Ob 80 Minuten oder acht Stunden: Dass man gemütlich und ohne Rückenschmerzen sitzt, ist eine Frage des richtigen Stuhls. Und da die Zeiten, in denen man ein Theaterstück noch „erleiden“ musste, schon lange vorbei sind, werden mit solchen Aufgaben Experten wie die Schweizer Stuhlmanufaktur horgenglarus beauftragt. Dort hat man sich seit Jahrzehnten auf spezielle und komfortable Sitzlösungen spezialisiert: eine Frage von Tradition und Technik.
Jeder Stuhl hat seine Geschichte, manche Stühle gleich mehrere. Wenn eine 80jährige Dame zwei alte Theaterstühle kauft, weil sie diese mit den Märchenvorführungen verbindet, die sie als kleines Mädchen so gerne besucht hatte, manifestiert sich Erinnerung. Und wer eine Patenschaft für einen Stuhl in seinem Stadttheater oder in der Oper abschließt, für den zählen dabei ebenfalls mehr die persönliche Bindung und Unterstützung von Kultur als komfortables Sitzen. Um das kümmern sich andere.
Mit dem Völkerbund-Palast Genf, dem Stadtcasino Winterthur, dem Kunst- und Konzerthaus Luzern, dem Corso-Theater Zürich, dem Radio Studio Zürich sowie weiteren Lichtspielhäusern in Biel, Lausanne, Basel oder Zürich kann die Stuhlmanufaktur horgenglarus auf eine bemerkenswerte Referenzliste verweisen. „Die Ausschafung der Ursachen, die zu vorzeitiger Ermüdung, steifem Rücken, Einschlafen der Glieder usw. und damit zur Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und des Genusses an den Vorführungen bilden, ist das Geheimnis unseres Teaterfauteuils, erworben in jahrzehntelanger Erfahrung und fortwährender Vervollkommnung auf diesem Gebiete“, heißt es in einer horgenglarus-Broschüre aus den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Für die Dame, die die beiden Stühle aus dem Casinotheater Winterthur (damals hieß es noch Stadtcasino Winterthur) gekauft hat, wird der Sitzkomfort gar nicht wichtig gewesen sein: Er war schlichtweg selbstverständlich.
Das Casinotheater Winterthur ist für horgenglarus gleich eine doppelte Referenz: Die Stuhlmanufaktur zeichnete schon für die ursprüngliche Bestuhlung, die in den Dreißigerjahren nach einem Brand erneuert werden musste, verantwortlich und wurde 2010 auch mit der aktuellen Bestuhlung beauftragt. Nachdem die 80 Jahre alten Sitze verkauft wurden, ersetzte man sie durch eine maßgeschreinerte, mit weinrotem Samt beschlagene Neubestuhlung. An diese stellten die Betreiber des Teaters hohe Ansprüche an Qualität, Ergonomie, Lebensdauer, Unterhalt, Akustik, Stil und Material. Heute haben die Zuschauer neben perfekter Polsterung auch mehr Sitzbreite und mehr Beinfreiheit – sieben zusätzliche Zentimeter steigern den Sitzkomfort.
Auch im Théatre populaire romand in La Chaux-de-Fonds hat die horgenglarus-Bestuhlung Tradition. Hier wurden die Klappstuhlreihen, die man bei horgenglarus in den Dreißigerjahren gefertigt hatte, kürzlich erneuert. Da der Salle de Musique in La Chaux-de-Fonds unter Denkmalschutz steht, durfte die bisherige Bestuhlung nicht ersetzt, sondern lediglich aufgefrischt werden, was für die Polsterung eine besondere Herausforderung darstellte. Für die orangefarben gepolsterten Klappstuhlreihen sollte der gleiche Stoff wie vor 90 Jahren zum Einsatz kommen. Und so haben auch heute alle Sitze helle Rücken, die sich perfekt in die farbliche Gestaltung des Saales einfügen, gleichzeitig aber auch die gute Akustik im Saal unterstützen.
Im Theatersaal sollte anders als im Salle de Musique die bisherige Bestuhlung von horgenglarus komplett ersetzt werden. Um ein geeignetes Modell zu fnden, stieg man in Glarus in die sogenannte Schatzkammer, fand ein Modell und erstellte einen Prototyp, der sofort eingesetzt werden konnte. Das Teaterpublikum in La Chaux-de-Fonds muss also auch in Zukunft nicht an Rückenschmerzen leiden. Und wenn die Sitze mal wieder in die Jahre gekommen sind, wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder das Telefon bei horgenglarus klingeln.
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