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Auf dem E-Bike ins Vergnügen

Wir haben drei Pedelecs getestet und kommen zum Ergebnis: Umsteigen!

von Markus Hieke, 02.06.2015

Der Weg ist das Ziel: Kein Spruch passt besser zu unserem heutigen Vorhaben. Es ist ein sonniger Frühjahrstag in Berlin, leichter Wind aus Nordwest, und wir machen uns auf den Weg zur Probefahrt. Ein kurzes Piepen, und der Bordcomputer ist aktiviert. Sie sind auf der Suche nach dem geeigneten Vehikel für die Stadt? Wir haben da etwas für Sie, das Sie mächtig in Schwung bringen wird.

Man kann natürlich sehr bequem, aber nicht gerade umweltfreundlich, im Auto durch die Stadt fahren. Relativ mühelos geht es auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln voran. Doch wer den ganzen Tag überwiegend sitzt, weiß: Gesund ist das nicht. Es empfiehlt sich stattdessen, mit etwas mehr Anstrengung auf dem Fahrrad unterwegs zu sein. Im aktuellen Vergleich des statistischen Bundesamtes sind es gerade mal 9 Prozent aller Erwerbstätigen – auch in Großstädten variiert die Zahl kaum: In Berlin sind beispielsweise etwas mehr, in Hamburg weniger als zehn Prozent auf dem Fahrrad unterwegs. Zwei Drittel fahren im Auto oder anderweitig motorisiert zur Arbeit (Berlin und Hamburg zirka 40 Prozent), 14 Prozent in öffentlichen Verkehrsmitteln (Berlin und Hamburg über 40 Prozent) und nochmal 9 Prozent laufen den täglichen Weg zur Arbeit. Stau im Berufsverkehr, mehrmals Umsteigen oder Verspätungen wegen Streik? Es gibt genug Gründe, den täglichen Bewegungsdrang auf dem Rad abzustrampeln.

Mit Rückenwind ans Ziel
Doch wie kommt man nun von A nach B, ohne bei Ankunft müde zu sein? Die Lösung heißt E-Bike oder Pedal Electric Cycle, kurz Pedelec. Und die werden immer besser! Ein Motor – im Vorderrad, Hinterrad oder mittig an der Kurbel positioniert – unterstützt bei der Beschleunigung bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde. Energie spenden leistungsstarke, herausnehmbare Akkus, die je nach Bauart am Unterrohr des Rahmens, am Sitzrohr oder am Gepäckträger untergebracht sind. Ein kleiner Computer informiert unter anderem über Ladestand, Geschwindigkeit und die gewählte Unterstützungsstufe. So wird jede Anfahrt zur Leichtigkeit, selbst bergige Anstiege lassen sich mit wenig Kraftaufwand erklimmen. Gleichzeitig gehören Verspätungen der Vergangenheit an. Man atmet frische Luft, bleibt in Bewegung und tut obendrein – trotz Stromverbrauch – der Natur einen großen Gefallen.

Von vier auf zwei Räder
Wer auf das Know-how eines Automobilherstellers vertrauen möchte, kommt am Smart E-Bike nicht vorbei. Mit dem schnittigen Zweirad schließt Smart die Lücke in seinem Sortiment urbaner Kleinstformat-Fahrzeuge. Bei der gemeinsamen Entwicklung mit dem E-Bike-Hersteller Grace ist Smart eine gute Mixtur gelungen: die eigene Designsprache kombiniert mit stimmigen Zweiradproportionen. Das Ergebnis ist ein durchaus sportliches Exemplar, an dessen Design sich seit der Markteinführung 2012 wenig getan hat. Der Akku ist optisch so hervorragend in den Aluminiumrahmen integriert wie selten im gesamten E-Bike-Bereich. Eine einzige Rahmengröße passt für Männer und Frauen aller Körpergrößen – angepasst wird mittels Sattelposition und Lenkerhöhe.

Schub aus dem Hinterrad
Standardmäßig ist jedes Smart eBike mit einer Drei-Gang-Nabenschaltung von Sram ausgestattet. Die allein aber liefert noch längst keinen Schub in das 26 Kilogramm schwere Fahrrad. Je nach Bedarf bringt der 250 Watt starke Elektromotor von BionX Unterstützung ins Hinterrad. Über ein kleines Display lässt sich diese auf vier Stufen zu- und abschalten. Ein, zwei Mal in die Pedale getreten und man spürt einen deutlichen Schub. So kommt man im Schnitt bis zu einhundert Kilometer mit einer Akkuladung voran. Zuverlässige Bremswirkung leisten hydraulische Scheibenbremsen. Doch damit nicht genug: Besonders nützlich ist die Möglichkeit der Energierückgewinnung (Rekuperation), die jedes Mal beim einfachen Bremsen einsetzt und sich darüber hinaus ebenso auf vier Stufen regeln lässt. Rollt man bergab, merkt man wie dann der Motor von selbst bremst und dabei die Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandelt. Allerdings benötigt man zirka zehn Kilometer Abfahrt, um dann nur einen Kilometer zusätzlicher Unterstützung zu gewinnen. Für das Aufladen von null auf hundert Prozent benötigt das Ladegerät gute fünf Stunden.

Straßentauglich ab Werk
Neben der Standardversion für derzeit knapp 2.000 Euro bietet Smart ein paar Zusatzoptionen: Für höhere Bequemlichkeit wird wahlweise ein Komfortsattel montiert, optionale Federgabeln dämpfen holprige Wege und auf Wunsch ist das Rad mit Gepäckträger ausgestattet. Dass Smart derzeit die einzige Automarke ist, die sich konsequent am E-Bike-Markt behauptet, mag daran liegen, dass die E-Bikes besonders gut zur eigenen Philosophie passen. Hauptsächlich aber sind die extrem kurzen Entwicklungszyklen im Pedelec-Bereich ausschlaggebend. Die Schar der Anbieter ist groß und dementsprechend schwer ist es, mit nur gebremstem Eifer dranzubleiben. Häufige Folge: Während Fahrradhersteller längst auf immer dezenteres Elektrisieren setzen, fallen die Konzepte aus dem Autosektor meist übertrieben futuristisch aus.
Stadtflitzer en miniature
Klein und extrem wendig zeigt sich das Flogo 3.01 vom Schweizer E-Bike-Hersteller Flyer. Mit seinen 20-Zoll-Rädern und tiefem Einstieg optisch kaum von einem normalen Kompaktrad zu unterscheiden, zuckt es schon vor Aufregung, wenn man nur seinen Fuß auf das Pedal setzt. Denn sein Panasonic-Mittelmotor mit ebenso 250 Watt Leistung reagiert schon auf geringsten Druck und ist bereit, mit leisem Surren jeden Stau links liegen zu lassen. Das Flogo hält dafür drei Stufen (Eco, Standard und High) bereit. Seine Nabenschaltung von Shimano zählt stattliche acht Gänge. Schließlich soll man bei aller Motorisierung nicht vergessen, dass seine knapp 20 Kilogramm Eigengewicht noch immer mit ein wenig Körpereinsatz in Schwung gebracht werden wollen. Beim Anfahren am Berg hilft zudem eine Schiebehilfe, die über einen kleinen Taster am Lenker aktiviert wird. Gebremst wird mit hydraulischen Felgenbremsen und wahlweise per Rücktritt. Eine Energierückgewinnung ist bei dieser Motorbauweise allerdings nicht möglich.

Vorsicht Suchtgefahr
Da auch hier nur eine Standardrahmengröße angeboten wird, sind Sattel und Lenker praktischerweise werkzeugfrei verstellbar. Sehr angenehm ist die ausgeklügelte Parallelogramm-Federung des Sitzes, die viel abfängt – sogar, wenn das Fahrrad wegen seiner kleinen Räder auf grobem Kopfsteinpflaster schnell seitlich ins Ruckeln kommt. Besonders bedienfreundlich zeigt sich das einfache Display: Geschwindigkeit, Höchstgeschwindigkeit, Unterstützungsstufe, gefahrene Tages- und Gesamtkilometer, Akkustand und voraussichtlich verbliebene Kilometer, Leuchtenmodus (an/aus) und Uhrzeit können am kleinen Bordcomputer abgelesen werden. Der Akku befindet dezent sich hinter dem Sitzrohr – wie bei den meisten E-Bikes der aktuellen Generation ist dieser per Schloss gesichert. Zumindest vorübergehenden Diebstahlschutz bietet zudem ein integriertes Rahmenschloss von Abus. Doch damit genug zu den Details: Das Flogo macht einfach enorm viel Spaß, sodass man es nach einer kleinen Spritztour kaum wieder hergeben mag. Investieren muss man in solch einen Stadtflitzer ab etwa 3.000 Euro.

Aufrecht und elegant
Wenn es doch eleganter vorangehen soll, bietet sich das Berlin Royal E vom deutschen Sportgerätehersteller Kettler an – das genau genommen die motorisierte Variante eines bereits bestehenden Herrenrades aus gleichem Hause ist. Die Elektrisierung aber steht ihm gut zu Gesicht. Ähnlich schwungvoll wie das Fahrrad von Flyer will auch dieses Pedelec vom Fleck. Und auch hier kommt dazu ein Mittelmotor mit 250 Watt Leistung zum Einsatz – nur diesmal von Bosch, dem meist verbauten Hersteller für E-Bike-Motoren. Mit drei Unterstützungsstufen, einem Zahnriemenantrieb und acht Gängen in einer Nabenschaltung von Shimano ist das Berlin Royal E gut ausgestattet, um seine fast 25 Kilogramm mit oder ohne Motor stets spielend leicht in Bewegung zu halten. Gebremst wird mit hydraulischen Scheibenbremsen.

Hoch zu Ross durch die Stadt
Zur Ausstattung gehören Scheinwerfer und Rückleuchte, Spritzschutz und ein schlanker Gepäckträger inklusive Transporttasche. Ein großes Display, dessen Funktionen linkshändig am Lenker bedient werden, gibt Aufschluss über Geschwindigkeit, Motorstufe, Akkustand, Restkilometer, Gesamt- und Tageskilometer. Hoch zu Ross, so möchte man meinen, steuert man das E-Bike mit seinem geschwungenen Chromlenker stolz durch die Straßen. Details wie die Ledergriffe oder der gefederte Retrosattel erinnern dabei an ein Oldtimerfahrrad. Nur der etwas dick auftragende Akku am Unterrohr des Rahmens verrät, dass hier eine Fahrhilfe zum Einsatz kommt. Alles in allem werden für das fürstliche E-Bike knapp 3.000 Euro fällig.

Zugegeben, die Preise sind saftig. Doch gemessen am Fahrspaß, den die elektrisierten Zweiräder bereiten, kann der Betrag fast kein Argument mehr sein. Frische Luft und Bewegung, und das bei reduziertem Kraftaufwand: Da ist es kein Wunder, dass E-Biker durchschnittlich dreimal so häufig aufs Rad steigen, wie vergleichbare Personen mit herkömmlichen Velos. Also satteln Sie um! Ihr Erkennungsmerkmal wird von nun an ein freundliches Dauerlächeln sein. Und nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Umwelt wird sich bedanken.

Fotos aller drei E-Bikes sehen Sie in der Bildergalerie über diesem Text.

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