Stories

Alfredo macht mobil

Die Installation Spheres von Alfredo Häberli für BMW sucht er die Auseinandersetzung mit der Mobilität.

von Jörg Zimmermann, 20.04.2015

Mit der Installation Spheres hat Alfredo Häberli am Rande des Salone del Mobile 2015 für BMW eine assoziative Welt entworfen. In Modellen und Skizzen sucht er die Auseinandersetzung mit Mobilität.

Unwillkürlich kommt die Erinnerung: In einer düsteren Zukunftsvision aus dem Jahr 1978 manövrieren die Vipers wendig durch die Weltraumschlachten des Battlestar Galactica. Flinke Einmann-Abfangjäger, die den menschenverachtenden Zylonen im Outer Space tapfer die Stirn bieten. Schuld am Flashback ist die skulpturale Form des von Alfredo Häberli entworfenen Fahrzeugmodells – ein schlanker Körper, eine langgezogene Spitze, seitliche Heckflügel, eine aufragende Flosse. An ein Auto denkt man bei dessen Betrachtung zum Glück zuerst mal nicht, nur an Geschwindigkeit, Extravaganz und eine Portion Optimismus. An Emotionen und an Eigenschaften, die jenseits des Gegenwärtigen und Bekannten liegen. Und damit ist man auf der richtigen Spur.  In einer ehemaligen Mailänder Produktionshalle hat BMW das Projekt Spheres in Szene gesetzt. Eine freie Studie des Designers Alfredo Häberli, die in der Inszenierung die Auseinandersetzung sucht mit dem „Design-Leitmotiv Präzision und Poesie“ und dabei eine innere Diskussion des Designers über die Mobilität der Zukunft abbildet. „Ich hatte alle Freiheiten“, sagt Häberli, „doch der Umgang mit einer Carte Blanche ist gar nicht einfach.“ Weshalb der Züricher das offene Briefing von BMW über sechs Monate mit besonderer Konzentration bearbeitet hat.

Matchbox-Fan
Die Affinität zum Automobil wurde bei Alfredo Häberli schon in der Kindheit geweckt. In Argentinien betrieben die Eltern neben einer Rennstrecke ein Restaurant, und als die Familie in die Schweiz übersiedelte, hatte der Designer eine Kiste mit Matchbox-Autos im Gepäck. Die Begeisterung für das Automobil begleitete die Jugendzeit des heute 50-Jährigen. Es ging um Karosserien und Motoren, um Marken, Bewunderung und Individualität. Um Mobilität, wie sie heute diskutiert wird, ging es nie.

Verflechtungen
Für Spheres ist Alfredo Häberli tief eingetaucht in das Thema. „Die Werte Präzision und Poesie waren für mich nicht neu. Sie tauchen in allen meinen Arbeiten auf.“ Ihm sei schnell klar gewesen, dass er kein weiteres Automobil zeichnen werde, „kein Vehikel, wie man das immer so macht“, sondern das Thema Mobilität breiter betrachten wolle. „Könnte man die Probleme der Mobilität vielleicht lösen, wenn man ganz anders beginnen würde, wie beispielsweise in den neuen Städten in China?“ Vielleicht unter anderen Voraussetzungen Ansätze finden, die in bestehenden Strukturen zum Scheitern verurteilt sind? Nachdenken und Visualisieren sind für den Designer untrennbar. „Es ist vielfach leichter, Zusammenhänge zu verstehen, wenn sie dargestellt sind.“ Nicht als Abbild von etwas Realem sondern als „grafische Vision“ möchte er seine Skizzen und das verschlungene 3-D-Modell „Sphere“ verstanden wissen. Ausgewählte Möglichkeiten, wie wir in Zukunft miteinander verbunden sind und zueinander finden. Keine linearen Verbindungen von A nach B, eher mehrdimensionale Verflechtungen, die selbst in fortdauernder Veränderung und Bewegung begriffen sind. „Eine Art Endlos-Loop.“

Perspektivwechsel
„Alfredo Häberli hat eine assoziative Welt entworfen, die dem Luxus der Fortbewegung eine neue Bedeutung gibt“, sagt Karim Habib, Leiter Design BMW Automobile. Es ist die eigentliche Stärke des Projektes, dass Alfredo Häberli auf der assoziativen Ebene bleibt und sich der Darstellung einer konkreten Lösung mit eleganten Andeutungen verweigert. Daran ändert auch das im Maßstab 1:1 aus Mahagoni gefertigte Spantenmodell der Fahrzeug-Skulptur nichts, das den Ausstellungsraum dominiert. Ebenso wie das sanft schimmernde 1:3-Pendant könnte das Gefährt eine Symbiose aus Auto, Boot und Flugzeug sein. Oder gleich eine neue Fahrzeugkategorie begründen. Von den vier Rädern eines Autos ist jedenfalls nur eines als Andeutung unter dem Rumpf geblieben. Ein Symbol für das Unsichere und Vage des Entwurfs, gleichzeitig auch ein Indiz für eine neuartige Antriebstechnik, die heute noch gänzlich unbekannt ist. „Es ging mir bei Spheres nicht um das Fortschreiben von Bekanntem – Technik oder Formen – sondern um die weitreichende Auseinandersetzung und den Perspektivwechsel.“

Von innen nach außen
Lässt sich ein Fahrzeug nicht auch anders, zum Beispiel von innen nach außen denken, fragt Häberli. „Renzo Piano und Richard Rogers haben für den Bau des Centre Pompidou den Zuschlag bekommen, weil sie die Fragen nach der besten Qualität für die Ausstellungsräume gestellt und konsequenterweise die Technik nach außen verlagert haben.“ Erst die veränderte Sicht auf die Aufgabenstellung erlaube radikal neue Lösungen, ist der Designer überzeugt. An dieser Stelle entzweien sich die Gedankenwelt des Designers und das reale Projekt. Während die äußere Form des Fahrzeugs klar skizziert wird, bleibt der Innenraum, im Projekt „Couch“ genannt, nur seltsam angedeutet. In der Praxis scheint die Abkehr vom Eingeübten also nicht ganz einfach zu sein.

Neue Dimensionen
Dabei ist in Projekten wie Spheres Raum für verkehrte Arbeitsroutinen und Gedankenspiele, die offenbaren könnten, wie dringend notwendig eine radikal andere Auseinandersetzung mit dem Thema Mobilität ist. Nicht länger die Hülle und deren Styling würde die Diskussion dominieren, in Zukunft könnte eine veränderte, ganzheitliche Design-Perspektive den Ausschlag für den Erfolg geben. „Für mich sind Stille, Raum und Zeit die Luxusgüter der Zukunft“, skizziert Alfredo Häberli sein Grundverständnis. Es wäre eine verlockende Aussicht, wenn diese Dimensionen nicht nur auf Fahrzeuge sondern auf das gesamte Feld der Mobilität bezogen würden.

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Alfredo Häberlin

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