Das elektronische Chamäleon
Sich aus der Masse hervorzuheben ist ein ungebrochener Trend, auf den Hersteller jeglicher Couleur mit dem sogenannten „Customizing“ reagieren – Produkte, die sich hinsichtlich Farbe, Ausstattung, Accessoires oder Details dem persönlichen Geschmack anpassen lassen und einen, wenn auch meist kleinen, individuellen Gestaltungsspielraum ermöglichen. In der Beleuchtung bedeuteten die Entwicklung von LED und OLED einen großen Schritt in diese Richtung, denn damit lassen sich Farbe und Beleuchtungsstärke individuell regeln. Der Hersteller Philips präsentiert nun eine Neuentwicklung, mit der Produkte farblich verändert werden können und zwar ohne den Einsatz von Leuchtmitteln. Das Electronic Skin, kurz e-skin, ist eine hauchdünne Folie, die über Produkte gestülpt werden kann, sodass diese in Farbe oder Muster beliebig veränderbar sind.
Das Handy klingelt, und an der grünen Farbe sieht man, dass der Arbeitskollege anruft. Ist es ausgeschaltet, passt sich das Handy dagegen einfach wie ein Chamäleon der eigenen Kleidung an. Ob das Wasser kocht, lässt sich leicht an der roten Färbung des Wasserkochers erkennen, und anstatt das Wohnzimmer neu zu streichen, betätigt man in Zukunft womöglich einfach einen Knopf und schon erstrahlt der Raum in der neuen Wunschfarbe. Dies sind nur einige Ziele eine Forschergruppe bei Philips, die die Technik des e-skin bereits anhand von Prototypen getestet hat. Dabei handelt es sich zwar derzeit noch um eine Glasscheibe, die ihr Aussehen wechseln kann, auf den Markt soll die neue Technik jedoch als folienähnliche, sehr flexible und durchsichtige Plastikschicht kommen.
Vom Text zur Grafik
Die Technik dahinter basiert auf einer vorangegangenen Forschungsarbeit zum Thema e-paper, also elektronische Zeitungen und Bücher, die auf sogenannten Readern gelesen werden können. Bei e-paper muss jeder dargestellte Pixel auf dem Display individuell steuerbar sein, um den vergleichsweise filigranen Text anzeigen zu können. Im Gegensatz dazu werden beim e-skin Gruppen von Pixeln gesteuert, was sich besonders für die Anzeige von Grafiken, Mustern oder Farbflächen eignet. Dieses Verfahren ist deutlich weniger komplex als die Anzeige von Text und dementsprechend auch kostengünstiger. Aufgebaut ist das e-skin wie ein hauchdünnes Sandwich: Zwischen zwei Plastikmembranen schwimmen kleine verschiedenfarbige Partikel in einer Flüssigkeit. Diese Farbpartikel werden gesteuert über elektrische Felder, ein Verfahren, das als „Elektrophorese“ bekannt ist. Je nachdem, welche Partikel durch das elektrische Feld nach oben bewegt werden, verändert sich schließlich die Farbe der Folie. „Wir können alle Partikel einzeln bewegen und beliebig miteinander kombinieren, sodass das gesamte Farbspektrum möglich ist“, so Hans Driessen von Philips Research.
Farbe durch Lichtreflexion
Der besondere Vorteil dieser Technologie ist, dass sie kaum Energie benötigt. Denn anstatt selbst Licht auszustrahlen, wie es zum Beispiel bei Displays der Fall ist, reflektiert die elektronische Haut lediglich das Tageslicht oder die Raumbeleuchtung – für die Erzeugung der elektrischen Felder wird nur ein Minimum an Energie benötigt. Ein Ersatz für die Beleuchtung mit LEDs oder OLEDs sei e-skin jedoch nicht, wie Kars-Michiel Lenssen, Wissenschaftler bei Philips Research erklärt: „LEDs erzeugen durch das Licht, das sie ausstrahlen, ein eher theatralische Äußeres, e-skin eher ein natürliches, subtiles.“ Praktisch angewendet werden soll die Folie im ersten Schritt zunächst bei elektronischen Kleingeräten wie Handys oder MP3-Playern, wobei hier sogar vorstellbar ist, dass die Geräte eigene Fotos abbilden oder sich automatisch an die Farben ihrer Umgebung anpassen können.
Einsatzbereich Architektur
Einen zweiten Schritt will das Unternehmen schließlich hin zu größeren Flächen machen, mit dem elektronischen Farbwechsel von Tapeten oder Außenwänden von Gebäuden. Besonders im öffentlichen Bereich ergäben sich dadurch Vorteile: Ladenbesitzer könnten ihre Verkaufsräume jede Saison neu auf die Kollektion oder die Jahreszeiten abstimmen, Hotels oder Gaststätten ihre Räume an bestimmte Veranstaltungen auf Knopfdruck anpassen.
Noch weiter gedacht, könnte die Folie sogar im Bereich der Architektur einsetzbar sein und Vorteile hinsichtlich der Energieeffizienz bieten. So könnte e-skin, angebracht an Fenstern, als Jalousie dienen: Indem alle Farbpartikel in eine Ecke bewegt werden, ist die Folie durchsichtig. Auch auf dem Dach eine Hauses installiert, könnte die elektronische Folie viel Energie einsparen, indem der Hausbesitzer je nach Wetterlage deren Farbe wechselt: Im Winter absorbiert ein schwarzes Dach Licht und Wärme, im Sommer hält ein weißes Dach das Haus kühl.
FOTOGRAFIE © Philips
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