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Bitte kotzt mir nicht in mein Universum

Kaum bekannt, doch schuf er Klassiker der Lichtkultur: der Industriedesigner Dieter Witte. Ein Besuch bei seiner Witwe.

von Claudia Simone Hoff, 29.07.2014

Otl Aicher, Ettore Sottsass, Enzo Mari, Dieter Witte. Dieter wer? Er hat sie alle gekannt und Designklassiker der Lichtkultur entworfen. Und doch ist Dieter Witte ein nahezu Unbekannter in der Geschichte des Industriedesigns. Seine Witwe, Heidi Witte, möchte das nun ändern und hat ein Buch geschrieben: „Bitte kotzt mir nicht in mein Universum“. In Berlin erzählte sie uns amüsante Anekdoten, las aus den Briefen ihres Mannes vor und kramte in Unmengen von Zeichnungen, Prototypen und lieb gewonnenen Designerstücken.  

Heidi Witte sitzt auf einem orangefarbenen Panton Chair im Arbeitszimmer ihrer Kreuzberger Wohnung und erzählt über ihr Leben mit Dieter Witte. Über Begegnungen mit Künstlerfreunden wie Max Bill und Joseph Beuys, deren Arbeiten zuhause an den Wänden hingen. Und über den engen Austausch mit Kollegen wie Dieter Rams, Tapio Wirkkala, Terence Conran und Ettore Sottsass, von denen Designerstücke auf Regalbrettern stehen und sich in Schubladen türmen. Aber auch über den täglichen Überlebenskampf eines freiberuflichen Industriedesigners, der mit seiner Arbeit die Familie versorgen musste. Das war zuweilen nicht einfach, auch wenn sich seine Entwürfe teilweise millionenfach verkauften. Heidi Witte berichtet – noch immer ein wenig erbost, vor einer Wand mit selbst gefertigten Flokatis aus den Sechzigern sitzend – über hitzige Diskussionen mit Herstellern, für die das Geldverdienen wichtiger war als kreative Designideen.

Künstlerpaar
Dieter Witte (Jahrgang 1937) hat Produkte für Hersteller wie Erco, Osram, Rosenthal, Wilkhahn und Krups gestaltet. Beim Entwurfsprozess immer mit dabei: Heidi Witte. Für sie war der 2008 verstorbene Industriedesigner nicht nur Ehemann und Vater ihrer zwei Kinder. Bis zu seinem Tod arbeiteten Heidi und Dieter Witte zusammen in einer Bürogemeinschaft. Sie ersponnen Ideen, diskutierten, zeichneten, bauten Prototypen, verwarfen – ein Künstlerpaar wie es im Buche steht. Kennengelernt hatten sich die quirlige Berlinerin und der eher wortkarge Dieter Witte in den fünfziger Jahren in Hannover. An der dortigen Werkkunstschule studierte Heidi Textildesign, während Dieter sich für Industriedesign entschieden hatte. Ihre Rollenteilung war in dem Sinne klassisch, als dass Dieter Witte das Geld verdiente und sich seine Frau ohne finanziellen Druck ihrer künstlerischen Arbeit widmen konnte. „Ich lass mich vermarkten von der Industrie und du kannst machen, was du willst“, hatte Dieter Witte seiner Frau mit auf den Weg gegeben.

Crowdfunding-Aufruf von Heidi Witte
Dauerbrenner
Zum Leuchten- und Lichtdesign war Dieter Witte eher zufällig gekommen. Was kein Wunder war, denn in den sechziger Jahren wurde die Gestaltung von Leuchten in Designerkreisen beinahe verächtlich betrachtet. „Die Leuchtenindustrie war sehr modisch, darüber wurde die Nase gerümpft“, erzählt Heidi Witte. Außerdem gab es bei den Herstellern keine eigenen Etats für das Design, das stattdessen in die Bereiche Marketing und Technik integriert war. Trotz dieser widrigen Umstände entstanden im Licht- und Leuchtenbereich einige von Dieter Wittes prägnantesten Entwürfen: die Wand- und Deckenleuchte Auster (Staff/ heute Zumtobel), die Röhrenleuchte Lumilux (Osram) und der noch heute produzierte Strahler TM Spot (Erco). Bei Staff & Schwarz hatte Dieter Witte gleich nach Beendigung des Studiums 1962 angeheuert, während seine Frau Heidi als Textildesignerin in der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg tätig war. Es entstand die inzwischen zur Designikone avancierte Leuchte Auster, die als System flächig nebeneinander angeordnet werden konnte und blendfrei war. Gestalterisch spiegelt sie den Zeitgeist der Sechziger wider. „Als es dann hieß, ‚Herr Witte, machen Sie mal was Gefälliges, Lieschen Müller muss das auch gefallen‘, habe ich zu meinem Mann gesagt ‚Du kündigst jetzt.‘“ „Nach vier Jahren bei Staff & Schwarz konnten wir keine Lampen mehr sehen“, erzählt Heidi Witte und lacht. Und doch wechselte Dieter Witte 1968 erneut zu einem Leuchtenhersteller: Erco, für den er die folgenden zehn Jahre als freiberuflicher Designer tätig war. Unter Klaus-Jürgen Maack, der in die Eigentümerfamilie eingeheiratet hatte, wurde das Unternehmen komplett neu ausgerichtet: Statt einzelner (altmodischer) Leuchten gab es nun komplette Lichtsysteme. Mit klarer lichttechnischer Funktion ausgestattet und konsequent reduziert, fast geschmacksneutral gestaltet waren sie für ganz unterschiedliche Architekturen geeignet. Dieter Witte war es auch, der Klaus-Jürgen Maack mit Otl Aicher bekannt machte. Der Ulmer Designer gestaltete für Erco nicht nur ein komplett neues Corporate Design. Dieter Witte setzte durch, dass die von Aicher für die Olympischen Spiele 1972 in München entwickelten Piktogramme das von ihm entworfene Hinweisleuchtensystem zierten. Otl Aicher bringt die gestalterische Leistung von Dieter Witte auf den Punkt: „[es war] ein wichtiger schritt, leuchten zu entwickeln, deren gestalt sich nicht mehr an traditionelle vorbilder anlehnte. dies ist dieter witte in einem maß gelungen, dass man von einer neuen leuchtentypologie sprechen kann. die verschiedenen produkte […] zeugen von einem hohen verständnis für die formal bestimmenden kriterien der herstellungsprozesse sowie für eine sensibilität in der durchbildung technischer details.“

Lichtgestalt
Die Kollegen – neben Otl Aicher auch Ettore Sottsass und Norman Foster – waren voll des Lobes für den herausragenden Designer. Warum es Dieter Witte trotzdem nicht gelungen ist, in die Designgeschichtsschreibung einzugehen, bleibt ein Rätsel. Es kann an der zurückhaltenden Persönlichkeit Dieter Wittes gelegen haben, dem Selbst-Marketing stets ein Gräuel war. Oder daran, dass die technisch ausgerichteten Lichtsysteme von Staff, Erco und Osram eher objektiv von Fachleuten geschätzt und beurteilt werden konnten und ihnen nur wenig Emotionalität innewohnt. Und wohl auch daran, dass viele Entwürfe Dieter Wittes nicht in Produktion gingen. Wie sagte der Designer: „Richtige und gute Dinge, über die sich jeder Mensch freut, brauchen kein Tam Tam.“ Es warten noch etliche Entwürfe darauf entdeckt zu werden!

Der Nachlass von Dieter Witte – sämtliche realisierten Entwürfe – befindet sich im Deutschen Technikmuseum in Berlin.

Für die Realisierung des Buches „Bitte kotzt mir nicht in mein Universum“ hat Heidi Witte ein Crowdfunding-Projekt initiiert, welches sich momentan in seiner Startphase befindet. Den Link dazu finden Sie in der rechten Spalte.

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Links

Dieter & Heidi Witte

www.heidiwitte.de

Machen Sie mit!

Crowdfunding-Projekt von Heidi Witte

www.startnext.de

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