischen Beige und Dunkelbraun bewegt. Schon hinter dem Eingang, einer hohen Altbauflügeltür, betreten Gäste ein ganz besonderes Stück Boden. Das Entree ist mit einem Terrazzomosaik der Pariserin Delphine Messmer ausgestattet. Die handwerklich arbeitende Künstlerin modifiziert klassische Techniken, etwa indem sie farbigen Beton einsetzt, besondere Zuschläge verwendet oder grafische Muster legt. Ihr Design für Simon erinnert an einen ornamentalen Teppich, dessen kreisförmiges Muster von einer strengen linearen Bordüre eingefasst wird.
Raum für sensorische Erfahrung
Von dort aus geht es eine Stufe nach oben durch einen tunnelartigen Flur, an dessen Ende sich der großzügige Wohnraum mit Kücheninsel, Esstisch und Sofa-Archipel öffnet. Das Interieur basiert auf einem stringenten Konzept. Die Materialien sind roh und natürlich, hochwertig und archaisch. Bei ihren Möbelentwürfen und Einbauten wechselt Simon zwischen glatt polierten Flächen und grob gefrästen, gemeißelten und gehobelten Strukturen. Kunststoff sucht man in den Räumen von Simon vergebens. Stattdessen setzt die Designerin auf Holz, Wolle, Marmor, Kalkstein, Milchglas, Gips, Lehm und Leinen, die größtenteils natürlich belassen wurden. Dieser Materialkosmos, die gedämpften Farben und verschiedenen Texturen beeinflussen auch die Lichtwirkung im Apartment. Dadurch entsteht eine ganz besondere Atmosphäre, die rustikal und behaglich wirkt und die Hektik der vor den Fenstern liegenden Großstadt in weite Ferne rücken lässt.
Archiv der schönen Dinge
Viele der Objekte in den Regalen, auf dem Couchtisch oder auf den Arbeitsflächen stammen aus der persönlichen, über Jahre zusammengetragenen Sammlung der Gestalterin. Sie wurden auf Reisen oder in Galerien erworben, von befreundeten Künstler*innen und renommierten Kunsthandwerker*innen gefertigt. Gemeinsam spiegeln sie die Interessen und Leidenschaften von Simon wider. Dass sie eine besondere Liebe für Keramik hegt, zeigt ein hohes, wandintegriertes Regal aus massiven Naturholzbalken, in dem sie ein umfangreiches Konvolut getöpferter Schüsseln, Vasen und Gefäßen aus aller Welt ausstellt. Die Kunstwerke, die sich in allen Zimmern der Wohnung finden, stammen vom Pariser Künstler Hermentaire. Seine organischen und geometrischen Formen in Erdtönen sind ein passendes Echo auf die Möbel von Simon.
Lavastein und Raku-Keramik
Gäste können die Familienmitglieder ihrer unterschiedlichen Kollektionen anhand ihres Material- und Formenvokabulars identifizieren. Die Serie Baba basiert auf einem Donut als Grundmodul, der bei Barhockern als Sitzvolumen, auf dem Sofa als Schaffellkissen oder bei kleinen Loungern als Rückenlehne durchdekliniert wird. Der avantgardistische Tisch Raku-Yaki verbindet Lavastein mit kühnen Formen und einer alten japanischen Keramik-Brenntechnik. Beim sogenannten „Raku“ entstehen durch einen thermischen Schock Risse in der Glasur, die an Marmor erinnern. Simon macht daraus nicht nur kleinformatige Objekte, sondern auch skulpturale Statement-Pieces wie einen schwebenden Barschrank und imposante Couchtische. Durch die Arbeit mit dem Kunsthandwerk und den Kunsthandwerker*innen erschafft Emmanuelle Simon Stücke mit einem ganz besonderen Ausdruck, die mehr instinktiv als strategisch wirken. Sie vermitteln eine individuelle, weniger funktionale Perspektive auf die Möglichkeiten, unsere Lebensräume auszugestalten.
FOTOGRAFIE Damien De Medeiros Damien De Medeiros
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