Ambiente 2020
Eine Nachlese von der Frankfurter Konsumgütermesse
Keramik, florale Dekore, Nachhaltigkeit – an diesen Trends für die Küche und den gedeckten Tisch kommt in diesem Jahr niemand vorbei. Eine Nachlese von der Frankfurter Konsumgütermesse.
Die Ambiente stand in diesem Jahr unter keinem guten Stern: Das Coronavirus und ein Sturmtief sorgten für schlechte Besucherzahlen. 108.000 Einkäufer aus dem In- und Ausland besuchten die Fachmesse, das sind rund 28.000 weniger als im letzten Jahr. Unter den 4.635 Herstellern, die in Frankfurt ihre Produktneuheiten vorstellten, waren allein 2.100 im Messebereich Dining vertreten. Hier werden Produktgruppen wie Tableware, Küchenaccessoires, Storage-Lösungen und Elektrokleingeräte präsentiert. Während Hersteller wie Meissen, Tom Dixon und Georg Jensen der Messe in diesem Jahr fernblieben, gab es auch Neuzugänge wie Melitta und die Rückkehr der Fiskars Group mit Marken wie Royal Copenhagen, Iittala, Wedgewood und Royal Doulton zu verzeichnen.
Ausweg gesucht
Ein Novum im Frankfurter Messegeschehen: Dem Thema Hospitality war gleich eine ganze Halle gewidmet. Und das hat seinen guten Grund, denn während es in der Branche beim Endverbraucherkonsum schon seit Jahren mehr oder weniger kriselt, verspricht der Bereich Hotel, Restaurant und Catering (HoReCa) noch Zuwachsraten. Die Reisebranche boomt und damit werden verstärkt auch Porzellanservice, Gläser und Bestecke nachgefragt. Neben Herstellern, die sich explizit auf das HoReCa-Geschäft verlegt haben wie Schönwald, Bauscher, Tafelstern und Steelite, drängen nun auch branchenferne Unternehmen in den lukrativen Markt.
Interessant für den privaten Konsumgütermarkt ist vor allem die Tatsache, dass von der Hotel- und Gastronomiebranche seit jeher gestalterische Impulse und Trends ausgehen. Das gilt gerade für die Küche und den gedeckten Tisch, denn Hotellerie und Gastronomie sind extrem innovativ, hier wird experimentiert und schneller ausgetauscht. Der Trend zur Schale beispielweise – Stichwort: „the bowl is the new plate“ – kommt aus dem Hotel- und Restaurantbereich ebenso wie das Sharing-Thema. „Das Hotel ist immer einen Schritt voraus“, sagt auch Peter Serra, bei Rosenthal zuständig für den Bereich Hospitality, der inzwischen rund 20 Prozent des Umsatzes ausmacht. Und er ergänzt: „Der Preiskampf ist brutal.“ Schon seit längerer Zeit kooperiert man mit internationalen Köchen, erarbeitet zusammen neue Formen und Größen. In Frankfurt stellte der Porzellanhersteller aus Selb mit Blend von Christophe de la Fontaine eine neue Form für den HoReCa-Bereich vor. Sie fällt neben praktischen Details, die für die Anwendung in der Gastronomie wichtig sind wie Stapelbarkeit und ein verstärkter Scherben durch eine strukturierte Oberfläche auf.
Zum Anfassen schön
Das haptische Erleben spielt eine große Rolle im Tableware-Bereich, wie auch bei Revol zu sehen war. Der französische Porzellanhersteller hat mit No.W ein Service aus nur wenigen, multifunktionalen Stücken entworfen, die aus Tonerde und recycelter Emaille gefertigt sind. Sie wirken mit ihren unglasierten Oberflächen beinahe rustikal, was durch die unregelmäßig aufgetragenen Glasuren Indigo Bleu und Blanc Arctique etwas abgemildert wird.
Der Hang zum Rustic Chic geht einher mit der Rückkehr zum Ursprünglichen, wie bei Soul Studio zu entdecken war. Seit 15 Jahren fertigt das griechische Label seine schlichten, fast archaischen Keramikstücke in einer Fabrik in der Nähe von Athen. Man beliefert vor allem Hotels und Restaurants, arbeitet aber auch eng mit Interiordesignern zusammen, weshalb die meisten Produkte individualisierbar sind – in Größe, Form und Farbe. Selbst eigene Designs der Kunden sind umsetzbar, wie ein Mitarbeiter am Messestand erzählte.
Mit Farben klotzen
Während in der Hotellerie das Geschirr meist noch immer ganz in Weiß gehalten ist und gelegentliche gestalterische Akzente mit Farben oder Materialien wie Keramik gesetzt werden, verkaufen sich im Privatbereich Dekore schon seit einigen Jahren sehr gut. Und dabei darf es gern floral und/oder sehr farbenfroh zugehen, wie bei Villeroy & Boch zu sehen war. Die Mettlacher haben nicht nur die legendäre La Boule aus den Siebzigerjahren in Schwarz, Weiß oder Schwarz-Weiß-Gestreift wiederaufgelegt. Das Kugelobjekt von Helen von Boch, das aufgefächert ein Dinner-Speiseset für zwei Personen ergibt, ist auch in einer extravaganten Farbkombination à la Memphis erhältlich.
Oder aber Vista Alegre: Beim portugiesischen Porzellanhersteller war die Kollektion Herbariae Parade von Christian Lacroix zu sehen. Entworfen von Art Director Sacha Walckhoff, hat sich der französische Designer für Pastelltöne entschieden – „ein Risiko“, wie er meinte, denn das französische Label steht eigentlich für sehr intensive Farben. Walkhoff war persönlich nach Frankfurt gekommen, um einen weiteren Entwurf zu präsentieren: den Dekor Magic Garden für Rosenthal, bei dem drei eigenständige Dessins – Black Seeds, Foliage und Blossom – die drei Entwicklungsstufen einer Pflanze versinnbildlichen. Und selbst Farbverläufe sind wieder da, auch wenn manch einer es vielleicht nicht glauben möchte. So gibt es bei Royal Doulton die Kollektion Signature 1850 mit einem Verlauf in Rosé, während Thomas mit BeColour der verlaufenden Farben huldigt.
Das kommt!
Gestalterische Trends im Bereich Tischkultur gehen mit Entwicklungen, die auch im Möbelbereich zu finden sind einher. Da ist zum einen das wichtige Thema Nachhaltigkeit, wie bereits bei Revol zu sehen. Oder bei Sier: Das niederländische Label hat sich auf Servierschalen, Besteck und Strohhalme für die Gastronomie verlegt, die aus nachhaltigen Materialien wie Bambus, Bagasse und FSC-zertifiziertem Holz gefertigt sind. Und dann wären da noch gestalterische Vorlieben: ein opulenter Stil, der sich in Glanz und Glitter ausdrückt, in metallischen Farben und echtem Gold, in beinahe barocken Formen – so beispielsweise bei Rosenthal mit dem Dekor Midas der Kollektion Heritage von Giovanni Cinti, der über die historische Form Sanssouci wabert.
Dem gegenüber stehen geradlinig gestaltete Produkte im Scandi Style, der nun mit einem rustikalen Touch daherkommt wie bei Soul Studio. Dafür werden natürliche Materialien wie Keramik, Holz, Kork und Glas verwendet, während die vorherrschenden Farben Braun- und Beigetöne sind, die durch Schwarz und Pastelle aufgelockert werden. Damit einher geht ein Wiedererstarken des Handwerks. Mal handelt es sich um handgefertigte Einzelstücke, mal sorgen unregelmäßig aufgetragene Glasuren für eine schöne Haptik. Und manchmal hat es auch nur den Anschein, als seien die Dinge handgemacht. Keinesfalls fehlen auf dem gedeckten Tisch dürfen Stücke aus Keramik wie bei Knabstrup, Blomus und Kinto. Sie treffen als Slow-Living-Konzept genau den Nerv der Zeit: Man konzentriert sich auf das Wesentliche und feiert das Authentische.
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