Bewegung aus Licht
Wenn es um Technik geht, neigt der Mensch dazu, Erklärungen haben zu wollen: Wie funktioniert das? Warum? Welche Voraussetzungen muss ich schaffen? Und welchen Vorteil bringt es mir? Diese Eigenheit führt besonders beim Licht zu einem gewissen Dilemma. Denn künstliches Licht ist einerseits das Produkt einer technischen Apparatur, andererseits ist es jedoch ausschließlich sinnlich erfahrbar. Um den Menschen die Möglichkeiten der organischen Leuchtdioden – kurz OLED – nicht nur argumentativ zu erläutern, sondern vor allem emotional erleben zu lassen, ging der Hersteller Philips einen außergewöhnlichen Weg. Das Unternehmen beauftragte dafür die Spezialisten von rAndom International, die bereits mit einigen Projekten für Aufsehen sorgten, in denen sie technische Innovationen der digitalen Welt spielerisch vermittelten. Das Ergebnis ist die Skulptur „You fade to light“, die erstmals im April 2009 auf der Mailänder Möbelmesse präsentiert wurde. Seit dem 11. November wird sie im Münchner Design-Museum Die Neue Sammlung ausgestellt.
Tanzend, winkend, mit den Armen wedelnd – so sieht man die Museumsbesucher in München zurzeit vor einer Wand aus spiegelblanken Plättchen stehen. Denn die Bewegungen bleiben nicht ohne Reaktion: Die interaktive, kinetische Lichtskulptur „You fade to light“ spiegelt zunächst die Bewegungen der Besucher und übersetzt sie anschließend in Lichtmomente. Auch ist es dem Besucher möglich, die leuchtende Wand durch seine Bewegungen für einen Moment auszuschalten – wie das geht und welche Reaktionen auf welche Bewegungen folgen, das muss man schon selbst herausfinden.
OLEDs machen es möglich
„You fade to light“ ist eine große Wand, die aus 900 extrem dünnen „Lumiblade“-OLED-Modulen besteht. OLED-Leuchten erzeugen Licht, indem Elektrizität durch zwei dünne Schichten organischer Halbleitermaterialien geführt wird. Dieses Material ist wiederum eingeschlossen in eine negativ aufgeladene Schicht aus Aluminium und einer positiv aufgeladenen, transparenten Schicht aus Indium-Zinn-Oxid. Dieses „Sandwich“ wird schließlich auf Glas oder ein anderes Trägematerial aufgebracht. Das Besondere am Licht der OLEDS ist, dass es über die gesamte Oberfläche des Trägermaterials strahlt. Zudem soll die Lichtqualität der des natürlichen Lichts sehr nahe kommen.
Spielen mit der Zukunftstechnologie
Um die Bewegungen der Benutzer der „You fade to light“-Installation schließlich auf die OLED-Wand übertragen zu können, wurde hinter der Wand eine für den Benutzer nicht sichtbare Kamera angebracht. Diese zeichnet die Bewegungen per Video auf. Das Video wird anschließend in die eigens entwickelte Software eingespeist und die Lichtabfolge auf der OLED-Wand generiert – oder auch die dementsprechenden Schatten. Über die Software kann auch die Helligkeit der OLEDs gesteuert werden.
So lässt also die Interaktion mit dem Benutzer auf der Wand ein Spiel aus Licht entstehen, was dazu führt, dass sogar in weniger technik-affinen Menschen der Spieltrieb erwacht. Der Benutzer erfährt auf beiläufige und zugleich interaktive Weise, welche Möglichkeiten schon heute in der Zukunftstechnologie OLED stecken. Und dass Technik tatsächlich Spaß machen kann.
Die Entwickler
Entwickelt wurde „You fade to light“ von dem in London und Berlin beheimateten Designkollektiv rAndom International. Philips beauftragte die Firma 2007, eine Lichtinstallation für Philips „Lumiblade“ zu entwerfen, welche die neuartigen und ungewöhnlichen Möglichkeiten der OLED-Technologie einer breiten Öffentlichkeit vermitteln kann. Die drei rAndom International-Gründer Stuart Wood, Flo Ortkass und Hannes Koch waren nicht zuletzt wegen ihres experimentellen Designansatzes die richtige Wahl für dieses Projekt. So arbeiteten sie zuvor bereits unter anderem mit Olafur Eliasson, Philips Design oder den BBC research laboratories zusammen. Seit 2005 lehren die rAndom-Mitglieder außerdem am Royal College of Art in London.
Die Ausstellung „You fade to light“ ist noch bis zum 7. Februar 2010 im Museum Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne in München zu sehen – und zu erleben.
FOTOGRAFIE Rainer Schmitzberger
Rainer Schmitzberger
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