David Chipperfield in Vicenza
Die Architekturbiennale lockt nach Venedig, David Chipperfield mit seiner Ausstellung nach Vicenza – ein Besuch.

Architekten lieben Monografien und präsentieren ihr Werk ebenso gerne in Ausstellungen – vermitteln sie es damit aber auch? In Vicenza versammeln David Chipperfield Architects eine Auswahl von 20 Projekten, darunter bekannte und unbekanntere Bauten, unter dem berühmten Dach der Basilica Palladiana.
Die Berliner Dependance feiert diesen Sommer ihr 20-jähriges Bestehen, auf der Baustelle der Kunsthauserweiterung in Zürich wurde soeben der Rohbau fertiggestellt und in Vicenza präsentiert das Büro David Chipperfield Architects (DCA) seit Mitte Mai seine derzeitigen Hauptprojekte in einem umfangreichen Ausstellungsparcours. Schaufenstergroße Fotografien treffen auf kunstvoll gearbeitete Modelle in unüblich großen, beeindruckenden Maßstäben mit den geschätzten Produktionskosten eines Kleinwagens – in das Umgebungsmodell des Amorepacific Headquarters in Seoul können sich die Besucher sogar hineinstellen.
„Die Entwicklung von Ideen unterscheidet sich von Projekt zu Projekt“, sagt Sir David Chipperfield, wobei jeder Prozess abhängig von unterschiedlichen Möglichkeiten und Grenzen sei. Wie enorm sich die aktuellen und laufenden Projekte unterscheiden, erfährt man bei einem Spaziergang durch den großen Saal in der Basilica Palladiana: dem Salone Superiore.
Begrüßt von einer „Portrait Gallery“, die alle vorgestellten Werke eingerahmt auf den eingezogenen Holzwänden versammelt, reihen sich auf der Mittelachse DCA-Projekte in Shanghai, Galizien und Zovencedo aneinander, abgeschlossen von den Shop-Konzepten für Brioni und Valentino sowie den Designobjekten, die David Chipperfield in seiner Laufbahn gestaltet hat. Kurz vorher öffnet sich der Raum im hinteren Drittel. Eine Ausbuchtung stellt die fast fertige James-Simon-Galerie samt der historischen Entwicklung der Berliner Museumsinsel dar, gegenüber wartet ein Modell für ein Privathaus in der Schweiz.
Von einer Friedhofskapelle im japanischen Inagawa oder dem metallischen minimalistischen Flagshipstore für das Modelabel Ssense in Montreal bis zum West Bund Art Museum in Shanghai, das weit entfernt in der anderen Saalecke schräg gegenüber platziert wurde: Die Bandbreite der Architektur, die einem in dieser Werkschau begegnet, ist erstaunlich. „Wir wollen einen tieferen Einblick in den Gestaltungsprozess ermöglichen und zeigen, dass dieser nicht ein Geniestreich eines Einzelnen ist“, erklärt dazu Chipperfield selbst, „sondern eine kollaborative und iterative Methode, die chaotisch und unvorhersehbar ist.“ Ihm geht es um den „Prozess der Ideenfindung durch ein tieferes Verständnis von Ort und Zweck“ anstatt „eines Überstülpens von Ideen, die nur formale Voreingenommenheiten des Architekten, des Kunden oder sogar der öffentlichen Meinung bestätigen.“
Chaos und Unvorhersehbarkeit zählen nun ausgerechnet zu den Parametern, die man im Portfolio von David Chipperfield Architects eher nicht erwarten würde, wohl eher Symmetrie, Geometrie und Proportion: Schlüsselbegriffe der Renaissance. Doch schon Andrea Palladio musste erfahren, wie unplanbar Architektur zuweilen bleibt. Trotz seines Wissens und einem Œuvre mit über 80 Hauptwerken konnte der Baumeister den Entwurf für seine Basilica (1549–1614) nicht mehr selbst abschließen – er verstarb 1580 in Vicenza. Warum nun 438 Jahre später in der norditalienischen Palladio-Stadt die Werkschau von David Chipperfield residiert, selbstverständlich in einem Palladio-Palast, bleibt ohne Erklärung, der Ort überzeugt. Und wer weiß, vielleicht wandert die Ausstellung ja weiter – das ein oder andere Architekturmuseum freut sich garantiert.
David Chipperfield Architects Works 2018
12. Mai bis 2. September 2018 / Di-Fr 10–13 h und 17–20 h, Sa–So 10–20 h / Mo geschlossen / Basilica Palladiana, Vicenza
chipperfield-en.abacoarchitettura.orgMehr Stories
Das Prinzip Ordnung
Ausstellung über Le Corbusier im Berner Zentrum Paul Klee

Zwischen Zeitenwende und Tradition
Unsere Highlights der Munich Design Days und des Münchner Stoff Frühlings

Function follows vision
Ausstellung in Krefeld zu Arbeiten von Friedrich Kiesler und Walter Pichler

NACHHALTIGKEIT TRIFFT DESIGN
GREENTERIOR by BauNetz id auf dem Klimafestival 2025

Nachhaltig Platz nehmen
Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Ikone der Moderne
Film über Eileen Grays Villa E.1027 an der Côte d’Azur

Baden in Bildern
Das Buch The Nature of Swimming widmet sich dem Element Wasser

Ein Spaziergang durch Paris
Kreative Vielfalt in der Olympia-Stadt

Stoff Ahoi!
Textilien mit MED-Zertifizierung von Delius

Aus finnischen Wäldern
Unterwegs auf der Fiskars Village Art & Design Biennale 2024

Unter dem Radar
Unterwegs auf der Romanian Design Week 2024 in Bukarest

Perfect Days
Wim Wenders würdigt das Tokyo Toilet Project im Kino

Wrestling & Fabelwesen
Neues von der Design Miami und Alcova Miami

Alles auf einmal
Die Bundeskunsthalle in Bonn feiert die Postmoderne

Ruf der Falte
Paravent-Ausstellung in der Fondazione Prada Mailand

Moderne Zeiten
100 Jahre Villa Noailles in Hyères

Natur-Seele
Posthumes Geburtstagsgeschenk für Alvar Aalto

Made in Lebanon
Die Beiruter Kreativszene zwei Jahre nach der großen Explosion

Blick nach vorn
Neues von der Sammlermesse Design Miami 2022

Born in Beirut
Fünf Designpositionen aus dem Libanon

Alles im Fluß
Keramikfieber auf dem London Design Festival 2022

L'art de vivre en Provence
Architektur, Kunst & Lifestyle in Marseille und Umgebung

Orient! Express!
Reisen auf der Schiene wird mit Klasse neu belebt

Unknown Unknowns
Die XXIII. Internationale Ausstellung der Mailänder Triennale ist eröffnet

Best-of Pools
Vom Mini-Tauchbecken bis zum grenzenlosen Schwimmerlebnis

Schöne Tage in Antwerpen
Streifzüge durch die flämische Metropole

Motion. Autos, Art, Architecture
Norman Foster kuratiert Ausstellung im Guggenheim Bilbao

Planet Plastik
Neue Ausstellung im Vitra Design Museum

Skulpturen für den Alltag
Museum Ludwig widmet Isamu Noguchi eine Retrospektive

Alpine Sinnlichkeit
Entdeckungen auf der Sammlermesse Nomad St. Moritz
