Der erste Chinese: Chan Yan Tak
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In China leben 1,34 Milliarden Menschen. Einer davon hat sich drei Michelin-Sterne erkocht: Chan Yan Tak. Seit acht Jahren erfreut er im Restaurant Lung King Heen Gourmets aus aller Welt mit seinen köstlichen und überaus ideenreichen Kreationen. Wir haben Chan Yan Tak in Hongkong besucht, mit ihm über seine Kochkünste gesprochen und dabei köstliche Dim Sum und Vogelnest probiert.
Das Four-Seasons-Hotel liegt in der Finance Street auf Hongkong Island, gleich gegenüber der Anlegestelle der berühmten Star Ferry. Betritt man die imposante Lobby, lässt man den geschäftigen Stadtteil Central hinter sich und wird Teil einer anderen Welt. Das Hotel ist das einzige weltweit, das gleich über zwei Drei-Sterne-Restaurants verfügt. Neben dem Lung King Heen gibt es nämlich noch einen französischen Gourmettempel namens Caprice, in dem Vincent Thierry kocht.
Naturbegabung
Lung King Heen heißt auf Deutsch so viel wie Drachenblick. Es ist das erste chinesische Restaurant, das im Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet wurde. Chan Yan Tak kocht hier seit acht Jahren – damals holte der Manager des Hotels ihn aus dem Altenteil zurück an den Herd. Bereits mit Dreizehn, nach dem Tod seiner Mutter, begann Chan Yan Tak in einem Restaurant in Hongkong zu arbeiten. Das war in den sechziger Jahren und das Restaurant spezialisiert auf kantonesische Küche. Er putzte, schnippelte und kochte. Dabei hat Chan Yan Tak nie eine professionelle Kochausbildung erhalten, denn zu der Zeit gab es in Hongkong gar keine Kochschule, erzählt er. Learning by doing lautete deshalb sein Devise und so hat er sich in fünfzig Jahren Berufserfahrung langsam, aber stetig empor gekocht.
Es regnet Sterne
Die Nachricht vom Sternensegen hat Chan Yan Tak im Jahr 2008 überraschend erreicht. Stolz ist er zwar schon ein wenig, doch der Mittsechziger gibt sich bescheiden und betont, dass die Sterne nicht ihm allein, sondern seinem ganzen Team gehörten. Wie er sich denn gefühlt habe, als er von der Auszeichnung erfahren habe? „Ich war einfach glücklich“, sagt er. Die Mühen seiner Arbeit merkt man Chan Yan Tak nicht an. Im Unterschied zu vielen seiner Sternekollegen beantwortet er geduldig lächelnd alle Fragen und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Und das, obwohl in der Küche die Vorbereitungen für ein chinesisches Familienfest – gefeiert werden die ersten 100 Tage nach der Geburt eines Kindes – auf Hochtouren laufen. Und chinesische Familienfeste sind groß, erzählt er.
Das Nest auf dem Tisch
Im Lung King Heen wird kantonesisch gekocht. Das bedeutet vor allem eines: Alle Zutaten müssen frisch sein. Chan Yan Tak ist deshalb oft auf Hongkongs Märkten unterwegs. Auch, um auf Entdeckungsreise nach neuen Zutaten zu gehen. Die Ingredienzien seiner Gerichte stammen aber von überall her. Und so kommt es, dass Chan Yun Tak chinesische Speisen mit schwarzen Trüffeln aus Italien oder mit iranischem Kaviar garniert sind. Meeresfrüchte und Fische werden unmittelbar vor der Zubereitung dem Aquarium in der Küche des Restaurants entnommen. Die erlesenen Speisen bestehen aus vielen Schichten und Texturen und sind sehr exakt verarbeitet. Doch die Gäste kommen nicht nur wegen der Fisch- und Meeresfrüchte-Gerichte in das Restaurant, das bereits Monate im Voraus ausgebucht ist. Es sind vor allem die Dim Sum, für die das Lung King Heen berühmt ist. Das sind kleine Köstlichkeiten, die ausschließlich zum Lunch serviert werden. Angerichtet sind sie – egal ob mit vegetarischer, Fisch- oder Fleischfüllung – überaus kunstvoll. Sie liegen in den typischen Bambuskörben, in denen sie zuvor gedämpft wurden, und werden in Sojasauce oder scharfe Saucen getunkt. 25 Mitarbeiter – übrigens ausschließlich Männer – werkeln in der Küche.
Neben Dim Sum kommt bei Chan Yan Tak auch ein außergewöhnliches kulinarisches Highlight auf den Tisch. Serviert wird eine Art Pudding, der von einer durchsichtig-weißen, geleeartigen Masse gekrönt ist: dem berühmten bird’s nest, einer Delikatesse in China. Dabei handelt es sich um die Nester von Salanganen, die zur Familie der Segler gehören. Die Vogelnester werden mit dem eiweißreichen, zähen Speichel der Vögel zusammengehalten. Warum Chinesen dafür so viel Geld ausgeben – das Dessert kostet 58 Euro – erklärt Chan Yan Tak schmunzelnd so: „In China glauben die Frauen, dass sie eine schönere Haut bekommen und jünger aussehen, wenn sie bird’s nest essen.“ Chan Yan Tak hat in Bezug auf sein Alter eine ganz andere Philosophie, was ihn sehr sympathisch macht: „Ich sehe zwar schon ziemlich alt aus, bin aber jung im Herzen und im Kopf“, sagt er lachend. Und ehrlich gesagt hat die kostspielige Delikatesse, die in Höhlennestern in Thailand oder Indonesien unter großen körperlichen Anstrengungen gesammelt wird, auch nicht wirklich viel Geschmack – schöne Haut hin oder her. Doch Chinesen sind abergläubig und deshalb gelten viele Nahrungsmittel dort als Heilmittel, für die man viel Geld bezahlt.
Mit Herz und Seele
Selbst ein Meisterkoch wie Chan Yan Tak sucht noch immer nach Inspiration, gern auch bei japanischen Kollegen. Er selbst kocht zuhause jedoch am liebsten die einfachen Dinge: gedünsteten Fisch oder frisches Gemüse. Angst, dass er seine drei Sterne wieder verlieren könnte, hat er nicht. Er kocht einfach weiter wie seit fünfzig Jahren. Dim Sum bedeutet auf Deutsch übrigens „das Herz berühren“. Das haben nicht nur die gedämpften und frittierten Köstlichkeiten geschafft. Auch der Koch selbst.
FOTOGRAFIE Markus Gortz (Ambiente) und Tang Koon Ming (Food)
Markus Gortz (Ambiente) und Tang Koon Ming (Food)
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