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Acqua, Riva, Rivamare

Auf den Spuren der ikonischen Aquarama: Rivas jüngste Weiterentwicklung des berühmten Mahagoni-Flitzers.

von Norman Kietzmann, 06.07.2016

Es gibt nur ein Motorboot, das überzeugte Segler steuern würden: eine Aquarama von Riva. Gianni Agnelli, Gunter Sachs und Brigitte Bardot jagten mit ihr über die Wellen vor St. Tropez und Portofino und machten sie zum Inbegriff des Dolce Vita. Mit dem Modell Rivamare hat die Werft soeben die jüngste Weiterentwicklung des berühmten Mahagoni-Flitzers vorgestellt. 

Am Iseosee geht es normalerweise eher beschaulich zu. Kleine, elegante Holzboote ziehen ihre Bahnen um die Monte Isola, die 400 Meter aus dem alpinen Bergsee in die Höhe ragt. Doch in diesem Jahr war alles anders. Knapp anderthalb Millionen Besucher sind in den vergangenen zwei Wochen zu Christos Installation The Floating Piers geströmt – und wandelten auf schwimmenden Wegen über die Wasseroberfläche hinweg. Wer genau hingeschaut hat, wird inmitten des Trubels noch eine weitere Entdeckung auf dem See erspäht haben: Pünktlich zum Kunst-Großereignis hat die Bootswerft Riva, die in Sarnico an der Südwestspitze des Sees sitzt, ein neues Modell zu Wasser gelassen: Die Rivamare

174-jährige Tradition
Auch dieses Boot wandelt auf den Spuren der ikonischen Aquarama, die Carlo Riva 1962 entworfen hat. Mit ihrem schmal zulaufendem Heck, ihrer rotbraunen Mahagoni-Beplankung sowie einer gepolsterten Liegefläche zum Sonnenbaden galt das schlanke Boot als schwimmendes Pendant zum Jaguar E-Type. Der Entwurf markierte einen Richtungswechsel für das Unternehmen, das nach seiner Gründung im Jahr 1842 zunächst keine eigenen Boote herstellte. Pietro Riva, der Ur-Großvater von Carlo Riva, reparierte in seiner Werkstatt lediglich die Holzboote der Fischer des Iseosees. Erst sein Sohn Ernesto begann mit der Konstruktion von Ruder- und Segelbooten für den Warentransport, und sein Enkel Serafino drang in sportliche Gefilde vor. Er baute die ersten Motorboote unter dem Namen Riva und gewann mit ihnen in den zwanziger und dreißiger Jahren zahlreiche internationale Rennen. 

Klirrende Palastfenster   
In der Sportwelt war die kleine Werft danach zwar ein Begriff. Doch erst als Serafinos Sohn Carlo die Fertigung von Einzelstücken zu Serienmodellen umstellte, avancierte Riva zur Marke. Ihren Durchbruch hat sie Rainier III. von Monaco zu verdanken, der Riva 1959 die ersten Pontons im Hafenbecken seines Fürstentums bauen ließ und damit den Monaco Boat Service gründete. Der Regent gab sogar die Erlaubnis, einen Tunnel durch den Felsen unterhalb des Grimaldi-Palasts zu sprengen, um 100 Riva-Boote in der Winterzeit einlagern zu können. „Die Explosionen waren so stark, dass die Fensterscheiben des Palastes gezittert haben“, erinnert sich Carlo Riva an die zweijährigen Bauarbeiten.

Auf den Spuren der Ikone  
Die heutige Tendenz zu maritimen Muskelspielen geht auch an der Werft in Sarnico nicht spurlos vorüber. Um nicht zum Zulieferer von Beibooten degradiert zu werden, ist das Portfolio längst um weitere Modelle erweitert worden und spannt nun einen Bogen von kompakten Baureihen wie der acht Meter langen Iseo bis hin zu hochseetauglichen Modellen wie der 38 Meter langen Mythos. Auch wenn die Produktion der Aquarama bereits 1996 eingestellt wurde, ist sie weiterhin omnipräsent. Schließlich verfolgt Riva eine vergleichbare Strategie wie Porsche. Sämtliche Neuentwicklungen tragen stets die Züge der Urikone des Unternehmens in sich. Und was für Porsche der 911er ist, ist für Riva die Aquarama.

Gestalterische Kontinuität
„Der Charakter eines Bootes muss in drei Strichen fassbar sein“, erklärt Mauro Micheli. Seit 24 Jahren verantwortet er mit seinem Büro Officina Italiana Design die Linienführung der Riva-Modelle und hat auch die Entwicklung der Rivamare gesteuert. Das 11,88 Meter lange und 3,50 Meter breite Modell ist nicht nur für schnelles, sportives Cruisen am Tage geeignet, sondern kann auch für längere Distanzen auf dem Meer eingesetzt werden. Im Gegensatz zur Aquarama verfügt die Rivamare daher über ein Unterdeck mit Doppelschlafzimmer, Sitznische, Küche, Badezimmer und separater Dusche – was das bulligere Auftreten und höhere Aufragen über der Wasseroberfläche erklärt. 
Effektive Raumausnutzung
Um zusätzlichen Raum im Unterdeck zu gewinnen, kann die Treppe zum Cockpit umgeklappt werden. Zwei Oberlichter in Küche und Bad bringen Tageslicht ins Innere und sorgen für eine natürliche Belüftung. Die Sitz- und Essecke, Dinette genannt, folgt der Form eines Bogens. In einer zentralen Ablage ist ein dreieckiges Polstermodul verstaut, das sich passgenau in die geborgene Sitznische einfügt und diese in ein bequemes Doppelbett verwandelt. 

Die Küche ist mit einer Arbeitsplatte aus weißem Corian ausgestattet. Geschirr, Gläser und Kaffeeautomat sind in einem hohen Schrank mit ausziehbaren Mahagoni-Schubladen untergebracht. Integrierte Abstandshalter sorgen für eine sichere Aufbewahrung des zerbrechlichen Guts – eine Maßnahme, die nicht nur starkem Seegang geschuldet ist. Immerhin erzielt das Boot mit seinen beiden 400-PS-Motoren eine Geschwindigkeit von 40 Knoten (rund 74 km/h), die den Bug ordentlich aus dem Wasser hebt. 

Nautische Bühne 
Der Clou der Rivamare verbirgt sich an ihrem Heck. Dieses kann per Knopfdruck in Richtung Wasser aufgeklappt werden, sodass eine zusätzliche Beach Area entsteht. Die abgesenkte Fläche bietet Platz für zwei Sonnenliegen und ist bestens für Sprünge ins Wasser geeignet. Zusätzlich kann eine Leiter aus Edelstahl installiert werden, die im ungenutzten Zustand in den Ablagen hinter den Sonnenliegen verschwindet. Der Aquarama-Jetset der sechziger Jahre ist zwar auch ohne diese Extras ausgekommen. Doch dafür ist die Rivamare weit mehr als nur ein stilvolles Spielzeug für zwei. Sie kann für Ausflüge mit mehreren Freunden und für mehrtägige Touren genutzt werden – und lässt selbst mit ihrer kräftigeren Statur die anderen Boote im Hafen wie träge Flundern aussehen.

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