Zurück zur Pracht
Akurat restauriert ein Apartment in Danzig

80 Quadratmeter: Mehr braucht es nicht, um ein Zuhause mit Grandezza zu gestalten. Dem polnischen Designstudio Akurat gelingt der Umbau einer Altbauwohnung in Danzig mithilfe von materiellen Symbiosen. Auch eine goldschimmernde Insel gehört dazu.
Ein Interieur lebt von der richtigen Balance der Dinge. Es muss Brüche zulassen, verschiedene Epochen zusammenführen und Überraschungsmomente einbauen. Wie das gelingt, zeigt der Umbau einer Wohnung in Danzig. Das Haus im historischen Wrzeszcz-Viertel wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut. Es steht ebenso unter Denkmalschutz wie die Birken, die die vorbeigehende Straße flankieren und ihr den Namen geben. Die Bausubstanz war stark zerfallen. Doch es fand sich ein neuer Besitzer, der in einer zweijährigen Renovierungsphase den alten Glanz wiederherstellen wollte.
Relief im Flur
Der Umbau der 80-Quadratmeter-Wohnung oblag dem ortsansässigen Designstudio Akurat. Fenster und Türen wurden aufgearbeitet oder originalgetreu rekonstruiert, ebenso der Stuck. Im Flur sind die Wände mit zweihundert Paneelen aus massiver Eiche verkleidet worden. Die schmalen, vertikal platzierten Elemente messen drei Meter in der Höhe und reichen bis unter die Decke. So wird die Hauptachse der Wohnung vom Hauseingang zum Wohnzimmer durch materielle Wärme aufgeladen. Die konkav ausgehöhlten Holzoberflächen erzeugen subtile Schattenwürfe. Zugleich bändigen sie den Hall und verleihen so dem Durchgang Ruhe.
Geheime Räume
Hinter den hölzernen Paneelen haben die Planer*innen einen Kleiderschrank, eine Speisekammer sowie den Zugang zum Badezimmer unsichtbar integriert. Die Öffnung erfolgt durch dezent in die Fronten eingelassene Druckknöpfe. Vor allem das Badezimmer braucht sich nicht zu verstecken. Der Boden ist mit Platten aus rotem Marmor verkleidet, der eine stark ausgeprägte, weiße Äderungen besitzt. Die steinerne Materialität wird von den Fronten des Waschbecken-Unterschranks aufgegriffen.
Eine mit schmalen, vertikal platzierten Fliesen verkleidete Ebene ist den eigentlichen Wänden vorgelagert. Sie reicht in eine Höhe von rund 2,2 Metern, sodass die historische Substanz dahinter sichtbar bleibt. Die Fliesenebene vermeidet den rechten Winkel. Stattdessen schmiegt sie sich mit sanften Kurven in die Ecken hinein. „Diese durchgehende Welle aus sorgfältig aufgetragenen Riemchen-Fliesen verbindet die einzelnen Zonen des Badezimmers nahtlos miteinander und schafft so ein harmonisches Erlebnis. Erst im Zusammenspiel mit dem historischen Charakter der Wohnung gewann dieser Raum an Ausdruck“, sagt Akurat-Gründer Maciej Ryniewicz.
Vielseitiger Salon
Das Wohnzimmer nimmt fast ein Drittel des gesamten Apartments ein. Der Grundriss folgt einem unregelmäßigen Dreieck, das sich aus der Ecksituation des Hauses ergibt. Wohnen, Essen und Kochen treffen dort zusammen. Das Team von Akurat hat den Raum in einzelne Zonen unterteilt, die sich in ihrer Materialität und Farbe leicht unterscheiden. Die kompakte Küchenzeile ist mit einer Arbeitsplatte und niedrigen Rückseite aus demselben roten Marmor verkleidet, der im Badezimmer Verwendung findet. Ein Hingucker ist die Abzugshaube, die sich mit einer schwarzglänzenden, zylindrischen Verkleidung zur Decke verlängert und so wie eine minimalistische Skulptur anmutet.
Schimmernde Wirkung
Den Übergang zum Ess- und Wohnbereich markiert eine „goldene Insel“. Sie folgt einem dreieckigen Zuschnitt mit abgerundeten Ecken – und wirkt so wie ein Echo auf die Raumproportionen. „Dieses Statement-Objekt wurde vollständig mit massivem Messing verkleidet, das mit der Zeit altert und an Charakter gewinnt. In den Abendstunden reflektiert das Objekt Licht aus verschiedenen Richtungen und verändert so die Atmosphäre und Wahrnehmung dieses Raumes vollständig“, erklärt Maciej Ryniewicz. Direkt neben der Messinginsel zieht ein runder Esstisch die Blicke auf sich. Bei dieser Sonderanfertigung wird die dünne Eichenholzplatte von einem zylindrisch anmutenden Sockel aus rotem Marmor getragen, der mit einer plissierten Oberflächenstruktur aufwartet.
Hart versus weich
Um den Tisch gruppieren sich vier französische Vintage-Stühle, deren Sitzschalen aus Kunstharz mit subtiler Transparenz punkten. Der materiellen Härte des Steins wird so eine weiche Facette entgegengesetzt. Über den Tisch ragt die wandmontierte Leuchte Mantis BS2, die 1951 von Bernard Schottlander entworfen und jüngst vom französischen Hersteller DCWéditions neu aufgelegt wurde. Der weit auskragende Arm kann um 180 Grad gedreht werden, sodass die Leuchte verschiedene Bereiche der Wohnküche zu illuminieren vermag. Ein von Akurat entworfenes skulpturales Sideboard mit Holzkorpus und Glastüren geleitet vom Ess- in den Wohnbereich über.
Ein weiteres Sideboard aus Holz sowie ein gläserner Couchtisch wurden auf Vintage-Märkten erworben. Zu den wenigen Serienprodukten gehören die mit hellgrünem und hellgrauem Samt bezogenen Sofas sowie die große Pendelleuchte Overlap, die Michael Anastassiades für Flos gestaltet hat. Zwei Kreisformen fließen ineinander und erzeugen eine organisch anmutende Form, die an eine abstrahierte Muschel denken lässt.
Hang zum Musealen
Die Wände des Schlafzimmers sind in einem dunklen Grün gehalten, das die intime Atmosphäre dieses Ortes unterstreicht. Das Bett wird von einem erhöhten, abgerundeten Rahmen eingefasst, in dem sich zwei bekannte Motive wiederfinden: die konkav gewellten Eichenpaneele des Flures sowie die roten Marmorplatten des Badezimmers, die hier als Ablagen für die Nachttische dienen. Gegenüber des Fußendes ist ein Tisch mit einer dicken, vorne abgerundeten Holzplatte platziert. Er kann zum Schminken ebenso verwendet werden wie zum Arbeiten.
In zwei Glasvitrinen präsentierte Kleidungsstücke sorgen für die Aura eines musealen Ausstellungsraums. Apropos Ausstellung: Im vorderen Teil des Flurs sind politische Vintage-Plakate zu sehen, die der neue Eigentümer der Wohnung im Laufe der Jahre gesammelt hat. Dazu kommt ein zeitgenössisches Gemälde von Jacek Kłosiński, das Lech Wałęsa darstellt. Der Gründer der Solidarność-Bewegung hat von Danzig aus die friedliche Revolution gestartet und so den Fall des Eisernen Vorhangs ausgelöst. Weltbühne und häusliche Gemütlichkeit finden hier an einem Ort zusammen.
FOTOGRAFIE Pion Studio
Pion Studio
Typologie | Wohnungsumbau |
Ort | Danzig, Polen |
Interieur | Akurat Studio |
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