Stories

Der Architekt, der Koch und der gute Geschmack

von Claudia Simone Hoff, 18.09.2008


In knallrotes Leinen ist dieses Buch gebunden. Auf dem vorderen Buchdeckel nichts weiter als Titel- und Herausgeberangaben und ein kleines Piktogramm mit orangefarbigen Löffel und Reißschiene, mittig platziert. Diese stilisierten Werkzeuge weisen bereits darauf hin, um was es in diesem 160 Seiten umfassenden Buch, das von Petra Hagen Hodgson und Rolf Toyka herausgegeben wurde, geht: um die vielgestaltigen Zusammenhänge von Architektur, Nahrung und Kochen.


In 17 architekturtheoretischen Aufsätzen von namhaften Wissenschaftlern wie Fritz Neumeyer und Stanislaus von Moos sowie Architekten wie Claudio Silvestrin, Ian Ritchie oder Annette Gigon werden ganz verschiedene – manchmal gar erstaunliche – Themen behandelt und Assoziationen hergestellt. Und genau deshalb wurde das Buch auch mit dem programmatischen Titel „Der Architekt, der Koch und der gute Geschmack“ versehen.


Über das rechtes Maß, Begehren und das Wesentliche


Da wird über „Das rechte Maß im Kochen“ gesprochen, über „Die Reproduzierbarkeit des Geschmacks“ philosophiert, „Fastengebote und Entgleisungen des Begehrens“ aufgedeckt oder „Über das Wesentliche in der Architektur“ geschrieben. Schon an den teilweise gekonnt formulierten Überschriften der Aufsätze wird deutlich: Das Thema Architektur, Nahrung und Kochen ist ergiebig. Denn sowohl Architektur als auch Essenszubereitung sind Bestandteile unserer Kultur. Mit einem großen Unterschied: Ein schlechtes Essen lässt sich mehr oder weniger gut und schnell verdauen, schlechte Architektur leider nicht.

Kochen und bauen sind grundlegende Tätigkeiten des Menschen, eingebunden in ein kulturelles Umfeld. Sie entspringen zwar erst einmal der Notwendigkeit, ihnen ist aber immer auch ein ästhetisch-sensorisches Moment inne. Material und Bearbeitung spielen sowohl in der Architektur als auch beim Kochen eine herausragende Rolle für das endgültige Ergebnis. Da wird gemessen und proportioniert, geformt und gestaltet, gefügt und komponiert, wie Petra Hagen Hodgson feststellt. Und weiter führt sie in ihrer Einleitung zum Buch fort, dass nicht nur in der Architektur, sondern auch beim Kochen ästhetische Kategorien wie Harmonie, Proportion und Komposition eine Rolle spielen. Und recht hat sie, wenn man beispielsweise an die Kreationen des katalanischen Meisterkochs Ferran Adrià denkt.

Was hat Musik mit Kochen zu tun?


Peter Kubelka sieht in seinem Aufsatz „Architektur und Speisenbau“ in der Zubereitung der Speisen gar die erste Kunstgattung der Menschheit, da sie wie alle anderen künstlerischen Disziplinen die Weltsicht einer Zivilisation ausdrücke. Insbesondere den Zusammenhang zur Musik zeigt Renate Breuß auf, wenn sie über „Das rechte Maß im Kochen“ schreibt. Sie listet am Ende ihres Aufsatzes Proportionsverhältnisse auf, die gleichermaßen in Architektur, Musik und Kochen vorkommen: Eine Quinte beispielsweise taucht im feinem Mürbeteig auf, der im Verhältnis von drei Teilen Mehl und zwei Teilen Butter angemischt wird. Und können wir uns Essen ohne Architektur vorstellen? Nein, eigentlich nicht. Denn selbst beim Essen im Freien, beim Picknick setzen wir uns zumindest auf eine Decke, markieren damit den Raum und decken einen imaginären Tisch. Essen ist also nicht vorstellbar ohne einen baulichen Kontext, egal wie bescheiden er sich ausnimmt. Das stellt Fritz Neumeyer fest und schwelgt in kulinarischen Erinnerungen à la italiana: Pergola, Loggia, Terrasse – wer denkt da nicht an südländische Sommerfrische und üppige Festmahle? Und so fährt der Autor, schwelgend in Erinnerungen, fort: „In Italien ist mein Schmecken auf den Geschmack gekommen.“

Dieses Buch ist besonders charmant, weil es sich durch ganz unterschiedliche Themen auszeichnet, zum Denken und Weiterrecherchieren angeregt. Seine eigentliche Besonderheit erlangt es erst durch die Vielfalt der Autorenpersönlichkeiten. Während einige Aufsätze eher trocken-wissenschaftlich daherkommen, bekommt man beim Lesen anderer Essen und Architektur, das Sinnlich-Ästhetische so serviert, dass man am liebsten gleich losreisen möchte und sei das Ziel nur der nächste Delikatess-Laden oder das nächste Ristorante. Zum Schluss noch ein Amuse Geule: 1250 kg Fleisch, 400 kg Fisch, 150 kg Hummer, 100 kg Kaviar, 30.000 Krebse, 20.000 Austern und 18.000 Brötchen: So sah 1913 die tägliche Anlieferung für das Berliner Restaurant Kempinski an der Leipziger Straße aus. Nun, 10.000 hungrige (und verwöhnte) Mäuler zu stopfen, ist eben nicht so einfach.

Petra Hagen Hodgson, Rolf Toyka (Hrsg.):
Der Architekt, der Koch und der gute Geschmack.
Basel/Boston/Berlin (Birkhäuser Verlag) 2007.
200 Abb., 160 S., 39,90 €.
ISBN-13: 978-3-7643-7331-3.

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Birkhäuser Verlag

www.springer.com/birkhauser

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